ÖVP-LH Wallner: "Wir sind im Schneckentempo unterwegs"

Finanzminister Hans Jörg Schelling im Parlament: Den schönen Worten müssen nun Taten folgen.
Kann die Regierung Schellings Reformversprechen einlösen? Zweifel in eigenen Reihen.

Viel stärker als konkrete Vorhaben oder genaue Zahlen ist von Hans Jörg Schellings erster Budgetrede der allgemeine Tenor hängen geblieben: Der nachgerade flehentliche Appell, doch bitte "die Zeichen der Zeit" zu erkennen, den Bürgern "reinen Wein einzuschenken" und sie endlich anzugehen, die vielen, vielen Reformen.

Klingt gut, hat aber einen gravierenden Haken: Denn Schellings Weckruf richtet sich an die eigene Regierung – und die ist bekanntlich nicht erst seit gestern im Amt.

Und so drängt sich – ohne Schellings persönlichen Reformwillen in Zweifel zu ziehen – die Frage auf: Wie ernst kann man sie nehmen, die aktuelle Jetzt-aber-dann-bald-wirklich-Ankündigung, dass der Reformstau bald ein Ende hat?

Verlorene Tage

Neos-Parteichef Mathias Strolz nimmt in seiner Budget-Kritik Anleihe in der Bibel: "An den Taten werden ihr sie erkennen – und das ist das Problem der Regierung." Strolz’ Konter auf Schellings Warnung, jeder Tag ohne Reform sei ein verlorener Tag: "Mit diesem Budget werden auch die nächsten 365 Tage verlorene sein."

Grünen-Chefin Eva Glawischnig kritisierte, Schellings Budgetrede sei voll gewesen "mit sehr vielen Ankündigungen, die wir schon so oft gehört haben".

Und auch in den eigenen Reihen fehlt so manchem der Glaube, dass den Ankündigungen diesmal tatsächlich Reformen folgen werden. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) etwa mahnt, die Regierung müsse die nächsten drei, bis auf die Hofburg-Wahl wahlfreien Jahre nutzen, um "endlich vom Kriechgang in den Laufschritt zu schalten".

Die Regierung, sagt Wallner, müsse ihren Worten nun Taten folgen lassen und "aufs Tempo steigen", etwa bei der Angleichung des Frauenpensionsalters: "Im Vergleich zu Deutschland sind wir im Schneckentempo unterwegs."

"Schöne Worte retten keinen Arbeitsplatz", sagt auch die Bundesvorsitzende der Jungen Industrie, Therese Niss. "Schöne Worte haben wir schon zu viele und zu oft gehört." Es sei aber "prinzipiell erfreulich", dass die Regierung erkannt habe, dass man sich "nicht mehr wie bisher durchwursteln" könne.

Die Senkung der Lohnsteuer wird nur kurz währen, 2018 rechnet das Finanzministerium bereits wieder mit dem gleichen Lohnsteueraufkommen wie heuer, dem Jahr vor der Lohnsteuersenkung. Das geht aus den Budgetunterlagen hervor.

Heuer will der Fiskus 27 Milliarden aus der Lohnsteuer einnehmen. 2016, dem ersten Jahr der Steuersenkung, sind nur 24,8 Milliarden Einnahmen aus diesem titel geplant. 2018 sollen es wieder 27,4 Milliarden sein.

Ein Grund für das rasche Wiederanwachsen des Lohnsteueraufkommens ist, dass die Steuerzahler mit jeder Lohnerhöhung einen Schritt in Richtung nächste Steuerstufe machen („Progression“). Finanzminister Hans Jörg Schelling hat kürzlich angekündigt, die kalte Progression gänzlich abzuschaffen. In seiner Budgetrede im Parlament hat er dieses vorhaben jedoch mit einer verfassungsrechtlich verankerten Gebührenbremse für Länder und Gemeinden verknüpft. Es habe wenig Sinn, eine Steuerbremse einzuführen, wenn den Bürgern das Geld dann anderswo weggenommen werde.

Dagegen gibt es prompt einen Aufstand in der ÖVP. Gemeindebund-Präsident Mödlhammer spricht von einer „Entmündigung“ der Gemeinden. Auch aus den Ländern kommt Protest, man wolle sich vom Bund keine Vorschriften machen lassen.

In Wien ist eine Regelung, wie sie Schelling fordert, übrigens längst Gesetz: Dort gibt es einen Gebührenerhöhungsautomatismus im Ausmaß der Teuerung.
Irritiert zeigt sich die SPÖ, dass Schelling sein Versprechen, die kalte Progression abzuschaffen, nun mit eiern Gebührenbremse verquickt. Sie fürchtet, dass das Vorhaben damit gestorben ist. Die SPÖ und die Gewerkschaft wollen mit Schelling über Modelle für die Steuerbremse verhandeln. Einführungszeitpunkt: 2018, wenn der Effekt der Steuerreform verpufft ist.

Es war das alte Spiel: Die Oppositionsparteien zerpflückten das Budget, die Regierungsparteien verteidigten es. Nur, dass der Opposition in ihrer Attacke der Rechtsaußen fehlte: FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache erschien erst mit Verspätung zur Budget-Debatte. An seiner statt ergriff Roman Haider das Wort – als einziger „normaler“ Mandatar in einem Reigen der Klubobleute. Aufmerksamen Beobachtern im Hohen Haus war freilich nicht entgangen, dass Strache schon am Mittwoch bei der Budgetrede von Finanzminister Hans Jörg Schelling eine gute halbe Stunde zu spät gekommen war.

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