Österreich ist seit 500 Tagen ohne Klimaschutzgesetz

Österreich ist seit 500 Tagen ohne Klimaschutzgesetz
Auch Energieeffizienzgesetz (EEfG) und Erneuerbare-Wärmegesetz lassen auf sich warten.

Am 15. Mai hat Österreich seit 500 Tagen kein gültiges Klimaschutzgesetz (KSG) mehr. Das Gesetz, das die Treibhausgasbudgets pro Jahr festgelegt, ist 2020 ausgelaufen. Seit dem gibt es keine gesetzlichen Zielwerte. Das sorgt nicht nur bei Umweltschützen für gehörigen Ärger. Das Klimaschutzgesetz ist aber nicht einzige Baustelle von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne). Auch das Energieeffizienzgesetz ist 2020 ausgelaufen.

Die Bilanz der Ministerin nach zweieinhalb Jahren Regierungszeit ist durchwachsen. Zuletzt stand Gewessler wegen der Notfallpläne zur Gasversorgung in der Kritik. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und der Debatte über mehr Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen fällt auf, dass nötige Gesetze fehlen. Nicht nur das Energieeffizienzgesetz (EEfG), auch das Erneuerbare-Wärmegesetz lässt noch auf sich warten.

Das Energieeffizienzgesetz formuliert Energiesparmaßnahmen, mit denen die Energieeffizienz verbessert wird. So sollte das ausgelaufen Gesetz von 2015 bis 2020 die rechtliche Umsetzung der EU-Ziele einer 20-prozentigen Reduktion der Treibhausgasemissionen, eines 20-prozentigen Ausbaus der Erneuerbaren Energie und einer Verbesserung der Energieeffizienz um 20 Prozent sichern. Das Erneuerbare-Wärmegesetz wiederum soll die gesetzlich verbindliche Umstellung von Gas- und Ölheizungen auf klimafreundliche Technologien regeln.

Fehlende Wasserstoffstrategie

Kritiker vermissen auch die Wasserstoffstrategie und ein Grünes-Gas-Gesetz, die ähnlich dem Ökostromgesetz Maßnahmen zur Forcierung von Grünem Gas und Wasserstoff schaffen sollen. Weiters fehlt der geplante Klima-Check, der vorschreibt, dass Gesetze und Verordnungen auf Klimafolgen abgeklopft werden. Auch die Liste der umweltschädlichen Subventionen ist die Ministerin noch schuldig. Aus dem Ministerium heißt es zu den fehlenden Gesetzen: Das Klimaschutzgesetz sei in der "Finalisierung", bei dem EEfG hoffe man, bald einen Begutachtungsentwurf vorzulegen.

Dort spricht man lieber von den umgesetzten Projekten, von denen einige tatsächlich herzeigbar sind. Ganz ober auf der Erledig-Liste steht die Einführung des KlimaTickets in ganz Österreich am 26.10.2021 sowie die Umsetzung der Ökosozialen Steuerreform mit der Einführung der CO2-Bepreisung und des Klimabonus ab Mitte 2022. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) wird bis 2030 jährlich eine Milliarde Euro für den Erneuerbaren Ausbau zur Verfügung gestellt, um das Ziel, bis 2030 den Stromverbrauch zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu decken, realisieren zu können.

Mit dem "Raus aus Öl und Gas"-Förderprogramm werden 1,9 Milliarden Euro für moderne Heizungen und Energieunabhängigkeit investiert. Im Bereich der Bahn fließen über den ÖBB-Rahmenplan für die Jahre 2022-2027 Investitionen in die Schieneninfrastruktur in der Höhe von 18,2 Mrd. Euro.

Mit April startet der Reparaturbonus für alte Elektrogeräte und Gewessler hat die Einführung eines Plastikpfands ab 2025 und eine verbindliche Mehrwegquote ab 2024 mit dem Handel vereinbart.

Glossar des ausständigen Gesetzes

Bereits im Frühjahr 2021 war ein Entwurf für das neue Gesetz durchgesickert, mit dem Österreich seine EU-Klimaziele endlich erreichen sollte. Festlegen wollte man darin, die Republik bis 2040 klimaneutral zu gestalten, mit Emissionshöchstwerten für jedes Jahr. Bis 2030 sollte der Nettoausstoß halbiert werden, zehn Jahre später wollte man bei netto Null anlangen. Es geht um Sektoren wie Verkehr, Landwirtschaft, Gebäude, Abfall aber auch Teile der Energieerzeugung, die nicht unter das EU-Emissionshandelssystem fallen.

Mit den Regelungen wolle man drohende Strafzahlungen vermeiden, hat die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler wiederholt argumentiert und von bis zu 9 Mrd. Euro bis 2030 gesprochen. Seither sieht die Ministerin ihr Gesetz regelmäßig „auf sehr gutem Weg“, konnte aber noch immer keinen mit dem Regierungspartner akkordierten Begutachtungsentwurf vorlegen. Unterstützt sieht man sich in Gewesslers Ressort nicht nur durch das Regierungsprogramm mit der Volkspartei, sondern auch durch eine Entschließung des Nationalrats vom März 2021. Es ging um die Forderungen des Klimavolksbegehrens; ÖVP, Grüne und NEOS unterstützten dabei unter anderem den Pfad zur Klimaneutralität.

Doch auch viel Kritik gab es: Kern war schon im Vorjahr, als die Preisexplosion bei fossiler Energie noch gar nicht am Horizont war, dass es automatisch zu Steuererhöhungen etwa der Mineralölsteuer (MöST) kommen könnte, wenn Klimaziele verfehlt werden. Auch die Erdgasabgabe könnte durch die im Vorjahr lancierten Entwurf vorgesehene „zusätzliche Kohlenstoffbepreisung“ steigen. Laut Zeitungsberichten sah der Plan auch einen Zukunftsinvestitionsfonds vor, in den Bund und Länder einzahlen, wenn Klimaziele in einzelnen Sektoren überschritten werden. Pro Tonne CO2 zu viel sollten 100 Euro in dem Topf landen, 60 Prozent vom Bund, 40 von den Ländern.

Im Umweltministerium hieß es dieser Tage auf APA-Anfrage, dass man „aktuell sehr intensiv“ an der Finalisierung des Gesetzes arbeite: „Die Gespräche sind weit fortgeschritten, und das Gesetz soll zeitnah in Begutachtung gehen.“ Neben dem Reduktionspfad für klimaschädliche Kohlendioxid-Emissionen soll auch festgelegt werden, welche Rolle der Wissenschaft im Klimaschutz zukommt. Außerdem soll die Industrie beim Umstieg auf klimafreundliche Produktion unterstützt werden, und zwar mit einem sogenannten Transformationsfonds, für den es zumindest schon eine Willenserklärung des Ministerrats gab.
Laut einem jüngst vom Climate Action Network (CAN Europe) publizierten Bericht (http://go.apa.at/lg99zVTc) haben bereits 13 europäische Länder entsprechende nationale Gesetze beschlossen (oder stehen kurz davor), um die EU-Ziele zur Begrenzung der globalen Erwärmung - Klimaneutralität bis 2050, 55 Prozent Emissionsreduktion bis 2030 - zu erreichen. Es sind dies mit dem Ziel 2050 Portugal, Griechenland, Frankreich, Irland, die Niederlande, Lettland, Ungarn, Dänemark und Luxemburg. Bereits vor 2050 wollen Schweden, Finnland, Deutschland und Spanien soweit sein.

 

 

Kommentare