ÖVP-FPÖ: Streit um blaue oder schwarze Wirecard-Netzwerke
Die ÖVP sei offenbar sehr nervös, wenn sie nur eine halbe Stunde nach seiner Pressekonferenz zu einer eigenen einlade, meinte Christian Hafenecker, FPÖ-Nationalratsabgeordneter und Fraktionsführer der Partei im Ibiza-U-Ausschuss.
Hafeneckers Thema an diesem Montagvormittag: jahrelange intensive Beziehungen zwischen der ÖVP und dem zuletzt für Schlagzeilen sorgenden Finanzdienstleistern Wirecard. Um davon abzulenken, werfe die ÖVP "Nebelgranaten", mit denen eine Wirecard-FP-Achse unterstellt werden sollte. Die laut Hafenecker natürlich nicht existiert.
Wirecard: ÖVP und FPÖ liefern sich einen Schlagabtausch um mögliche Verbindungen
"Schwarzer Faden"
Zu diesem "schwarzen Faden" gehört aus FP-Sicht zunächst Ex-Wirecard-Chef Markus Braun. Dieser war Mitglied der Strategiestabstelle "Think Austria" im Bundeskanzleramt zur Zeit der Regierung Kurz I (ÖVP-FPÖ). Der von der Unternehmensberaterin Antonella Mei-Pochtler geleitete Thinktank wurde auch unter der Regierung Kurz II (ÖVP-Grüne) weitergeführt - laut Hafenecker habe sich Braun erst Ende Juni aus dem Gremium ("eines der intransparentesten der Republik"; Hafenecker) zurückgezogen. Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz habe bis zuletzt den Kontakt zu Braun aufrechterhalten. Laut Bundeskanzleramt war Braun allerdings seit Antritt der jetzigen Regierung nicht mehr in der Stabstelle tätig. Nach Bekanntwerden der Ermittlungen gegen Braun wegen Bilanzfälschung distanzierte sich Kurz jedenfalls öffentlich von Braun.
Braun hat auch an die ÖVP gespendet, "gestückelt wie (die Mäzenin und Kunstsammlerin; Anm.) Heidi Horten", wie Hafenecker anmerkte - gemeint also quasi am Rechnungshof vorbei. Diese Parteispenden hätten Sebastian Kurz entscheidend dabei geholfen, 2017 die Macht in der ÖVP zu übernehmen.
Zum "schwarzen Faden" zählte Hafenecker auch Wirecard-Vorstand Susanne Steidl oder Stefan Klestil, Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten, der im Aufsichtsrat von Wirecard saß.
Vor allem aber Jan Marsalek, das untergetauchte Ex-Vorstandsmitglied. Von einem "spektakulären Doppelleben" sprach hier Hafenecker. Von Marsalek sollen an den damaligen FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus heikle Informationen aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) gegangen sein. Gudenus habe die Nachrichten jedoch nicht weitergeleitet. Als Mittelsmann habe ein gewisser Florian Stermann fungiert - der wiederum mit dem früheren Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) eine gemeinsame Firma gehabt habe.
Stermann ist auch Generalsekretär der "Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft", wo laut Hafenecker zwei ehemalige VP-Kabinettschefs aus dem Innenministerium säßen. Mithilfe von Kontakten über diese Gesellschaft soll Marsalek 2018 auch versucht haben, mit finanzieller Unterstützung des österreichischen Verteidigungsministeriums ein angebliches Wiederaufbauprojekt für das Bürgerkriegsland Libyen zu starten.
Letzteres hat das Verteidigungsministerium bestätigt. Es habe eine Anfrage eines "deutschen Expertenteams" bezüglich eines Wiederaufbauprojekts an das Ministerium gegeben, erklärte ein Sprecher. Die Gespräche haben demnach bereits 2017, also noch unter Minister Hans Peter Doskozil (SPÖ), begonnen und sich bis 2018, in die Amtszeit von Mario Kunasek (FPÖ), gezogen. Sie mündeten in eine "Absichtserklärung" des Ministeriums, sich zu beteiligen. Unklar blieb am vorerst, ob es auch eine finanzielle Unterstützungszusage gab: Laut Financial Times wurden 120.000 Euro zugesagt, das Ministerium bestätigte das nicht.
Umgesetzt wurde das Projekt nicht: "Weiteres Interesse des deutschen Expertenteams hat es nicht gegeben und es hat auch keinerlei finanzielle Zuwendungen gegeben."
Das Wiederaufbauprojekt soll indes lediglich als Vorwand für die von Marsalek geplante Errichtung einer Miliz zur Überwachung der libyschen Südgrenze und Abwehr der Migration gedient haben.
Hafenecker kündigte eine Sachverhaltsdarstellung wegen Amtsmissbrauchs, Bestechlichkeit und Verletzung des Amtsgeheimnisses an die WKStA an und will überdies Braun vor den Ibiza-U-Ausschuss laden. Dort könne dieser unter Wahrheitspflicht aussagen.
Braun "kein ÖVP-Mann"
Die ÖVP wies kurz darauf die Vorwürfe der FPÖ zurück. Vizegeneralsekretärin Gaby Schwarz sprach indes von freiheitlichen Verstrickungen und will das auch im Nationalen Sicherheitsrat besprechen. Auch eine besondere ÖVP-Nähe des früheren Wirecard-Chefs Markus Braun bestritt Schwarz. Dieser sei "kein ÖVP-Mann", sondern habe "sich auch mit vielen anderen Menschen vernetzt". Tatsächlich hat Braun auch den Neos zwischen 2014 und 2016 125.000 Euro gespendet; zudem sei er auch bei Veranstaltungen der Gattin des früheren SPÖ-Chefs und Kanzlers Christian Kern aufgetreten.
Welche Verbindungen Brauns Kollege im Wirecard-Vorstand, Jan Marsalek, in der Zeit der türkis-blauen Regierung zu FPÖ-geführten Ministerien hatte, will Schwarz im "Nationalen Sicherheitsrat" besprechen. Die ÖVP hat diesen einberufen - er muss nun binnen zwei Wochen tagen. Ob Marsalek auch in den Ibiza-Untersuchungsausschuss geladen werden könnte, ließ Schwarz offen.
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