ÖVP-Klubchef: "Entweder Massentestungen oder Lockdown“
KURIER: Was ist derzeit das Schwierigste aus beiden Welten in der Koalition?
August Wöginger: Wir haben viel aus dem Besten aus beiden Welten umgesetzt: Wir haben die Menschen entlastet, die Wirtschaft unterstützt, und die Regierung hat gezeigt, dass sie in der Lage ist, gut zusammenzuarbeiten. Wer durch solche Krisen gemeinsam gut durchkommt, der wird auch alles andere gut überstehen.
Kommen wir gut durch die Krise?
Ja, obwohl uns die zweite Welle viel härter getroffen hat als die erste. Der zweite Lockdown war leider alternativlos. Jetzt geht es darum, durch die Massentests die Infektionszahlen in den Griff zu bekommen.
Die Massentests werden nicht so angenommen, wie seitens der Regierung erhofft. Müssen die Tests verpflichtend oder mit Gutscheinen versehen werden?
Ich möchte die Zahlen nicht kleinreden. Wir müssen die Lehrerinnen und Lehrer, das Spitalpersonal und die Exekutive dazu zählen – also eine halbe Million Menschen wurde bereits getestet. Es ist die einzige Chance, die wir haben, um das exponentielle Wachstum zu verhindern. Ich kann nur an alle appellieren, die Möglichkeit wahrzunehmen.
Viele lassen sich vielleicht nicht testen, weil sie Weihnachten jedenfalls mit der Familie verbringen wollen. Glauben Sie, dass die Massentests, wenn die Feiertage vorbei sind, besser angenommen werden?
Man muss es klar aussprechen: Entweder Massentestungen oder Lockdown. Es gibt dazwischen nicht viel. Man muss zudem nicht studiert haben, um zu verstehen, dass die Zusammenkunft in größeren Gruppen das Infektionsrisiko erhöht. Deshalb appelliere ich einmal mehr an die Eigenverantwortung, auch, weil wir besonders die Älteren schützen müssen.
Apropos Ältere. Der Anteil der 90-Jährigen wird von 2017 bis 2030 um ein Drittel steigen. Wie weit ist die Pflegereform gediehen?
Wir sind mittendrin. Wir wollen „daheim vor stationär“ ermöglichen, mehr Pflegepersonal ausbilden und deregulieren und entbürokratisieren. Es muss mehr Zeit für die zu Pflegenden bleiben. Deshalb wollen wir die Doppelgleisigkeiten im System abschaffen und die Finanzierungsströme bündeln.
Konkret heißt das was?
Eine Bund-Länder-Zielsteuerungskommission, wie wir sie auch im Gesundheitssystem haben, soll auch für den Pflegebereich kommen. Es geht darum, die Leistungen zusammenzuführen – so könnte beispielsweise Geld für Pflegegeldstufe und die 24-Stunden-Pflege gleich gemeinsam ausbezahlt werden.
Österreich braucht bis 2030 bis zu 100.000 zusätzliche Pflegekräfte. Woher sollen diese kommen?
Es gibt nicht eine Maßnahme, sondern viele. Die Pflegelehre ist eine Maßnahme. In der Schweiz beispielsweise gibt es die Ausbildung zum Fachmann/Fachfrau Gesundheit, die Praxis und Theorie gut verbindet, und bei jungen Menschen zum zweitbeliebtesten Lehrberuf nach dem Kaufmann geworden ist. Unsere Pflegelehre soll mit einem altersspezifischen Curriculum versehen sein. Das heißt, es wird ganz genau festgelegt, ab wann man wo eingesetzt werden kann. Konkret: Ein 15-Jähriger in Ausbildung wird nicht an einem Hospizbett stehen.
Ohne ausländische Fachkräfte werden wir in Österreich nicht das Auslangen finden.
Wir haben bereits im Bereich der 24-Stunden-Hilfe viele Fachkräfte aus dem Ausland. Wenn wir so viele Menschen im Inland haben, die arbeitslos sind, und bei den Jüngeren der Stellenwert von Sozialberufen immer mehr steigt, dann müssen wir auch in Österreich ansetzen und nicht nur im Ausland.
Knapp 500.000 Menschen sind derzeit arbeitslos, ein Gros wird angesichts der Konjunkturaussichten nicht schnell einen Job finden. Die SPÖ plädiert dafür, die Nettoersatzrate auf 70 Prozent (Lohn/Gehalt brutto pro Monat) zu erhöhen. Bleiben Sie bei Ihrem strikten Nein und der Beibehaltung der 55 Prozent?
Wir haben zwei Mal eine Einmalzahlung für Arbeitslose ermöglicht, zusätzlich wurde der Familienhärtefallfonds eingerichtet und aufgestockt und der Kinderbonus über 360 Euro pro Monat umgesetzt. Unser Ziel muss es sein, die Kaufkraft zu erhalten und die Menschen aus der Arbeitslosigkeit herauszubringen. Es gibt auch jetzt viele Unternehmer, die Mitarbeiter suchen und keine finden.
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