Österreichs Klimaforscher mit deutlicher Kritik an Kurz

Österreichs Klimaforscher mit deutlicher Kritik an Kurz
Die Aussagen des Bundeskanzlers zur Klimakrise stünden in Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Die Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über die Bewältigung der Klimakrise sorgten am Donnerstag nicht nur für Widerspruch der Grünen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (siehe weiter unten), sondern auch von führenden Klimaforschern.

Im Interview mit den Vorarlberger Nachrichten hatte Kurz gemeint, die Bekämpfung des Klimawandels sei ohne Verzicht - etwa auf den motorisierten Individualverkehr - möglich und es sei der falsche Weg zu glauben, dass wir das Klima durch Verzicht retten könnten. "Der einzig richtige Zugang ist, auf Innovation und Technologie zu setzen", sagte Kurz.

Die Frage, ob man als Politiker den Menschen heute guten Gewissens sagen kann, dass es auch ohne Verzicht gehen wird, beantwortet Kurz mit "Ja, das kann man. Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass unser Weg zurück in die Steinzeit sein sollte. Ich halte weder von der ständigen Politik des erhobenen Zeigefingers noch von Fantasien, dass man irgendwie leben könnte wie im vergangenen Jahrhundert."

Entgegen dem Stand der Forschung

Das Climate Change Centre Austria (CCCA), das Netzwerk der österreichischen Klimaforscherinnen und -forscher, widersprach Kurz am Donnerstag in einer Aussendung mit deutlichen Worten. Man nehme zwar "mit Freude" zur Kenntnis, "dass der Herr Bundeskanzler nun inhaltlich in die Klimadebatte einsteigt". Seine Aussagen in Bezug auf die Klimakrise stünden jedoch in Widerspruch zu internationalen und nationalen wissenschaftlichen Studien.

Nach diesen stünde vielmehr fest, dass Technik und Innovation alleine die Klimakrise nicht lösen können, sondern zusätzlich soziale Innovation und vor allem geeignete politische und rechtliche Rahmenbedingungen notwendig sind. "Gerne befassen wir und die CCCA Wissenschafter_innen uns aber mit jenen Studien und den eventuell darin enthaltenen neuen Erkenntnissen, auf deren Basis Bundeskanzler Kurz seine Aussagen gemacht hat, wenn er sie uns zur Verfügung stellt", hieß es süffisant weiter.

Kromp-Kolb fordert rasches Handeln

Helga Kromp-Kolb, Obfrau des CCCA

Ein entsprechendes Angebot sei an Kurz ergangen, man stehe "jedenfalls gerne für einen fachlichen Austausch mit dem Bundeskanzler zur Verfügung".

Gewohnheitsänderungen, nicht Verzicht

Auch bedeute Klimaschutz keineswegs "zurück in die Steinzeit", schrieben die Expertinnen und Experten weiter. Das Ziel sei "im Gegenteil innerhalb der ökologischen Grenzen des Planeten zu bleiben, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten und Lebensqualität zu sichern". Das sei jedoch nicht möglich, ohne den Druck auf die natürlichen Ressourcen zu reduzieren. Das werde auch Gewohnheitsänderungen erfordern, nicht aber notwendigerweise Verzicht.

Ohnehin könne der Wirtschaftsstandort Österreich nur auf diese Weise langfristig gesichert werden. Die Bewältigung der Klimakrise sei "vielfältig und komplex" und werde auch nur in einem breiten gesellschaftlichen Prozess gelingen, bei dem alle – Politik, Industrie und Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft – an einem Strang ziehen, so der CCCA.

Gewessler: "Nicht von altem Denken bremsen lassen"

Bereits zuvor hatte sich Klimaschutzministerin Gewessler zu Wort gemeldet und den Regierungschef - wenn auch mit deutlich vorsichtigeren Worten - auflaufen lassen.

Auch sie wolle auf Innovationen im Umweltschutz setzen, sagte Gewessler am Rande einer Pressekonferenz: "Ich bin ganz bei der Meinung des Herrn Bundeskanzlers, das heißt nicht zurück in die Vergangenheit, das heißt mutig vorangehen." Man dürfe sich jedoch gerade jetzt "nicht von altem Denken bremsen lassen" und nicht immer auf jene hören, "die automatisch nein sagen".

Österreichs Klimaforscher mit deutlicher Kritik an Kurz

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler

Sie wolle jedoch nicht auf die von Kurz gestartete Umweltschutz-Verzichtsdiskussion einsteigen. "Ich kann mit der Diskussion relativ wenig anfangen", sagte Gewessler. Die Klimakrise stelle "unsere Lebensgrundlage in Frage".

Etwas deutlicher als ihre Parteikollegin wurde die Grüne Klubchefin im Parlament, Sigrid Maurer: "Wer glaubt, die Klimakrise bewältigen zu können, ohne etwas zu verändern, der lebt in der Steinzeit", sagte sie.

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