Österreichs Gasversorgung nach 2024: Gefährliche Lücke aufgedeckt

Österreichs Gasspeicher sind derzeit randvoll, für den Winter 2023/2024 ist die Versorgung mit Erdgas jedenfalls gewährleistet. Aber: Österreich und alle anderen EU-Staaten wollen aus dem Gasgeschäft mit Russland bekanntlich aussteigen. Mehr noch, Österreich muss aussteigen – denn vor einigen Tagen hat der Chef der ukrainischen Naftogaz, Oleksiy Chernyshov, zum wiederholten Male darauf hingewiesen, dass die Ukraine einer Verlängerung des Transitvertrages mit Gazprom über 2024 hinaus nicht zustimmen wird. Sprich: Die für Österreich bis dato lebensnotwendige Gasversorgung aus Russland ist damit endgültig Geschichte. Eine Überlebensfrage für Wirtschaftsstandort und Bevölkerung.
Immerhin hatte bereits im Frühjahr 2023 Energieministerin Leonore Gewessler den ehemaligen E-Control-Chef Walter Boltz und den ehemaligen OMV-Boss Gerhard Roiss gebeten, ein Konzept für den Ausstieg aus russischen Gaslieferungen auszuarbeiten, was Ende April 2023 auch präsentiert wurde.
Im Folgenden lesen Sie:
- Warum sich die notwendige Pipeline-Erweiterung nach Deutschland nun doch verzögert
- Das ist eine Neuentwicklung, die Österreich monatelang in die Ungewissheit befördert
- Welche Konsequenzen laut Energieexperten daraus erwachsen
Die zentrale Maßnahme zur Abfederung des Lieferstopps durch die Ukraine war, die Gaspipeline zwischen Deutschland und Österreich namens WAG (West Austria Pipeline) auszubauen. Diese gehört der GCA, der Gas Connect Austria, einer 51 %-Tochter des Verbund.
„Natürlich sind auch andere Ausbaumaßnahmen wichtig, aber der WAG-Loop ist das kurzfristig wichtigste Projekt, dass bei relativ geringen Kosten die Versorgungssicherheit am meisten erhöht“, schrieben Boltz und Roiss am Morgen des 6. November. Und: „Die Bauzeit für dieses nur 40 km lange Leitungsstück, das zusätzliche Kapazität von der deutschen Grenze bis in den Raum Linz schafft, sollte in Anbetracht des Risikos einer Unterbrechung der Ukraineroute nicht länger als 12-15 Monate in Anspruch nehmen.“
"Realitätsfremd"
Doch mit dieser Antwort der Gas Connect hatten die beiden Energieexperten wohl nicht gerechnet: „Die in der Aussendung dargestellte zeitliche Dimension von 12-15 Monaten ist realitätsfremd. Aus Erfahrung der GCA mit anderen Pipeline Projekten ist es unmöglich bis zum ersten Quartal 2025 das Projekt fertig zu stellen. Allein das dazu notwendige, behördliche Genehmigungsverfahren dauert mindestens ein Jahr. Auch die Fertigung von Stahlrohren und deren Verlegung lassen bei äußerst ambitioniertem Vorgehen keine Fertigstellung vor Ende 2026 erwarten“, erklärt die Gas Connect Austria in einer Aussendung.
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Es geht auch ums Geld
Bolz und Roiss schrieben außerdem: „Nachdem die E-Control im Sommer 2023 dieses Projekt mit einem Investitionsvolumen von ca. 200 Millionen Euro nunmehr auch in die Langfristplanung aufgenommen hat, besteht für den Netzbetreiber Gas Connect Austria und den Mehrheitsaktionär Verbund kein wirtschaftliches Risiko mehr, weil damit ein Rechtsanspruch der GCA auf Abdeckung der Kosten vorliegt.“
Auch das sieht die GCA laut ihrer Aussendung ganz anders: „Zwar wurden Projekt und Kosten von E-Control genehmigt, damit sind aber nicht dessen Finanzierung und Kostentragung sichergestellt. Deshalb besteht nämlich sehr wohl nach dem aktuellen Tarifsystem ein sehr großes finanzielles Risiko für die GCA. Das Zurückverdienen des zu investierenden Geldes kann mangels entsprechender Transportbuchungen nicht im Vorhinein, wie sonst üblich, abgesichert werden. Der aktuell notwendige Ausbau der WAG ist jedoch aus der regionalen Versorgungssicherheit heraus notwendig und entsprechend anders zu bewerten und zu finanzieren. Entsprechende Gespräche dazu sind aktuell mit E-Control im Gange, jener Behörde also, die für die Tarifgestaltung der GCA verantwortlich ist. Derzeit gibt es weder eine Staatsgarantie noch eine Förderung zur Absicherung.“
Preissprünge bis zu 300 Prozent
Warum das ein großes Problem für die Volkswirtschaft Österreich werden wird?
Bolz und Roiss erklären die Gefahr mit diesen Worten: „Ein Wegfall der russischen Gasmengen würde zwar nicht unmittelbar zu Gas-Engpässen in Österreich führen, aber sehr wohl zu hohen Preissprüngen von 100% - 300%. Dies auch deshalb, weil die Kapazität von D nach Ö auf der WAG-Pipeline nicht ausreicht, um gleichzeitig die dann benötigten Gasmengen nach Ö, in die Slowakei und nach Slowenien zu bringen. Alles Länder, die heute überwiegend mit russischem Gas über die Ukraine versorgt werden. Ein teurer Kampf um die unzureichenden Transportkapazitäten mit hohen Preisschwankungen für Gas wäre wohl die Konsequenz.“
Energieministerin Gewessler reagierte verschnupft: „Der Ausbau des Teilstücks der Pipeline in Oberösterreich ist von zentraler Bedeutung für eine langfristig sichere Gasversorgung unseres Landes", so die Ministerin zum KURIER. "Denn durch den WAG-Loop kann deutlich mehr nicht-russisches Erdgas über Deutschland nach Österreich geliefert werden. Die E-Control hat diesen Ausbau im Sommer genehmigt – damit verbunden ist die Verpflichtung durch den Leitungsbetreiber, die Maßnahme umzusetzen. Diese Genehmigung umfasst auch einen Rechtsanspruch der GCA auf Abdeckung der Kosten, wenn es keine ausreichenden Buchungen gibt. Es gibt also keinen Grund jetzt noch länger zu warten. Denn die Versorgungssicherheit unseres Landes hat höchste Priorität.“
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