Petrik: "Die Regierung rechts einzuholen, ist keine Opposition"

Petrik: "Die Regierung rechts einzuholen, ist keine Opposition"
Flora Petrik, ehemals Vorsitzende der Jungen Grünen, spricht über die Notwendigkeit einer Parlamentspartei links der SPÖ.

Zuerst der Streit mit der damaligen Grünen-Chefin Eva Glawischnig, gefolgt von einer recht erfolglosen Kandidatur als Spitzenkandidatin der KPÖ Plus bei den Nationalratswahlen 2017 - dann war es ruhig geworden um die heute 23-jährige Flora Petrik, ehemals Vorsitzende der Jungen Grünen. Nun möchte sie sich mit der Jungen Linken für eine „soziale Alternative im Parlament" einsetzen. Im KURIER-Gespräch erklärt sie, was sie darunter versteht, wieso die SPÖ aus ihrer Sicht keine Linkspartei mehr ist und warum sie Utopien von einer besseren Gesellschaft für notwendig hält.

Vor einigen Wochen fand der Gründungskongress der Jungen Linken statt. Daraufhin kursierte in den Medien die Meldung, Sie wollen mit dieser Bewegung 2022 in den Nationalrat einziehen. Das stimmt so nicht?

Nein. Wir Junge Linke sind eine bundesweite linke Jugendorganisation, die parteiunabhängig ist und die alljene jungen Leute vernetzen will, die sagen, es braucht eine starke linke Partei im Parlament – links der SPÖ. Wir sehen uns als wichtige Säule im Aufbau einer solchen Kraft, aber wie diese dann ausschauen wird, wird sich noch zeigen. Es gibt bei uns zum Beispiel Mitglieder, die aus der SPÖ kommen oder Leute von den Grünen, auch welche von der KPÖ und viele, die zum ersten Mal aktiv werden. Wir wollen uns aber von keiner Partei vereinnahmen lassen, sondern etwas aufbauen, das über das Bestehende hinausgeht.

Was sind die konkreten Anliegen der Jungen Linken?

Es gibt so viele Baustellen. Die Schere zwischen Arm und Reich ist ein politisches Verbrechen. Das können wir alleine nicht aus der Welt schaffen, aber wir wollen unseren Beitrag dazu leisten. Ein zweiter wichtiger Punkt ist unser Bildungssystem, in dem die sozialen Probleme noch verschärft werden. Schwarz-Blau versucht hier gerade, kosmetische Reformen zu betreiben, durch die Kinder separiert werden – Stichwort Deutschklassen. Da wollen wir dagegenhalten. Der dritte Punkt ist, für eine Arbeitszeitverkürzung auf die Straße zu gehen, für besser Löhne, gegen schlechtere Arbeitsbedingungen. Es ist eigentlich eine Schande, dass wir jetzt den Acht-Stunden-Tag verteidigen müssen, obwohl wir seit Jahren wissen, dass eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenstunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich möglich ist. Gerade als junger Mensch hat man das Gefühl, man kann sich so sehr anstrengen wie man will und trotzdem reicht es nicht. Diesem Gefühl, dass es keine hoffnungsvolle Zukunft mehr gibt, wollen wir etwas entgegensetzen.

An wen richtet sich das Angebot der Jungen Linken?

Die Linke an sich ist ja nicht sehr groß, es gibt nicht viele Leute, die sich tatsächlich als Linke bezeichnen. Aber Leute, die sich für ein menschenwürdiges Leben für alle einsetzen, oder sagen, die Grundsätze der Menschenrechte sollen eingehalten werden und alle Menschen sollen ein Leben in Würde führen können - diese Gruppe ist sehr groß und die müssen wir erreichen und dann gemeinsam daran arbeiten, wie so eine soziale Alternative im Parlament aussehen kann.

Eine Unterteilung in links und rechts gilt heute oft als nicht mehr zeitgemäß. Wenn Sie von einer „linken Kraft“ sprechen, was verstehen Sie darunter? Was bedeutet „links sein“ heute?

Links sein bedeutet für mich, dass ich politisch dafür einstehe, dass die Möglichkeiten unserer Gesellschaft den Menschen auch zu Gute kommen. Links heißt, die Menschen zu ermächtigen, Freiheit zu ermöglichen und für eine offene Gesellschaft zu kämpfen. Die Rechten geben nur den Konzernen, Reichen und Banken. Klar wollen die nichts von links oder rechts wissen - wer so eindeutig Politik auf Kosten der Mehrheit der Menschen macht, hat ein Interesse, seinen Standpunkt zu verschleiern.

Wo wären die NEOS auf dieser Achse zwischen links und rechts zu verorten?

Die NEOS sind eine neoliberale Partei, die in vielen Dingen der ÖVP um nichts nachsteht. Darum würde ich sie im rechten Spektrum einordnen, wobei sie gesellschaftsliberal sind und wir mit den NEOS bei einigen Themen auf einer Linie sind - etwa bei der Öffnung der Ehe oder der Drogenpolitik. Im Hinblick darauf müssen wir Linke uns auch fragen, wo man Bündnispartner für konkrete Themen findet, mit denen man gemeinsam vorgehen kann, auch wenn man einander bei anderen Punkten vielleicht hart kritisiert.

Außerdem muss man leider sagen, dass die NEOS im Moment die vernünftigste Oppositionsarbeit machen.

Wie beurteilen Sie dementsprechend die Oppositionsarbeit der SPÖ?

Die SPÖ hat einfach an Glaubwürdigkeit verloren, nachdem sie zum Beispiel bei CETA umgeschwenkt ist. Dasselbe gilt, wenn Kern eine Petition gegen die 60-Stunden-Woche startet, aber sich nicht traut, in den Mund zu nehmen, dass er eigentlich für den 12-Stunden-Tag ist. Oder wenn ein Interview mit ihm geführt wird und er in den schwarz-blauen Chor für Asylzentren in Afrika miteinstimmt. Es ist keine Oppositionsarbeit, wenn du versuchst, die Regierung rechts einzuholen. Das tut die SPÖ aber gerade.

Und die Liste Pilz? Enttäuschung oder Hoffnungsträgerin?

In die Liste Pilz haben viele Leute ihre Hoffnung gesteckt, wobei schon sehr früh klar war, dass das keine Partei ist, die Leute organisieren will oder regional stark verankert sein will. Abgesehen von den sexistischen Übergriffen, die Peter Pilz vorgeworfen werden, zerbröselt die Liste Pilz gerade auch an den personellen Streitigkeiten, aus denen sie nicht herauszukommt. Sie ist mehr mit sich selbst beschäftigt, als ernsthafte Oppositionsarbeit zu machen, für die sie aber viele Leute eigentlich gewählt haben.

Wie sehr fehlen die Grünen? Und haben Sie das Gefühl, mit-schuld an ihrem Wahldebakel zu sein?

Wir Junge Grüne wollten damals die Grünen zu der Partei machen, die die Visionen und die Organisationskraft hat, soziale Probleme anzugehen. Die Grünen hatten ein massives Vertrauensproblem aufgrund ihrer Wahrnehmung als überhebliche Besserwisser, daran wollten wir etwas ändern. Die Grünen haben der ersehnten Regierungsbeteiligung die Beteiligung vieler Menschen am politischen Prozess geopfert. Der mühsame Kampf um Überzeugung und die Öffnung der Partei hätten ganz andere Parteistrukturen und Kampagnenorganisation vorausgesetzt. Unsere Kritik daran war letztlich der Grund für unseren Rauswurf. Insofern bestätigt das schlechte Ergebnis der Grünen unsere Kritik.

Ich fühle mich nicht schuldig, dafür einzustehen, dass wir den Menschen etwas Besseres bieten wollen. Die Grünen waren in letzter Instanz kein Hoffnungsschimmer für eine bessere Gesellschaft mehr, aber sie haben dennoch einen Beitrag zum demokratischen Gegengewicht geleistet. Ich wünsche den Grünen daher alles Gute dabei, wieder Ziele und Visionen zu entwickeln. Momentan sehe ich da aber leider keine klare Orientierung.

Sie sagen, die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander. Wie erklären Sie sich, dass Linksparteien dennoch immer weniger Stimmen bekommen?

Die rechten Parteien, besonders die FPÖ, haben es in den letzten Jahren geschafft, die Deutungshoheit über ganz viele Themen zu bekommen, und Sündenböcke zu kreieren. Die FPÖ erzählt die Geschichte, dass es uns in Österreich nur so lange gut geht, bis Migranten ins Land kommen. Dass ihnen das abgekauft wird, ist natürlich auch ein Versagen der Linken, die es viel zu lange nicht stark geschafft haben, die Wähler davon zu überzeugen, dass linke Politik einen positiven Unterschied machen kann. Da muss man auch mit sich selbst in die Kritik gehen. 

In einem Interview mit dem Mosaik-Blog haben Sie gesagt, Sie wollen mit der Jungen Linken nicht immer alles theoretisch ausdiskutieren, bevor Sie ins Arbeiten kommen. Hält sich die Linke generell zu sehr mit theoretischen Fachsimpeleien auf?

Ich glaube, woran viele linke Gruppen scheitern, ist, dass es sehr schnell zu einer überzogenen Auseinandersetzung mit sich selbst kommt, anstatt nach außen zu gehen. Theoretische Diskussionen sind auch immer unabgeschlossene Prozesse. Das heißt aber nicht, dass sie nicht auch wichtig sind.

Sie sind ja noch recht jung. Passiert es Ihnen oft, dass Ihre Arbeit und Ihre Ideen als jugendliche Naivität abgetan werden?

Im Konflikt mit der Grünen Partei habe ich gemerkt, dass auf junge Frauen gerne herabgeblickt wird. Wenn du dann auch noch Utopien hast, wird es besonders schwierig für manche. Aber ich kann schon ganz gut dafür sorgen, ernst genommen zu werden. Dass ich politische Ziele formuliere, die viele Veränderungen erfordern, weiß ich auch. Ich habe aber auch die Anhaltspunkte parat, wie der Weg zu diesen Veränderungen angegangen werden kann. Je mehr du sagst, es gibt Beispiele, wo wir hinschauen können und je mehr konkrete Ziele du am Weg zu dieser Utopie steckst, umso ernster wirst du genommen.

Fehlt es in der Politik vielleicht sogar an Utopien? Haben wir verlernt, an eine bessere Welt zu glauben?

Ja. Ich glaube, ganz vielen fehlt die Vision, wie die Gesellschaft eigentlich ausschauen könnte. Natürlich müssen Parteien vor allem in Regierungspositionen immer wieder Kompromisse eingehen, die nicht ihrer eigentlichen Ausrichtung entsprechen. Der Punkt ist aber: Erinnerst du dich später daran, dass es einmal Kompromisse waren? Demokratien leben von Utopien, sonst gibt es überhaupt keinen Spielraum für Auseinandersetzungen.  Um erfolgreich Politik zu machen, ist es also Bedingung und Notwendigkeit, eine Utopie von einer besseren Gesellschaft zu haben.

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