Plagiatsvorwurf gegen ÖBB-Chef: Fachhochschule Wien beginnt "zeitnah“ mit Prüfung

Plagiatsvorwurf gegen ÖBB-Chef: Fachhochschule Wien beginnt "zeitnah“ mit Prüfung
Stefan Weber erhebt schwere Vorwürfe gegen Andreas Matthä, in seiner „Streitschrift“ kritisiert er „Antifehlerkultur“ der Unis.

 Bei der 2002 an der Fachhochschule Wien (FHW) eingereichten Diplomarbeit von ÖBB-Chef Andreas Matthä handelt es sich laut Plagiatsforscher Stefan Weber um ein „monströses Plagiat“. Das behauptet der Wissenschafter im Gespräch und in seiner am 12. September erscheinenden Streitschrift („Auf ‚Plagiatsjagd‘“).

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Wie der KURIER berichtete, hat Matthä ob der Verdachtsvorwürfe bereits vergangene Woche die FHW selbst um Prüfung seiner Arbeit ("Mitarbeitergespräch und Mitarbeiterbeurteilungen in Projektorganisationen am Beispiel GB Planung & Engineering“) gebeten. Die FHW muss nun auch prüfen, weil Weber am Freitag eine Plagiatsanzeige eingebracht hat. "Zeitnah“, wie es auf KURIER-Nachfrage heißt, werde die FHW nun mit der Prüfung (Einscannen der Arbeit, Prüfung durch Plagiatssoftware, Entscheid über interne oder externe Begutachtung) beginnen.

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Wie lange dieses Prozedere dauert, das sei aktuell noch nicht abschätzbar. „Bei ähnlich gelagerten Fällen anderer Hochschulen hat die Prüfung mehrere Monate bis über ein Jahr gedauert. Die Dauer hängt auch davon ab, ob ein externes Gutachten eingeholt wird.“

Man werde die „Abschlussarbeit dahingehend prüfen, ob und inwiefern die Kritikpunkte – „zum Teil seitenweise und am Stück abgeschrieben“, wie Weber behauptet – zutreffen.

„Titelgeilheit“

In seiner Streitschrift führt Autor Weber neben Matthä 15 weitere Plagiatsfälle an und aus, woran es seiner Meinung nach im wissenschaftlich-akademischen Betrieb mangelt. An den Universitäten herrsche eine „Antifehlerkultur“ sowie eine "Studierunfähigkeit“, in Österreich eine "Titelgeilheit“ und eine „Diktatur des Mittelmaßes“. Ursächlich verantwortlich für die „schlechten wissenschaftlichen Arbeiten“ sei „die systematisch falsche Besetzungspolitik“, die zu dysfunktionalen Universitäten führe. Um dem entgegenzuwirken, führt er 18 Maßnahmen an. Darunter eine verpflichtende Semesterwochenstunde "Einführung in gute wissenschaftliche Praxis“, "richtige eidesstattliche Versicherungen“ sowie "kürzere Arbeiten statt unlesbarer Konvolute“.

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Gemeint sind damit Dissertationen zwischen 400 und 600 Seiten. Qualität gehe vor Quantität, so Weber, Plagiatssoftware solle bei jeder schriftlichen Arbeit zum Einsatz kommen. Strengere Regularien beim Zitieren oder gesetzliche Regelungen wären der Qualität förderlich. Überdies spricht sich Weber für publizierte Gutachten aus – denn die jetzige Praxis sieht anonyme Gutachten vor – und ein digitales Meldesystem für Verdachtsfälle.

Seit 2002 hat Weber laut eigenen Angaben "Hunderte Plagiatsfälle“ dokumentiert – 13 akademische Grade seien nach seinen Plagiatsanzeigen bzw. Gutachten aberkannt worden. Begonnen hat alles, wie nachzulesen ist, mit einem Plagiat aus seiner eigenen Dissertation.

Auf "Plagiatsjagd" - Eine Streitschrift erscheint am 12.9. im Edition Atelier, 216 Seiten, 20 Euro

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