Othmar Karas: "Die Idee Europa geht über die Partei"

Der ÖVP-Politiker ist als EU-Kommissar im Gespräch – für ihn ist das eine Bestätigung seines "kantigen Einsatzes".

Der Delegationsleiter der ÖVP im Europäischen Parlament, Othmar Karas, verbringt die letzten Urlaubstage in seinem Feriendomizil am Attersee. Dass er EU-Kommissar werden könnte, ist für ihn „ein Gerücht“. Es freut ihn aber, dass er genannt wird.

KURIER: Herr Karas, haben Sie mit dem Bundeskanzler über den Posten gesprochen?

Othmar Karas: Es ist mir nichts zugesagt, es gibt keine Entscheidung, die fällt erst nach der EU-Wahl 2019.

EU-Kommissar wäre doch ein Höhepunkt Ihrer Karriere?

Man freut sich, wenn man für so eine wichtige Funktion genannt wird. Das bestätigt meinen konsequenten und kantigen Einsatz für Europa.

Haben Sie eine Zusage des Bundeskanzlers, ÖVP-Spitzenkandidat für die EU-Wahl zu werden?

Nein. Ich habe weder eine Zusage Kandidat für die Kommission noch für die Wahl zum EU-Parlament zu sein. Ich spreche mit dem Bundeskanzler über die EU-Wahl und über die Spitzenkandidatur. Die ist aber eine Frage des Programms. Für mich sind Parteien Instrumente und nicht Selbstzweck. Ich stelle die Idee Europa über die Parteipolitik.

Othmar Karas: "Die Idee Europa geht über die Partei"

Am Ufer des Attersees im Salzkammergut: EU-Parlamentarier Othmar Karas (ÖVP)  im Gespräch mit KURIER-Redakteurin Margaretha Kopeinig

Aber um Ihr Programm umzusetzen, brauchen Sie ein politisches Mandat – oder?

Das politische Mandat ist verbunden mit einem Programm. Ich lasse mich nicht parteipolitisch instrumentalisieren. Für mich heißt Loyalität nicht, in jeder Frage einer Meinung zu sein. Politische Loyalität ist, einander fair zu begegnen, zu respektieren und Lösungen zu finden.

Sind Sie schwarz oder türkis?

Politik ist kein Spiel und auch keine Farbenlehre, sondern eine Frage der Verantwortung, des politischen Selbstverständnisses. Ich bin ein überzeugter Christdemokrat. Meine Einstellung basiert auf vier Eckpfeilern: Respekt vor der Würde des Menschen, egal woher er kommt, Solidarität als Schutzmechanismus, Subsidiarität als Aufgabenteilung und ökosoziale Marktwirtschaft. Ich unterscheide zwischen der Koalition mit der FPÖ und den Werten der österreichischen Volkspartei. Wenn es um die Zusammenarbeit in Europa geht, lasse ich mich nicht auf eine Partei reduzieren. Ich habe deshalb auch sehr viele Vorzugsstimmen aus allen proeuropäischen Lagern erhalten.

Die FPÖ plant mit anderen Parteien ein rechtes Bündnis. Eine demokratische Gefahr?

Das wird die große Auseinandersetzung bei der Wahl werden. Es wird eine Wahl zwischen der Stärkung der europäischen Demokratie und der Zerstörung Europas, zwischen Weltoffenheit und Nationalismus und zwischen Solidarität und Protektionismus. Es geht um die europäische Souveränität und darum, dass die EU Instrumente bekommt, um rascher zu handeln. Das Prinzip der Einstimmigkeit gehört weg.

In der Flüchtlingsfrage agiert die EU wenig souverän. Das zeigen die Rettungsboote, die nicht anlegen dürfen.

Zur Bewältigung der Flüchtlingsfrage brauchen wir ein umfassendes Maßnahmenpaket. Doch selbst die Sicherung der EU-Außengrenze, die alle befürworten, ist derzeit noch keine Zuständigkeit der EU. Der Außengrenzschutz ist noch immer eine nationale Angelegenheit. Ich hoffe, das beim EU-Gipfel im September herauskommt, dass dieser gemeinsam organisiert wird. Wenn man das will, dann benötigt man eine gemeinsame Asyl- und Einwanderungspolitik. Und eine entschlossene Afrika-Politik.

Also mehr Geld im Kampf gegen Fluchtursachen?

Wir brauchen viel Geld und politischen Willen. Der gemeinsame politische Wille in der EU ist die Voraussetzung.

Sie sind Leiter der EU-Russland-Delegation. Hat die Putin-Einladung zur Hochzeit von Außenministerin Kneissl Österreich geschadet?

Es hat Irritationen und Zweifel bei den anderen europäischen Ländern ausgelöst. Ich hoffe, dass die Außenministerin die Zweifel an der europäischen Solidarität und Vermittlungsfähigkeit Österreichs in der Praxis ausräumt.

Sie haben ein Buch über die Demokratie und die europäische Handlungsfähigkeit publiziert. Wie wollen Sie Europa retten?

Ich bemühe mich um die Zusammenarbeit aller Proeuropäer über Parteigrenzen hinweg. Ich will die liberale Demokratie stärken. Das Gefährliche ist, wenn demokratische Institutionen so ausgehöhlt werden, dass sie ihren Minderheitenschutz und ihre Kompromissfähigkeit verlieren. Daher verteidige ich europäische Institutionen, sie müssen handlungsfähiger werden. Die Alternative darf nicht die Zerstörung der EU sein. Der Nationalismus ist der Tod jeder Gemeinschaft, der Tod jeder Fairness und des Respekts.

 

  • Nachgefragt

Wo waren Sie im Urlaub?
In  Ybbs-Persenbeug und  noch am Attersee.

Welche Bücher lesen Sie da?
Bücher über Europa, Demokratie, Populismus, Nationalismus. Wie etwa: Timothy Snyder: „Über Tyrannei“; Steven Levitsky/Daniel Ziblatt: „Wie Demokratien sterben“; Jan-Werner Müller: "Was ist Populismus?"

Was ist Ihr Lieblingsdrink?
Viel Wasser mit Zitrone  und Hollersaft.

Schreiben Sie SMS oder Postkarten?
Ich rede, telefoniere und schreibe SMS.

 

  • Othmar Karas - Mister Europa

Geboren 1957 in Ybbs a.d.Donau.

Studium Politikwissenschaft Universität Wien (Mag., Dr.); Europäisches und internationales Wirtschaftsrecht Uni St. Gallen (MBL).

Berufliche/politische Karriere Angestellter im Banken- und Versicherungsbereich bis 1995;  Bundesobmann der Jungen ÖVP, ÖVP-Generalsekretär, Mitglied des Parteivorstandes. Seit 1999 EU-Abgeordneter; von 2012-2014 Vizepräsident des EU-Parlaments.

Privat verheiratet mit der Juristin und Künstlerin Christa Karas-Waldheim; Sohn Gabriel Karas.

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