Ohne FPÖ will Heinz Faßmann bleiben

Bildungsminister Heinz Faßmann
Der Bildungsminister nennt Strache-Video "schockierend, enttäuschend und alarmierend". Warum er nicht in jeder Regierung gerne weitermachen würde.

Vergangenen Freitag, um 18 Uhr, ist das Ibiza-Video publik geworden. Wie haben Sie den Abend erlebt?

Heinz Faßmann: Meine Pressesprecherin hat mich auf die Geschichte aufmerksam gemacht. Das hat mir den Abend vergällt. Was zu sehen war, war für mich schockierend, enttäuschend und alarmierend. Alleine das Setting, in das sich Spitzenpolitiker begeben haben, rauchend, trinkend, undiszipliniert über essentielle Dinge eines politischen Systems zu sprechen, hat mich sehr aufgewühlt. Für mich war Dreierlei wesentlich: die Vorstellung, man lässt eine Zeitung kaufen, tauscht Journalisten aus und bringt damit ein wichtiges Medium auf seine Seite. Das ist ein klarer Widerspruch zu unserem Prinzip der Gewaltenteilung, wo Medien unabhängig von der Politik funktionieren müssen. Das ist essentiell für das Funktionieren einer liberalen Demokratie. Das Zweite, das mich entrüstet hat, ist die Vorstellung, dass man wie ein Gutsherr durch den Staat schreitet und Aufträge verteilt, nach Gutdünken, nach persönlicher und politischer Sympathie. Drittens die Anleitung, wie man der Partei Gelder, unentdeckt und vorbei am Rechnungshof und vom Gesetz, zuführen möchte. Das sind drei gewichte Dinge, die hier locker ausgesprochen werden. Und zu allen dreien muss ich sagen: Das geht nicht, das ist eine ernsthafte Gefahr für unsere liberale Demokratie.

War Ihnen ob des Gesehenen und Gehörten klar, dass diese Regierung am Ende ist?

Ja. Da war ein Schnitt notwendig. Die Inhalte des Videos waren es, aber besonders auch die Bilder. Die sind ja einprägsamer als der reine Text. Diese Bilder kriegt man nicht mehr weg. Da muss ein entschiedener Neuanfang demonstriert werden.

War es im Nachhinein ein Fehler, Minister in dieser ÖVP-FPÖ-Regierung zu werden?

Im Rückblick schauen die Dinge immer anders aus. Aber nein, Fehler war es nicht. Ich habe in den eineinhalb Jahren viele Dinge weitergebracht. Ethikunterricht etwa, das ist von unserer Seite auf Schiene. Da gibt es Konsens. Auch beim Masterplan Digitalisierung. Unsere Plan ist, jene Dinge, für die es einen Ministerratsvortrag gibt, der Gesetzwerdung zuzuführen. Den Ethikunterricht und den Ausbau der Ganztagsschule. Das ist nötig, weil da eine Bund-Länder-Vereinbarung ausläuft. Die Regierung kann nicht sechs Monate, also so lange, bis nach der Wahl eine neue Regierung steht, stillstehen und nichts tun.

Fürchten Sie, dass die Blauen im Parlament ob des Endes der Koalition all das nicht mitbeschließt?

Der Soziologe Max Weber sagte: Es gibt so etwas wie eine Verantwortungsethik, das heißt: Über den Augenblick hinausdenken und die Folgen einer Maßnahme berücksichtigen. Diese Verantwortungsethik mahne ich ein, auch bei den politischen Parteien, die vielleicht nur an das Heute denken. Weil es darum geht, das Morgen zu gestalten.

Sie wollten nur eine Legislaturperiode bleiben, die war unerwartet kurz. Wollen Sie weitermachen in einer neuen Regierung nach der Wahl?

Ich habe einiges angefangen und angestoßen. Die Dinge sind aber noch nicht fertig. Ich würde manches gerne zu Ende bringen. Ob ich wieder Minister werde, hängt von vielem ab, auch vom Gesamtpaket für Bildung, Forschung und Wissenschaft. Ich verstehe mich da als ehrlicher Makler. Es gibt also eine Motivation, etwas zu einem Ende zu bringen.

Auch in einer neuerlichen ÖVP-FPÖ-Regierung? Und mit dem nun als Minister entlassenen Herbert Kickl?

Ich kann mir Kickl als Minister nicht mehr vorstellen. Ich glaube, diese Variante kann man ausschließen. Das ist Geschichte.

Wären sie auch in einer ÖVP-SPÖ-Koalition mit von der Partie?

Wenn das Paket für meine Agenden passt, ja.

Wenn nicht, was machen Sie dann? Zurück zur Uni? 

Zurück an die Universität. Das ist ja eine attraktive Rückkehrmöglichkeit.

Die FPÖ hat sich bisher vor allem als Opfer einer Verschwörung präsentiert. Wie sehen Sie dieses Verhalten?

Man muss klären, wer was in Auftrag geben hat, die Mechanismen im Hintergrund. Das kann aber sicher nicht Entschuldigung sein für das, was da gesagt worden ist. Das eine verdrängt nicht das andere. Die Opferthese ist für mich zu kurz gegriffen. Auch die Diktion "b'soffene Geschichte". Was wir gesehen und gehört haben, wurde wirklich gesagt. Und: Ein Spitzenpolitiker muss Grenzen einhalten, auch beim Feiern und Trinken.

Was wäre zu sehen gewesen, hätte man Ihnen so eine Falle gestellt. Wäre das ein langweiliges Video geworden?

Ein kurzes Video. Ich wäre rasch gegangen. Da bin ich eine Spaßbremse. Ich hätte nicht einmal die Finca als Treffpunkt als angemessen gefunden.

Es gibt am Montag einen Misstrauensantrag gegen den Kanzler. Die SPÖ beklagt, Sebastian Kurz habe sie nie eingebunden - und jetzt solle sie ihm den Kanzlersessel retten. Verstehen Sie die Kritik?

Kurz und Bundespräsident Van der Bellen haben sich innerhalb kurzer Zeit bemüht, Wege aus der Krise zu finden. Ich verstehe nicht ganz, warum Kurz jetzt so stark kritisiert wird. Es ist gelungen, eine neue Regierung auf die Beine zu stellen, um den ersten Schritt zur Wiedererlangung des Vertrauens der Bevölkerung zu machen. Ich bestehe auf der Verantwortungsethik aller Parteien.

Der Vorhalt lautet: Kurz habe die FPÖ im Wissen um deren Verfasstheit in die Regierung geholt - und stelle sich nun als Retter der Nation dar.

Welche Videos von welchen Politikern irgendwann auftauchen, ist nicht vorhersehbar. Diese Form der Delegation von Entscheidungsverantwortung kann ich nicht nachvollziehen. Außerdem gibt es eine Lernfähigkeit von Politikern. Wem Gott gibt ein Amt, dem gibt er auch Verstand, heißt es. Dass das nicht der Fall war, merkt man erst im Nachhinein.

Die FPÖ hat vor dem Video vieles geliefert: „Einzelfälle“ Sonderzahl, das Rattengedicht etc. Hätte Kurz nicht viel früher die Reißleine ziehen müssen?

Es gab sehr viele Einzelfälle. Bei manchen habe auch ich mich zu Wort gemeldet. Und dann gab es diesen entscheidenden Einzelfall. Da wurden die Konsequenzen gezogen. Das Rattengedicht habe ich gelesen, das war unterirdisch. Das war aber ein Vizebürgermeister einer Kleinstadt. Also es war schlimm, und irgendwann war das Glas voll, jetzt ist es übergeschwappt.

Gibt es Dinge, die Sie nicht wollten, auf Wunsch der FPÖ und des nötigen Kompromisses wegen als Minister aber umgesetzt haben?

Eigentlich nicht. Bei der Notengebung in der Volksschule haben wir einen vernünftigen Kompromiss gefunden.

Sollte Kickls Nachfolger im Innenministerium die Verordnung zurücknehmen, mit der der Stundenlohn für Asylwerber für gemeinnützige Tätigkeiten auf 1,50 Euro reduziert wird?

Das ist Sache des Nachfolgers. Manches, was Kickl gemacht hat, war zynisch, symbolisch und wenig rational.

Was erwarten Sie sich in der Zusammenarbeit mit den neuen Ministern, die alle politisch unerfahren sind?

Die neuen Minister sind vielleicht neu, aber an Lebensjahren erfahren. Kurz hat bei uns im Haus ja die Gespräche mit ihnen geführt. Ich war Gastgeber, aber nicht dabei. Es wird gutgehen. Alle haben fachlichen Hintergrund - und keine parteipolitische Punzierung.

Sollte Kurz das Missstrauen ausgesprochen werden, Misstrauensantrag, gehen sie dann auch?

Diese Brücke überquere ich erst, wenn ich sie erreiche. Ich glaube aber nicht daran, dass er gehen muss. Parteien müssen ja auch vor den Wähler treten und zeigen, dass sie staatstragend sind.

Oppositionelle werfen Kurz vor, nach dem Bruch der Koalition keine Kanzler-, sondern eine Wahlkampfrede gehalten zu haben. Und quasi als Alleinregent hätte er nun noch mehr Bühne für Parteipropaganda.

Es könnte auch umgekehrt sein. Die Regierung kann ja auch scheitern, und dann bleibt ein Makel über. Derzeit ist es übertrieben anzunehmen, Kurz kann nur als Strahlemann aussteigen. Er hat eine schwere Aufgabe zu erfüllen. Kurz hätte es sich auch einfacher machen können.

Inwiefern?

Einfacher wäre gewesen, irgendeine Form des modus vivendi mit der FPÖ zu finden - und weiter zu wurschteln. Kurz hat aber ein klares Signal des Neuanfangs gesetzt.

Wie geht es in ihrem Ministerium jetzt weiter?

Das Schulsystem funktioniert weiter, niemand muss sich Sorgen machen. Wir arbeiten ganz normal weiter, bei der Verbesserung der Matura, den Lehrplänen, bei der Digitalisierung. Die Mathematik-Matura haben wir verbessert, jetzt machen wir das auch bei der Deutsch-Matura. Oder die Gewalt an Schulen, das bleibt ein Thema und ich möchte den 9-Punkte Plan realisieren. Und der Schulentwicklungsplan, der für die kommenden zehn Jahre die Neubauten und Sanierungen festlegt und ein Volumen von 2 Milliarden Euro bewegt. Das sind Dinge, die wir weiterführen, da steht auch das Budget bereit.

Müssen Sie nicht nun auch einen Schritt auf alle Parteien zugehen? Das war ja bisher nicht nötig.

Ja. Das werde ich sicherlich machen und diskutieren und den Schritt auf alle zugehen. Das sind ja Agenden, wo es einen breiten Konsens geben kann.

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