Österreichs Grenzpolizei in Serbien

Ganze Familien aus dem Irak, Afghanistan und Syrien hausen in grenznahen Wäldern Serbiens.
Polizisten mit Wärmebildkameras werden an den klassischen Balkan-Fluchtrouten eingesetzt.

Eine Familie, die die alte Großmutter im Rollstuhl durch die Wälder schleppt – eine Afrikanerin, die mit blutenden Füßen im Gras liegen bleibt und nur knapp überlebt: Das sind dramatische Szenen, die sich tagtäglich an der ungarisch-serbischen Grenze beim Grenzort Subotica abspielen. Dort unterstützen nun österreichische Polizisten die Grenzpolizei Serbiens bei der Bewältigung einer schier unlösbaren Aufgabe.

Der KURIER war vor Ort. Im Grenzabschnitt Kelebija nördlich der Stadt Subotica hat mit Dämmerungseinbruch der Kärntner Gruppeninspektor Thomas Stelzer gemeinsam mit fünf Kollegen die Wärmebildkamera an einer Bahnstrecke in Stellung gebracht. Denn entlang dieser Bahnstrecke marschieren die meisten Migranten beim Versuch, über die serbisch-ungarische Grenze zu kommen. Daneben warten serbische Grenzpolizisten auf die Hinweise der Österreicher zum Einschreiten.

Die Aufnahme der Österreicher durch die serbischen Kollegen war herzlich. Sie sind bereits nach wenigen Tagen ein zusammengeschweißtes Team. Es sind durchwegs junge Beamte mit etwa 25 Jahren, die nun mit ihren österreichischen Polizeiuniformen und ihren Glock-Dienstpistolen im serbischen Unterholz stehen. Sie wollen ihre Namen nicht sagen, weil sie zu Hause in exponierten Sondereinheiten Dienst machen. Schon während der ersten Minuten des Gespräches wurde von den Serben eine Gruppe von 15 Migranten aus dem Wald herausgeholt. Von den oft zitierten "stämmigen, jungen Männern" ist hier keine Rede. Es handelte sich um eine afghanische Familie mit allen drei Generationen – vom wenige Monate alten Baby bis zur Großmutter. Die Oma haben sie mit dem Rollstuhl durch den Wald geschleppt.

Österreichs Grenzpolizei in Serbien

Lebensgefahr

Dann saßen sie mit hängenden Köpfen in der Polizeistation. Dabei sollten sie froh sein, dass sie festgenommen wurden. Denn mit der Oma im Rollstuhl wären sie in diesem Gelände nicht mehr weit gekommen. So wie jene junge Afrikanerin, die im Gras liegend mit dem österreichischen Wärmebildgerät entdeckt wurde. Bei der Annäherung hörten die Beamten noch, wie eine Gruppe Menschen über eine Stacheldrahtbarriere in den Wald flüchtete. Von einer Verfolgung rieten die serbischen Kollegen ab, weil in dem Gehege "wilde Tiere" wären. Gemeint war ein Wildschweingehege. Das bedeutet akute Lebensgefahr. "Es ist schon bedrückend, wenn man drinnen noch die Schritte von Menschen und die Schreie eines Kindes hört," meint Gruppeninspektor Stelzer.

Die im Gras liegende Frau hatte keine Schuhe mehr. Die Füße waren blutige Klumpen. Sie wurde ins Krankenhaus gebracht. Die Nacht hätte sie da draußen nicht mehr überlebt, meinte der behandelnde Arzt. Die Frau konnte mitteilen, dass sie aus dem Kongo stamme. Und dass sie zwei Kinder mit habe, aber nicht wisse, wo diese nun seien. Dass sich die Spur der Kinder im Wildschweingehege verliert, hat ihr niemand gesagt.

Tragisch auch der Fall eines Afghanen, der mit einer Gesichtsmaske aufgegriffen wurde. Als sie ihm abgenommen wurde, offenbarte sich den Beamten eine grauenhaft entstellte Fratze. Es waren die Folgen einer Schussverletzung. Die einzige Chance sah der Bedauernswerte in einer Operation in Deutschland. Und er fragte den österreichischen Uniformierten, ob er es nach der Freilassung wieder versuchen sollte. Welche Antwort soll ein junger Österreicher auf solch eine Frage geben?

Islamisten

Aber es kommen nicht nur Verzweifelte. Es sind auch Verbrecher und vermehrt auch Islamisten drunter. Ein serbischer Kollege erlitt einen Messerstich, ein weiterer wurde niedergeschlagen. Deshalb brachte der für den Einsatz verantwortliche Brigadier Günther Schnittler bei seiner Inspektionsreise auch Kugelschutzwesten für die Beamten mit.

In sechs Wochen wird der Trupp abgelöst. Insgesamt 40 Beamte hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner den Serben für diesen Abschnitt zugesagt.

Wer nach der Festnahme in den Wäldern von Subotica das „Zauberwort“ Asyl ausspricht, kommt in ein serbisches Asylverfahren. Das tun aber die Wenigsten. Sie akzeptieren lieber eine Verwaltungsstrafe wegen illegalen Grenzübertritts oder einige Tage Ersatzfreiheitsstrafe. Und dann stehen sie wieder auf der Straße, mit dem Auftrag, das Land binnen 72 Stunden zu verlassen. Die meisten starten einen neuerlichen, illegalen Versuch.

Serbien versucht ein verlässlicher Partner der EU zu sein, und wendet streng rechtsstaatliche Grundsätze an. Doch die seit Jahresbeginn registrierten 31.500 Personen überfordern das System. Belgrader Medien warnen vor einer „humanitären Katastrophe“.

Kapitulation

Die meisten Migranten kommen aus Mazedonien. Dort wurde bereits kapituliert. Das mazedonische Parlament beschloss ein Sondergesetz, das es Migranten erlaubt, 72 Stunden im Land zu bleiben und die Busse und Eisenbahnen Richtung Serbische gratis zu benützen.

Künftig sollen ungarische Polizisten die Serben an der mazedonischen Grenze unterstützen. Außerdem soll die EU-Grenzschutzagentur Frontex an der EU-Außengrenze zu Serbien mehr Kompetenzen bekommen. Die Forderung, Grenzkontrollen auch wieder an der österreichisch-ungarischen Grenze einzuführen, hält Grenzschutz-Brigadier Günther Schnittler aber für kontraproduktiv. „Grenzkontrollen in Nickelsdorf wären nicht asylentlastend, sondern asylverstärkend.“ Mit anderen Worten: Die im Wald aufgegriffene afghanische Familie (Bericht oben) müsste dann eben nach Traiskirchen gebracht werden.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner will das Auslandsengagement noch verstärken. Sie plant weitere Gespräche mit ihrem ungarischen Amtskollegen Sándor Pintér. Mikl-Leitner: „Unsere Grenzsicherung beginnt nicht im Burgenland, sondern muss schon an der serbisch-ungarischen Grenze beginnen. Und das müssen wir massiv stärken.“

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