Drei Jahre später sollte sich die Stimmung dramatisch drehen. Und zwar insbesondere, was den am Donnerstag im Alter von 79 Jahren verstorbenen ÖGB-Präsidenten angeht.
Als gelernter Installateur hatte sich der aus einfachsten Verhältnissen kommende an die Spitze der Gewerkschaftsbewegung hochgearbeitet. Doch seit 2006 ist der Name Fritz Verzetnitsch untrennbar mit dem so genannten BAWAG-Skandal verbunden.
Er traf die Gewerkschaftsbewegung ins Mark und sollte Politik wie Justiz mehr als ein Jahrzehnt lang beschäftigen.
Und tatsächlich waren die Ereignisse, die sich ab 2006 zugetragen haben, bis dahin beispiellos in der Zweiten Republik: Im März wurde öffentlich, dass Österreichs damals drittgrößte Bank, die de facto im Eigentum des ÖGB stehende BAWAG, durch höchst riskante Karibik-Geschäfte Verluste in der Höhe von 1,9 Milliarden Euro angehäuft hatte.
Die Verluste waren über Jahre in Stiftungen und Briefkastenfirmen versteckt geblieben, gleichzeitig konnte die Bank nur bilanzieren, weil der ÖGB mit seinem Streikfonds und gewissermaßen mit den Beiträgen der Mitglieder für mögliche Verluste haftete.
Diese, von Verzetnitsch mit eingefädelte Besicherung, lief an wichtigen Gremien von BAWAG und ÖGB vorbei und sollte Verzetnitsch noch im März den Job als ÖGB-Chef kosten.
Die Konsequenzen der Affäre waren dramatisch: Die BAWAG musste verkauft werden; die Reputation des ÖGB war ramponiert; und führende BAWAG-Banker wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Großer Schatten
"Der Schatten des BAWAG-Skandals ist so groß, dass die Leistungen von Fritz Verzetnitsch dabei fast immer untergehen. Das wird der Person aber nicht gerecht“, sagt der langjährige Chef der Arbeiterkammer Rudolf Kaske zum KURIER.
Kaske kannte Verzetnitsch aus nächster Nähe, er war Spitzengewerkschafter und von 1989 bis 2006 auch Aufsichtsrat in der BAWAG. Für Kaske war Verzetnitsch ein „Chefdiplomat der Sozialpartnerschaft“. Er sei in anderen Ländern "oft auf ihn angesprochen worden, weil er ein europäischer Verbinder und Vorreiter der gemeinsamen Gewerkschaftsarbeit war“.
Verzetnitsch habe viel im Hintergrund gearbeitet. “Ohne viel darüber zu reden oder es gar vor sich herzutragen.“ Wenn beispielsweise Kollektivvertragsverhandlungen stockten oder gar zu scheitern drohten, habe Verzetnitsch seine „stille Achse“ zu Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl aktiviert. „Man hat sich respektiert, geschätzt – und dazu beigetragen, dass Kompromisse gelingen“, sagt Kaske. Leitl selbst nennt den Verstorbenen "einen guten Partner und lieben Freund".
Auch Beppo Muchitsch, Chef der SPÖ-Gewerkschafter, streicht diese Charaktereigenschaft Verzetnitschs hervor. Er sei ein "Verbinder gewesen, der im richtigen Moment gewusst hat, wo und wie man kämpfen muss", sagt der Chef der Gewerkschaft Bau-Holz zum KURIER. Bei der Pensionsreform Anfang der 2000er Jahre habe Verzetnitsch manche Belastung von den Arbeitnehmern abwenden können. "Da ist ihm einiges gelungen."
ÖGB am Rand des Zusammenbruchs
Das änderte aber nichts daran, dass die Gewerkschaftsbewegung an sich dem früheren ÖGB-Boss nicht verzeihen konnte, dass er sie mit teils einsamen Entscheidungen an den Rand des Zusammenbruchs geführt hat. Er hätte gegenüber Gesprächspartnern in der BAWAG wie auch außerhalb anders, härter agieren müssen, heißt es im ÖGB.
FSG-Chef Muchitsch ist das nicht differenziert genug: "Am Ende hat Verzetnitsch Verantwortung übernommen. Und große Katastrophen sind selten die Schuld einer einzigen Person.“
Verzetnitsch selbst half das alles nichts. "Er hat Zeit seines Lebens versucht, sich in der Gewerkschaftsbewegung zu rehabilitieren, das war sein Wunsch“, sagt Kaske an dessen Todestag. "Aber das ist nie passiert.“
Fritz Verzetnitsch hinterlässt eine Frau und zwei Kinder.
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