Ohne Wehrdienstreform hat das Bundesheer massive Probleme

Etwa 16.000 Grundwehrdiener rücken pro Jahr ein – für viele ist das Kapitel Landesverteidigung nach sechs Monaten erledigt
Eine Expertenkommission im Verteidigungsministerium prüft die mögliche Reform des Grundwehrdienstes. Fakt ist: Um im Ernstfall zu funktionieren, braucht das Heer eine bereite Miliz.

Während die mediale Debatte über eine (unrealistische) Wehrpflicht für Frauen an Fahrt aufnimmt, prüft eine Expertenkommission im Verteidigungsministerium die mögliche Reform des Grundwehrdienstes an sich – ein Ergebnis soll im Herbst vorliegen. 

Grund dafür ist nicht, ob Grundwehrdiener acht statt sechs Monate am Stück ihren Dienst in Kasernen leisten sollen. Sondern die Frage, wie jenes System zu retten ist, nach dem sich das Bundesheer verfassungsmäßig ausrichten soll: das Milizsystem.

Übungspflicht

Bis 2006 sah es vor, dass ein großer Teil der Wehrdienstleistenden nach sechs Monaten Grundwehrdienst insgesamt für zwei Monate zu verpflichtenden Milizübungen einzurücken hat. Etwa alle zwei Jahre übten diese Soldaten für einige Tage in ihren jeweiligen Funktionen, um im Ernstfall zu wissen, was zu tun ist.

In einem solchen Ernstfall müsste das Bundesheer nach derzeitigem Stand 55.000 Soldatinnen und Soldaten aufbieten. 36.000 davon sind laut Plan Milizsoldaten – doch nur etwa 60 Prozent (21.000) üben regelmäßig, haben sich freiwillig gemeldet. 14.000 sind „befristet beordert“, werden also bis zu ihrer Einberufung nichts mit dem Bundesheer zu tun gehabt haben. Und so würde es mehrere Wochen dauern, ehe sie im Ernstfall einsatzfähig wären.

Dazu kommt, dass das Bundesheer im Zuge des „Aufbauplans 2032+“ massiv investiert, um den Investitionsstau der vergangenen Jahrzehnte aufzuholen.

Das neue Gerät sowie die neuen Waffen müssen ebenso bedient werden können – im Ernstfall hieße das für einberufene Milizsoldaten, dass sie de facto von null beginnen.

Mangel an Führungskräften

Seit 2006 setzt das Bundesheer also auf die Freiwilligkeit der Milizsoldaten, sich für Waffenübungen zu verpflichten. Das Soll von 36.000 wird auch durch stärkere finanzielle Anreize durch Freiwilligkeit allein nicht erreicht werden können. Und parallel dazu finden im Verteidigungsministerium Gespräche darüber statt, die Zahl von 55.000 Soldaten zu erhöhen.

Eine weitere Herausforderung: die Kommandanten. Laut aktuellem Bericht der parlamentarischen Bundesheerkommission kann derzeit der jährliche Gesamtbedarf an Milizoffizieren nur zu 58 Prozent abgedeckt werden. Jener an Milizunteroffizieren nur zu 37 Prozent. Im Idealfall würden genau diese das Gros der Milizsoldaten ausbilden und führen – doch davon ist man weit entfernt: Pro Jahr würde das Bundesheer etwa 150 Milizoffiziere und 570 Milizunteroffiziere zusätzlich benötigen.

Baustellen

Grundsätzlich hat sich für Milizsoldaten in den vergangenen Jahren einiges verbessert: Bessere Ausrüstung, mehr Budget, verbesserte Mobilität, um nur einige zu nennen. Dennoch bleiben auch hier Baustellen, wie etwa die Betreuung von Milizsoldaten durch Sachbearbeiter, wie der Bericht der Kommission ausführt.

Doch auch das modernste Gerät hilft wenig, wenn es an Soldatinnen und Soldaten fehlt, die es bedienen können. Bis auf die FPÖ sind alle Parteien gegen eine Wiedereinführung der verpflichtenden Milizübungen – aus unterschiedlichen Gründen. Ob die Kommission daran etwas ändert, wird sich weisen.

Kommentare