Das Problem: Selbst für nur einen U-Ausschuss reicht die Zeit kaum. Bei normalem Fristenlauf starten die Befragungen Ende März oder im April. Drei Monate vor der Nationalratswahl – sie könnte am 29. September 2024 stattfinden – muss der Abschlussbericht vorliegen. Damit sich das ausgeht, sind Befragungen bis Anfang Juni möglich. Somit fällt der zwei- bis dreimonatige Befragungszeitraum in den Intensivwahlkampf zur EU-Wahl, die von 6. bis 9. Juni angesetzt ist.
Milliardäre unter der Lupe
Was soll wichtiger sein als die Europawahl? Zuerst zum rot-blauen Verlangen, das Kai Jan Krainer (SPÖ) und Christian Hafenecker (FPÖ) Freitagvormittag präsentierten. Sie wollen im „COFAG-Untersuchungsausschuss“ unter anderem ergründen, inwiefern ÖVP-nahe Milliardäre von Corona-Hilfen profitiert haben könnten. Im Fokus: die Unternehmer Siegfried Wolf und René Benko.
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Es gehe um Superreiche, nicht um kleine Betriebe, betont Krainer: „Wir werden uns nicht anschauen, was irgendein Friseur ums Eck oder ein Buchladen für Hilfen bekommen hat.“
Aus Sicht der SPÖ eine Gratwanderung: Während sie eine Koalition mit der FPÖ ausschließt, ist Herbert Kickls Partei nun ihr einziger Verbündeter für den – nach Ibiza- und ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss – dritten U-Ausschuss infolge, der die ÖVP thematisiert. Die SPÖ soll sich in den vergangenen Wochen stark darum bemüht haben, die Neos an Bord zu holen, um den Eindruck des rot-blauen Bündnisses abzuschwächen.
Die Neos lehnten ab: „Es braucht keinen Dauerwahlkampf in mehreren U-Ausschüssen“, meint ihr stellvertretender Klubchef Nikolaus Scherak. Thematisch glauben die Neos an keinen großen Erkenntnisgewinn, sprechen teils von einem „Eat the Rich“-U-Ausschuss.
Hangers Konter
Eine Viertelstunde nach Krainer und Hafenecker tritt ÖVP-Mandatar Andreas Hanger vor die Medien. „Haben Sie mich schon vermisst?“, fragt er lächelnd. Bereits Anfang Oktober sickerte durch, dass die ÖVP alleine einen U-Ausschuss einsetzen will. Ein eMail landete irrtümlich bei den Neos und sorgte für schlechtes Koalitionsklima. Der Grund: Neben SPÖ und FPÖ wollten die Türkisen auch die Regierungsbeteiligung der Grünen untersuchen.
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Im neuen Verlangen fehlen die Grünen, „weil uns die Zusammenarbeit in der Koalition sehr wichtig ist“, sagt Hanger. Das sportliche Vorhaben der ÖVP: Sie will untersuchen, ob rote oder blaue Ministerien zwischen 2007 und 2020 Steuergeld „sachfremd“ verwendet haben. Man habe umfangreiche Indizien, spricht Hanger von einem „rot-blauen Sumpf“. Zudem will die ÖVP vice versa durchleuchten, ob SPÖ- oder FPÖ-nahe Personen oder Firmen durch die COFAG bevorzugt worden. Es könne nicht immer nur um die ÖVP gehen, sagt Hanger: „Ja, wir machen diesen Untersuchungsausschuss, weil wir uns zur Wehr setzen.“
Die Verlangen für beide U-Ausschüsse wurden am Freitag eingebracht. Trotz etlicher Rücktrittsaufforderungen wird ihnen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) vorsitzen. Er geriet zu Wochenbeginn wegen eines heimlich aufgenommenen Ton-Mitschnittes in Bedrängnis. Der mittlerweile verstorbene Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek hatte Sobotka in kleiner, privater Runde Interventionsversuche vorgeworfen. Sobotka weist das zurück. Für einen eigenen Sobotka-U-Ausschuss – wie von den Grünen vorgeschlagen – gab es keine Mehrheit.
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