Ich kenne die Ostregion und ihre Herausforderungen hinsichtlich Mobilität und Wirtschaftsentwicklung sehr gut. So ist Wien eine der wenigen Millionenstädte, die keinen Umfahrungsring hat, weshalb der Transitverkehr teilweise durch den 21. und 22. Bezirk gelenkt wird. Ich möchte jedenfalls die polarisierende Diskussion der vergangenen Jahre durchbrechen und mir mithilfe der Experten meines Ministeriums ein klares Bild machen. Es geht mir keineswegs darum, Wirtschaft gegen Klimaneutralität auszuspielen, sondern diese Bereiche gemeinsam zu denken. Vielmehr will ich eine Brücke bauen. Klimaneutralität und Mobilitätswende bleiben ganz klare Ziele, weshalb ich mich auch für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs massiv einsetzen werde.
Aber wie ergebnisoffen ist dieser Prüfungsprozess? Kann am Ende dabei herauskommen, dass der Tunnel nicht gebaut wird?
Ich möchte mir das wirklich ehrlich und neutral anschauen und dann eine Entscheidung treffen. Bei allen Themen, die meine Vorgängerin sicher sehr gut bewältigt hat, hat sie bei diesem Projekt eine Verzögerung herbeigeführt.
Zuletzt ergab die von Gewessler beauftragte Strategische Prüfung Verkehr, dass das Projekt das schlechteste aller Varianten sei. Beeindruckt Sie das nicht?
Es handelt sich um eine von mehreren Aussagen, die vorliegen. Manche werden wohl auch, wie wir wissen, politisch motiviert in eine gewisse Richtung gelenkt worden sein.
Bei den ÖBB sind bis 2029 Investitionen von 21 Milliarden Euro vorgesehen. Ist das angesichts der prekären Budget-Lage überhaupt noch realistisch?
Wir haben schwierige wirtschaftliche Jahre vor uns. Wir wissen, dass wir bei den Investitionen Schwerpunkte setzen müssen. Klar ist aber auch, dass die 21 Milliarden hinsichtlich Wirtschaft und Arbeitsmarkt Effekte von 30 Milliarden Euro auslösen. Deshalb werde ich alles unternehmen, dieses Ziel auch umzusetzen.
Beim Klimaticket haben Sie angekündigt, die gesetzlich vorgesehenen Preisanpassungen auch umzusetzen. Warum ist das notwendig, wo doch etwa Wien seit über einem Jahrzehnt ohne Erhöhung der Kosten für die Jahreskarte auskommt?
Wir bekennen uns zu einer Budgetsanierung und dazu, dass sie von allen mitgetragen werden muss. Ich glaube, wir haben hier eine angemessene, vernünftige Vorgangsweise, die für alle akzeptabel sein wird. Natürlich müssen wir auch Anreize schaffen, das ist mir vollkommen klar. Wir sind momentan in einer Abwägungsphase, wie wir beide Ziele erreichen können.
Aber in Wien ist die Budget-Situation ebenfalls herausfordernd.
In der Großstadt Wien – die einzige mit zwei Millionen Einwohnern – gibt es ein anderes Mobilitätsverhalten, das anders zu beurteilen ist als jenes in den anderen Bundesländern.
Thema Forschung: Sie haben angekündigt, Österreich beim globalen Innovationsindex von derzeit Platz 17 in die Top Ten bringen zu wollen. Wie soll das gelingen?
Wir befinden uns hier im AIT Seibersdorf, das in sehr unterschiedlichen Themen europaweit federführend ist. Etwa im nuklearmedizinischen Bereich, aufbauend auf einer jahrzehntelangen Geschichte. Genau in diesen Bereichen müssen wir unsere Forschungsmittel stärken. Hier geht es vor allem um den Ausbau der Schnittstellen zwischen Forschungseinrichtungen und Industrie.
Gemeinsam mit Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) und Staatssekretär Sepp Schellhorn (Neos) sind Sie für die Erstellung einer Industriestrategie zuständig. Der Fokus soll auf zukunftsträchtige Schlüsseltechnologien liegen. Welche wäre dies?
Hier geht es natürlich um Bereiche wie Life Sciences, KI aber auch um effizientere Produktionszyklen. Entsprechend müssen auch die Förderungen ausgerichtet sein. Es ist wichtig, dass es hier eine gut funktionierende Achse mit dem Wirtschaftsminister gibt. Ich habe in Wien mit der Innovations- und Wirtschaftsstrategie „Wien 2030“ gezeigt, dass man durchaus positive Effekte in relativ kurzer Zeit trotz schwieriger Ausgangslage realisieren kann. In Wien liegen wir mit der Forschungsquote schon über vier Prozent. Deshalb glaube ich, dass uns das auch bundesweit gemeinsam gelingen kann.
Es gab viel Kritik daran, dass die Umwelt- und Klimaschutzagenden vom Infrastrukturministerium weg gewandert sind. Wie sehr beeinträchtigt diese Aufsplitterung Ihre Arbeit?
Das ist für mich kein Thema. Vielmehr geht es darum, dass man in den zuständigen Ministerien das gemeinsame Vertrauen zu den großen Vorhaben findet. Und das ist uns in den ersten Wochen gelungen.
Sie haben bereits anklingen lassen, dass Sie in Vielem nicht mit dem Kurs von Ihrer Vorgängerin Leonore Gewessler übereinstimmen. Gibt es dennoch Bereiche, in denen Sie ihren Weg fortsetzen wollen?
Sie hat mir ein wirklich gut funktionierendes Ministerium übergeben, wo hohe Expertise vorhanden ist. Das sehe ich als einen wirklichen Pluspunkt. Wenn es um den Bereich Bahnverkehr geht, gehe ich sehr gerne einen Teil des Weges weiter, den sie in den vergangenen Jahren beschritten hat. So möchte ich noch mehr Güterverkehr auf die Schiene bringen, um die Straßen-Infrastruktur zu entlasten. Wenn es um das Erreichen wirtschaftlicher Ziele geht, unterscheiden wir uns hingegen klar: Hier geht es nicht um ein Entweder-oder zwischen Wirtschaft und Umwelt. Beides ist möglich.
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