"Parteien müssen sich radikal ändern"

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder
Interview.Wie sich das Hohe Haus und seine Mandatare in den nächsten 15 Jahren entwickeln.

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder im KURIER-Interview über die Zukunft der Demokratie in Österreich.

KURIER: Herr Klubobmann, die Mitgliederzahlen der Parteien sinken seit Jahren stark. Wird es im Jahr 2030 noch Parteien im klassischen Sinn geben – und wie werden sie dann aussehen?

Andreas Schieder: Wenn man fragt, wie Parteien in Zukunft aussehen, dann muss man die Partei in zwei Teile teilen. Der erste: Party in Office, sprich: Abgeordnete, Minister, Administration. Das wird im Wesentlichen so bleiben wie bisher. Der zweite Teil: Party on the Ground. Da werden sich die traditionellen Volksparteien radikal verändern müssen.

Wie wird die Partei der Zukunft aussehen?

Es wird nicht mehr alles in einer Partei passieren. Die Parteien werden Knotenpunkte sein in einem Netzwerk des gesellschaftlichen Lebens. Dafür muss es auch in der Partei weniger um das soziale Zusammenkommen gehen, sondern mehr um die politische Diskussion. Dafür müssen sich Parteien öffnen, beispielsweise gegenüber sozialen Initiativen vor Ort. Das klassische Modell der Vorfeldorganisation ist ein wichtiges Diskursfeld. Aber es wird nicht mehr so sein, dass die Partei bestimmt, was die Vorfeldorganisation denkt. Sondern die Vorfeldorganisation wird ihr eigenständiges Know-how einbringen in die politische Arbeit der Partei. Ein Beispiel: Vor der Bildungsreform haben wir als Klub eine Diskussionsreihe mit Kindern gemacht und sie gefragt, wo und wie sie lernen wollen. Das haben wir mit den Kinderfreunden abgewickelt.

Das heißt, das Sektionslokal wird bald schließen?

Es wird immer Strukturen vor Ort geben. Bürgermeister, Gemeinderäte, Nationalräte, etc. Aber hier müssen wir moderner werden: Neben dem klassischen Sektionslokal gibt es jetzt auch das elektronische Sektionslokal im Internet.

Welcher Typ Politiker wird 2030 gefragt sein?

Jeder, der sich für ein politisches Amt bewirbt, wird sich stärker bewegen müssen in gesellschaftlichen Kreisen und außerhalb der Partei. In Vereinen, bei Town-Hall-Meetings. Die Frage der Person wird in Zukunft eine stärkere Rolle spielen. Für uns als Partei wird es notwendig sein, nicht einen Typus an Personen herauszubilden, sondern unterschiedliche: Wir brauchen den Experten für hochkomplexe Finanzfragen genauso wie den Politiker, der vor Ort glaubwürdig Themen vertreten kann.

Wie ändert sich das Parlament?

Auch das Parlament wird natürlich stärker von solchen auffallenden Persönlichkeiten getragen sein. Da wird man sich daran gewöhnen müssen, dass Politik auch viel mehr von Vorschlägen lebt, die nur zum Anreißen einer Diskussion gemacht werden. Die Frage: Wie sieht das die Partei? wird 2030 nicht immer gleich zu beantworten sein, sondern viel mehr mit einem Diskussionsprozess zu sehen sein. Das wäre auch ein Wunsch bis 2030 für das Regieren: Dass wir in diesem Land zu einer Diskussionskultur finden, die zwischen der Einheit in einer Koalition und dem Streit in einer Koalition den Mittelweg eines vernünftigen Diskurses beschreitet.

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