Ort ohne Spital: Mariazell als leuchtendes Beispiel?

Dr. Surböck ist froh über das neue Ärztezentrum
Krankenhäuser werden durch Ärztezentren ersetzt. Praktiker warnen bisweilen vor einem gefährlichen Umbau des Gesundheitssystems. Zu Recht?

Ein Spital? Gibt’s nicht mehr, es wurde längst geschlossen. Eine Ambulanz? Fehlanzeige, auch die sucht man vergeblich. Seit 1. Oktober kann Mariazell mit einem "Gesundheitszentrum" aufwarten. Und laienhafte Beobachter sorgen sich darob – immerhin gilt der Wallfahrtsort in Sachen Gesundheitsreform als Vorbild für die Steiermark, ja vielleicht für andere Bundesländer (der KURIER berichtete).

Ort ohne Spital: Mariazell als leuchtendes Beispiel?
Killmaier
Patrick Killmaier kennt die Ängste. In einem ist sich der Allgemeinmediziner aber sicher: "Die Versorgung der Patienten wird durch das Gesundheitszentrum nicht schlechter, sondern besser."

Stimmt schon, als ärztliche Leiter des Gesundheitszentrums sollte Killmaier nichts anders sagen. Doch der gelernte Notarzt kann seinen Standpunkt argumentieren: "Allein unsere Öffnungszeiten bringen für die Patienten eine Verbesserung. Wir haben Dienstag bis Sonntag durchgehend von 9 bis 19 Uhr geöffnet. Und den einen Schließtag versuchen wir auch noch wegzubekommen."

Akutfälle

Für Berufstätige, die mit den üblichen Beschwerden zum Hausarzt kommen, sind die Öffnungszeiten jedenfalls von Vorteil; zumal das Ärztezentrum à la longue auch Physiotherapie, Ernährungsberatung, ja sogar Psychotherapie anbieten soll.

Was aber bedeutet die System-Umstellung für die akuten, für die lebensbedrohlichen Fälle? Fehlt hier nicht ein Spital im Ort?

Killmaier verneint: "Akute bzw. besonders schwere Fälle haben weiterhin ein doppeltes Sicherheitsnetz." Der Notarzt-Hubschrauber könnte – wie jetzt auch – besonders schwere Fälle innerhalb kürzester Zeit in das geeignete Schwerpunkt-Spital bringen. "Und falls das Wetter Flüge nicht zulässt, gibt es den bewährten Notarzt-Wagen in Mariazell."

Selbst die schärfsten Kritiker unterstellen dem neuen System nicht, es würde Patienten gefährden. Kritik gibt es dennoch. Die Steirische Ärztekammer etwa weist nimmermüde darauf hin, dass derartige Zentren kein Ersatz, sondern nur eine Ergänzung für die bestehende Versorgung sein dürften. Und sie ärgert sich im konkreten Fall, dass die Ärzte vor Ort nicht "besser in die Systemumstellung eingebunden wurden".

Ärzte wie Walter Surböck. Der niedergelassene Arzt betreibt im Ort seine Praxis und ist prinzipiell "sehr froh, dass es das Gesundheitszentrum gibt", wie er dem KURIER erzählt. Dennoch sieht er mittel- und langfristig die freie Arzt- und Therapie-Wahl bei den Hausärzten in Gefahr. Sein Argument: In Ärzte-Zentren weiß der Patient nie, welcher Arzt ihn gerade betreut; und im Unterschied zu den bestehenden Einzel-Ordinationen hätten Hausärzte in Ärzte-Zentren auch einen Leiter, dessen Vorgaben sie jedenfalls erfüllen müssen.

Experten sehen den Mariazeller Versuch trotzdem positiv. "Wenn man bei der Versorgungsstruktur nicht experimentiert, wird es keinen Fortschritt geben", sagt Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer. Idealerweise werde die Umstellung wissenschaftlich begleitet. "Das Problem ist in der Politik ja oft ein anderes, nämlich: Man weiß, dass etwas nicht funktioniert – und ist einfach nicht mutig genug, es wieder bleiben zu lassen."

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