Die Türkisen sind bereit, das bis dato von ihnen – wie von den Blauen – beanspruchte Finanzministerium der FPÖ zu überlassen. Nicht aufgeben will Stocker hingegen den Anspruch auf das nicht minder prestigeträchtige Innenressort, das die FPÖ ebenfalls übernehmen will und das derzeit von Gerhard Karner (ÖVP) geführt wird.
Auf das Innenministerium zu verzichten, hätte die ÖVP in erhebliche Erklärungsnot gebracht. Hatten doch die Türkisen bis zuletzt gebetsmühlenartig erklärt, warum das Ressort keinesfalls in die Hände der Blauen fallen dürfe. Es geht allem voran um die Kontrolle der Geheimdienste, die man nicht einer Partei überlassen will, die in den Augen der Türkisen eine allzu große Nähe zu Russland hat.
Kickl müsste ablehnen
Noch ist freilich völlig offen, wie die FPÖ auf das ÖVP-Angebot reagiert. Will Kickl nicht wortbrüchig werden, müsste er es eigentlich ablehnen. Denn entgegen allen Gepflogenheiten bei Regierungsverhandlungen hatte er noch zwei Tage zuvor via Facebook in aller Öffentlichkeit bekräftigt, das Finanz- und das Innenministerium zu beanspruchen.
Doch auch aus rein sachpolitischen Überlegungen heraus ist es nur schwer vorstellbar, dass die FPÖ auf das Ressort verzichtet.
Inneres als „blaue DNA“
Liegen hier doch auch die Agenden für Migration und Asyl, welche seit Jahrzehnten die Kernthemen für die FPÖ bilden und für ihre Wahlerfolge hauptverantwortlich sind. Nicht von ungefähr betonte zuletzt der Welser FPÖ-Bürgermeister Andreas Rabl in der Presse: „Das Innenministerium gehört zu unserer DNA.“
Somit bleibt ungewiss, ob mit dem Vorstoß der ÖVP die zuletzt doch erheblich gesunkenen Chancen auf das Zustandekommen der blau-türkisen Koalition wieder steigen. Immerhin: Die ÖVP müsste sich im Falle eines Scheiterns nicht den Vorwurf gefallen lassen, zu wenig kompromissbereit gewesen zu sein. Dies könnte der tatsächliche Hintergrund des Manövers sein.
Fast vergessen sind die inhaltlichen Unstimmigkeiten, die noch bereinigt werden müssen (Bankenabgabe, Aufarbeitung der Pandemie, ORF …). Offiziell machen die Gespräche über das Wochenende dennoch Pause. Erst am Montag soll weiterverhandelt werden.
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