Im Windschatten des Ex-Ministers: Die Parlamentarier auf Radausflug
Mag schon sein, dass Autofahrer und Radler in der Großstadt nicht die allerbesten Freunde sind. In einem Punkt aber, sagt Lukas Hammer, ticken sie völlig gleich: "Wenn zu wenig Platz da ist, steigen Stress und Aggressivität. Da musst du als Politik gegensteuern."
Der Verkehrssprecher der Grünen steht mit einem Fahrrad am Kreisverkehr Wiener Praterstern und zeigt auf die schmalen Fahrradwege, die von Ampel zu Ampel führen. Kein Platz zum Warten, kein Platz für Fußgänger und Radfahrer. Vor wenigen Augenblicken noch war man drüben in der Praterstraße, wo die Stadt eine Autospur geopfert und einen Weg asphaltiert hat, auf dem vier Fahrräder gemütlich nebeneinander fahren. Doch der "Fahrradschnellweg" endet abrupt am Praterstern . Und ab da wird der Weg über den Platz zum Hasardspiel. "Wir wollten das einfach einmal demonstrieren."
Wir sind mitten drin in der Tour: Hammer ist Vorsitzender des Umweltausschusses und hat mit dem Chef des Verkehrsausschusses – Ex-Verkehrsminister und E-Bike-Fan Alois Stöger – zur ersten parlamentarischen Radausfahrt geladen; es geht vom Parlament hinüber in die Leopoldstadt, hinauf in die Brigittenau und wieder zurück in den Ersten. Und ehe die Strecke in den Blick kommt, lohnt ein Blick aufs Profane, sprich: auf die Adjustierung.
Die Parlamentarier sind ziemlich divers unterwegs. Da gibt es die Unkonventiellen. Hammer ist so einer. Er verwendet das Fahrrad zwar regelmäßig, um ins Büro zu kommen. Heute aber stellt er outfit-technisch keine Ansprüche, im Gegenteil: Trotz sommerlicher Schwüle distanziert er sich optisch vom Sportgerät, trägt Anzughose und weißes Hemd. Und als einziger verzichtet er konsequent auf den Helm – da sag‘ noch einer, die Grünen seien eine moralinsaure Ge- oder Verbotspartei.
Zur Gruppe der sportlichen Komfort-Radler darf man die Sozialdemokraten Alois Stöger und Alois Schroll zählen. Beide haben Jeans bzw. kurze Hose und T-Shirt an (was sie übrigens mit dem grünen Verkehrssprecher Hermann Weratschnig verbindet).
Und schließlich gibt es noch das Team Tempo, das im Wesentlichen aus einer Person besteht: David Stögmüller. Der grüne Verteidigungssprecher sitzt auf einer Rennmaschine mit digitaler Schaltung. Die Beine sind rasiert, Helm wie Haltung verraten: Dieser Mann radelt nicht einfach mal zum Eisgeschäft. Der macht mehr.
So ziehen - oder besser: so fahren - sie, die Parlamentarier; im Schlepptau: Vertreter von Radfirmen und Lobbys, und zwei Journalisten.
Wie jeder gute Ausflug hat auch dieser mehrere Stationen – und jede für sich genommen ist eine politische Ansage. Zumindest eine kleine.
Den Anfang macht der Wiener Ring – und der gleichnamige Radweg, der eine mittlere Katastrophe darstellt. Rad- und Fußweg sind erstens zu schmal und wechseln zweitens andauernd die Spur. Das führt dazu, dass die lustige Radpartie nach gefühlten 500 Metern vor der Börse zum ersten Mal stehen bleibt bzw. bleiben muss: Die Ampelintervalle haben die Truppe zerrissen.
Aber macht nichts: Hier, fast unscheinbar an einem Ampelmast befestigt, findet sich eine verkehrspolitische Ansage: ein grüner Pfeil. Als Radfahrer sollte man den kennen. „Das bedeutet, dass Radfahrer auch bei Rot abbiegen dürfen, wenn sie vorher stehenbleiben", sagt Hammer. Ob man dazu wirklich die Füße am Boden haben musste oder nicht, das sei - leider - noch umstritten unter den Mitarbeitern der Polizei. Sicher ist man nur mit Bodenberührung.
Vom Praterstern geht's weiter zu einem Rad-Fachgeschäft im Nordbahnviertel. Eigentlich hätte hier die Geschichte wiederholt werden sollen, dass der Fahrrad-Handel nicht nur gut für die Gesundheit und fürs Klima, sondern als Milliarden-Geschäft auch ein Wirtschaftsfaktor geworden ist. Der Inhaber spielt allerdings nicht ganz mit und klagt über nachlassendes Kunden-Interesse. "Mieten, Energie, die Menschen haben einfach weniger Geld, um es für Fahrräder auszugeben." Und überhaupt hätten die Hersteller von Fahrrädern gedacht, dass sich der Radler-Boom der Corona-Jahre nun einfach so fortsetzt. Aber immerhin ist die Werkstatt vollends ausgelastet. "Die Kunden kaufen zwar kein neues Rad, aber halten ihr altes instand."
Weiter geht's in die Brigittenau, wo der Arbeitersamariterbund 30 Autos eingespart hat. Wie? Indem er sie durch eine Hand voll Lastenfahrräder ersetzte. "Die sind nicht nur billiger, sondern in der Stadt auch viel schneller, um unser Essen auf Rädern auszuführen", erzählt ein Mitarbeiter. Wie das? "Wir ersparen uns die Parkplatz-Suche und Stau ist auch kein Thema." Abgeordneter Alois Schroll war viele Jahre Bürgermeister in Ybbs und will mit seiner Nachfolgerin gleich über den Umstieg reden. 40 Essensportionen pro Fahrrad würden bedeuten, dass man die Ybbser Innenstadt mit zwei Lastenfahrrädern bespielen kann.
Nach gut zweieinhalb Stunden sind die radelnden Abgeordneten wieder beim Parlament. Und eines fällt dann doch auf: Es war eine Radpartie von Grün und Rot. Zufall? "Der Verkehrssprecher von der ÖVP ist im Urlaub. Das sollte man nicht überbewerten oder als Desinteresse deuten", sagt Ex-Minister Stöger. Und während der Verbleib des Mobilitätssprechers der Neos noch geklärt werden muss, ist die Sache bei Christian Hafenecker, dem Verkehrssprecher der Freiheitlichen, für alle Teilnehmer ziemlich klar. "Der ist Autofahrer. Eindeutig."
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