ÖGB-Chef Katzian fordert "einige Milliarden" für Corona-Konjunkturpaket

ÖGB-Chef Katzian fordert "einige Milliarden" für Corona-Konjunkturpaket
Sieht Investitionsbedarf bei Verkehr, Digitalisierung, Bildung, Wohnen sowie Umwelt- und Energiepolitik. Verteilungsdebatte "werden wir bekommen, aber es ist noch zu früh".

Der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), Wolfgang Katzian, fordert angesichts des coronabedingten Wirtschaftseinbruchs und der hohen Arbeitslosenzahlen ein Konjunkturpaket im Umfang von "einigen Milliarden". "Wenn die Coronakrise 100.000 Langzeitarbeitslose bedeutet, wäre das ein großes Problem", sagte Katzian im APA-Interview.

"Es braucht Maßnahmen um die Konjunktur nach vorne zu bringen." Neben der von der Regierung bereits umgesetzten Mehrwertsteuersenkung und der Investitionsprämie brauche "es wahrscheinlich die eine oder andere bessere zielgerichtete Aktivität", so der oberste Gewerkschafter.

Sozialstaat in der Krise "der große Star"

Bedarf für zusätzliche Investitionen sieht Katzian vor allem im Bereich öffentlicher Verkehr, Digitalisierung und Bildung, Wohnen sowie Umwelt- und Energiepolitik. Auch mehr Mittel im Sozialbereich seien notwendig, etwa bei der Pflege. "Der Sozialstaat war in der Corona-Krise der große Star. Das war nicht der Markt, der Markt war nicht vorhanden. Ohne Sozialstaat hätten wir die Corona-Pandemie im Gesundheitswesen nicht stemmen können", so das Fazit des ÖGB-Chefs.

Für heuer erwarten die heimischen Wirtschaftsforscher von IHS, OeNB und Wifo einen historischen Wirtschaftseinbruch von 7,0 bis 7,3 Prozent und 2021 wieder einen kräftigen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 4,3 bis 5,8 Prozent. Seit einem halben Jahr haben die Auswirkungen der Corona-Pandemie den heimischen Arbeitsmarkt fest im Griff. Seit dem historischen Arbeitslosenrekord Mitte April mit 588.000 Personen ohne Job gehen die Arbeitslosenzahlen wieder zurück, zuletzt waren rund 409.000 Personen beim Arbeitsmarktservice gemeldet. Zum Höhepunkt der Krise waren zusätzlich mehr als 1,3 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit, nun sind es noch knapp 400.000 Personen. Die Corona-Kurzarbeit kostete den Staat bisher 4,6 Mrd. Euro.

"Überschriften der Regierung sind zu wenig"

Für Katzian müsste die türkis-grüne Regierung mehr Maßnahmen für Arbeitslose auf den Weg bringen, vor allem für Jugendliche und ältere Menschen ohne Job. "Da brauchte es ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Die Überschriften der Regierung sind aus meiner Sicht viel zu wenig", sagte der Gewerkschafter. Spätestens in einem Jahr müsse das Vorkrisenniveau bei den Arbeitslosenzahlen wieder erreicht werden. Zum Vergleich: Ende August 2019 waren rund 330.700 Personen arbeitslos oder in AMS-Schulungen.

ÖGB-Chef Katzian fordert "einige Milliarden" für Corona-Konjunkturpaket

Lobende Worte fand der Gewerkschaftschef für die von den Sozialpartnern mitverhandelte Corona-Kurzarbeit. "Die österreichische Kurzarbeitsvariante ist ein Vorzeigemodell in Europa. Auf das kann man wirklich stolz sein." Mit dem Arbeitsministerium und Ministerin Christine Aschbacher (ÖVP) habe man sich bei der Kurzarbeit "zusammengerauft". Bei den Sonderbetreuungszeiten wegen Homeschooling sieht der Gewerkschaftsvertreter von politischer Seite hingegen wenig Kompromissbereitschaft. Es hänge immer noch vom guten Willen des Arbeitgebers ab, weil es keinen Rechtsanspruch gebe. "Daher hat nur ein kleiner Prozentsatz die Sonderbetreuungszeit in Anspruch genommen."

Wer die Kosten für die Corona-Hilfspakete letztlich bezahlen wird, ist nach Ansicht von Katzian derzeit noch offen. "Diese Verteilungsdebatte werden wir bekommen, aber es ist noch zu früh." Wenn sich die Wirtschaft erhole, dann würden auch wieder die Steuereinnahmen sprudeln und einen Teil der Krisenkosten abdecken. Auch Vermögende könnten einen Beitrag leisten. "Es gibt viele mit sehr, sehr breiten Schultern, wenn es etwas zum Tragen gibt, die können sehr viel tragen", so der ÖGB-Präsident. "Die mit schmalen Schultern können wenig bis gar nichts tragen."

Corona-Bonus Thema für Herbstlohnrunde

Zur bevorstehenden Herbstlohnrunde hält sich ÖGB-Chef Wolfgang Katzian bedeckt. Er wolle den einzelnen Fachgewerkschaften keine Vorgaben machen, das hätte er selber als früherer Chef einer Teilgewerkschaft auch nicht so gewollt.

Traditionellerweise werde sowohl die wirtschaftliche Entwicklung des letzten Jahres berücksichtigt, als auch ein Auge in die Zukunft geworfen. "Es ist vollkommen klar, dass eine Lohnrunde in einer Corona-Pandemie eine andere ist, wie wenn nichts wäre. Daher wird es von den Rahmenbedingungen schwierig", so der oberste Gewerkschafter. Bei den vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Kurzarbeit gebe es Nachholbedarf beim Geld. "Ich gehe davon aus, dass ein Corona-Bonus da und dort ein Thema sein wird. Ich kann aber nicht sagen, in welcher Branche."

Auch die Rufe nach Arbeitszeitverkürzung könnten bei den KV-Verhandlungen zum Thema werden. "Arbeitszeitverkürzung ist grundsätzlich immer ein Thema." Ob das allerdings im Herbst thematisiert werde, werde von Branche zu Branche unterschiedlich sein.

Homeoffice "Entgrenzung von Arbeit"

Beim Thema Homeoffice sieht Katzian die Arbeitszeit als größtes Problem: Es gehe um die Einhaltung der geregelten Arbeitszeiten, die Frage wann und wie wird gearbeitet, und es finde am Heimarbeitsplatz eine Entgrenzung von Arbeit statt. Das Arbeitszeitgesetz und die Pausenregelungen gelten auch bei der Arbeit zu Hause, betont er. "Es gibt bestimmte Eckpunkte, die sind nicht verrückbar: Homeoffice muss eine Vereinbarungssache bleiben. Es darf nicht einseitig angeordnet werden. Die Normalarbeitszeit gilt weiter auch im Homeoffice. Eine Einschränkung der Ruhezeiten kann ich mir nicht vorstellen", erteilt er dem Vorstoß von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) für eine Aufweichung der nächtlichen Ruhezeit von elf Stunden eine Absage.

Generell müsse man gesellschaftspolitisch sehr aufpassen, "dass mit dem positiv besetzen Begriff Homeoffice nicht Dinge gesellschaftspolitisch nach hinten losgehen, die wir nicht so haben wollen".

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wolle bis Jahresende eine Sozialpartner-Position zum Homeoffice. "Das ist prinzipiell möglich und wir werden in den nächsten Wochen mit den Gesprächen beginnen", kündigt Katzian an. Zum Teil gehe es um sehr komplexe Rechtsfragen. Das Thema wird in der Arbeitswelt mindestens so lange ein wichtiges Thema sein, bis es eine Corona-Impfung gibt. Eine Impfpflicht werde es in Österreich nicht geben, auch nicht in Unternehmen, doch Katzian kündigt an, er werde sich impfen lassen, wenn ein gut getesteter Impfstoff komme.

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