"Nur 28 Prozent der Kinder machen Sport"

Rapid-Fan Doskozil will selbst mehr Sport machen
Hans Peter Doskozil will die tägliche Turnstunde einführen – er selbst will sich auch mehr bewegen.

KURIER: Herr Minister, die ehemalige Unterrichtsministerin Claudia Schmied hat 2012 die tägliche Turnstunde abgelehnt, weil sie pro Jahr 200 Millionen Euro Personalkosten verursachen würde. Dazu kämen einmalig 100 Millionen Euro für Aus- und Weiterbildung. Kann sich Österreich derzeit ein derartiges Luxusprojekt überhaupt leisten?

Hans Peter Doskozil: Ich kenne die Berechnungen der Ex-Unterrichtsministerin nicht und mich interessiert auch nicht, wer was in der Vergangenheit gesagt hat. Aber die tägliche Turnstunde ist sicher kein Luxus. Tatsache ist: Das von uns entwickelte Modell ist um ein Vielfaches günstiger. Denn es ist ein außerschulisches Modell, wo Bewegungscoaches über die Dachverbände engagiert werden. Diese Coaches halten die ergänzenden Turnstunden ab. Unser Modell kostet österreichweit 30 Millionen pro Jahr. Es wird aus dem Sportministerium und aus der Vereinbarung zwischen dem Bildungsministerium und den Ländern zum Ausbau der Ganztagsschule finanziert.

Das schafft keine Konflikte mit den ausgebildeten Turnlehrern?

Wir haben die gesetzliche Grundlage geschaffen, dass Trainer in drei Monaten die Zusatzausbildung zum Bewegungscoach und Freizeit-Pädagogen machen und damit die Berechtigung haben, zusätzlich zu den Lehrkräften, Kinder in den Schulen zu beaufsichtigen. Das Modell gibt auch lokalen Sport-Heroes die Möglichkeit. die Kinder zu unterrichten. Der Ex-Teamtorhüter Thomas Mandl hat sich ausbilden lassen und unterrichtet nun Schüler. Das ist für Kinder ein zusätzlicher Motivationsschub.

"Nur 28 Prozent der Kinder machen Sport"
Hans Peter Doskozil, Minister, Verteidigungsminister, Interview im Le Loft, Ida Metzger

Wäre es angesichts der schlechten PISA-Ergebnisse, wo jedes fünfte Kind nicht sinnerfassend lesen kann, nicht besser, die 30 Millionen in Leseförderung zu investieren?

Man sollte einen Unterrichtsgegenstand nicht gegen den anderen aufwiegen. Die Stundentafel wird durch die tägliche Sportstunde nicht verändert. Es wird deswegen nicht weniger Mathematik oder Lesen unterrichtet, sondern die Turnstunde gibt es zusätzlich. Die tägliche Bewegung hat einen bildungspolitischen Aspekt. Die Kinder sind durch die Bewegung aufnahmefähiger. Dazu kommt: Nur 28 Prozent unserer Kinder betreiben Sport, das heißt im Umkehrschluss, dass sich 72 Prozent unserer Kinder nicht bewegen. Die Folgen sehen wir auch bei der Stellung zum Wehrdienst. Ein großer Teil ist untauglich. Das ist ein Desaster, wenn schon 18-Jährige gesundheitliche Probleme haben. Mein Ziel ist es, dieses Thema auch in die nächsten Regierungsverhandlungen zu tragen.

Vorausgesetzt die SPÖ ist nach den Wahlen in die Regierungsverhandlungen eingebunden. Was, wenn nicht? War es dann nur verpulvertes Geld?

Auch wenn die SPÖ nicht in die nächsten Regierungsverhandlungen eingebunden sein sollte, bin ich überzeugt, dass die tägliche Turnstunde auf breite Zustimmung stoßen wird. Schon jetzt stehen alle Sportlandesräte aller Couleurs hinter dem Projekt.

Zahlreiche Lehrer beklagen, dass die Turnstunde die Kinder aus dem Unterrichtsrhythmus reißt. Es dauert nach einer Turnstunde oft 15 bis 20 Minuten, bis die Lehrer für konzentriertes Lernklima sorgen können. Wird die tägliche Turnstunde nicht für mehr Unruhe im Schulalltag sorgen?

Würde man diesem Argument folgen, würde es bedeuten, dass gar kein Turnunterricht an der Schule stattfinden darf. Ich denke nicht, dass die Cool-down-Phase nach dem Sport für den Unterricht hemmend wäre.

Wann hat der Sportminister zuletzt eine Stunde Sport gemacht?

(denkt nach). Ich bin ein offener und ehrlicher Mensch. Ich könnte jetzt einfach sagen, dass ich regelmäßig etwas tue, aber das stimmt nicht. Es ist schon eine Zeit lang her, dass ich Sport getrieben habe. Sicher mehr als neun Monate.

Hat man als Sportminister nicht eine gewisse Vorbildwirkung?

Seitdem ich Minister bin, mache ich leider viel zu wenig Sport. Der Stress, den ich in diesem sehr intensiven Jahr hatte, darf aber keine Ausrede sein. Der Ministerjob hat keinerlei Regelmäßigkeiten, wo ich Sport konsequent zwei bis drei Mal pro Woche einbauen kann. Daher leidet mein Sportpensum, das ich gerne absolvieren würde, darunter. Ich muss und werde mehr tun. Das habe ich mir für die kommenden Monate fix vorgenommen.

Wie oft hat der Sportminister als Schüler den Sportnachmittagsunterricht in der höheren Schulen geschwänzt?

Ich war ein braver Schüler. Ehrlich gesagt, kann ich mich nicht erinnern, dass ich überhaupt jemals eine Unterrichtsstunde geschwänzt habe.

Sie sind erklärter Rapid-Fan. Muss man als Sportminister seine Leidenschaft abstellen, um neutral zu sein?

Die Frage ist einfach erklärt: Wenn man einmal Rapid-Fan ist, dann bleibt man das. Egal in welcher Position und egal in welchem Alter. Das macht einen Rapid-Fan aus. Das heißt aber nicht, andere Vereine abwerten zu müssen. Als Sportminister freut es mich, wenn viele Vereine gut Fußball spielen.

Welche Position haben Sie als Fußballer gespielt?

Ich war meistens defensiver Mittelfeldspieler oder Außendecker.

Sie waren dann der Ausputzer, der alle niedergesäbelt hat ...

Nein, ich habe versucht, mich mit feiner Technik durchzusetzen.

Nach der Schlappe bei den Olympischen Spielen in Rio haben Sie ein umfassendes Sportreformpaket versprochen. Nun sind drei Monate vergangen. Wann kommen die Reformen?

Ich habe viele Gespräche geführt, vor allem mit Sportlern. Am 19. Dezember werde ich den Verbänden das Reformpaket vorstellen. Aber wir werden meine Reformpläne nicht sofort in den parlamentarischen Prozess bringen, sondern in der Sportfamilie – also in allen Verbänden – diskutieren. Wie in einem internen Begutachtungsprozess, können alle Verbände Beurteilungen abgeben. Erst dann werden wir den parlamentarische Prozess starten. Ich gehe davon aus, dass bis Ende des ersten Halbjahres 2017 die Reform umgesetzt ist.

Themenwechsel: Innenminister Wolfgang Sobotka befürchtet, dass das Bundesheer nun auch die Personenkontrollen in den Zügen übernehmen will. Was ist dran an diesem Gerücht?

Ich weiß nicht, woher Innenminister Wolfgang Sobotka diese Informationen hat. Offenbar hat er Quellen, die in diesem Punkt nicht ganz verlässlich sind. Es gab eine Anfrage des Verkehrsministeriums an uns. Aber wir haben keinerlei Ansinnen, dass Soldaten zukünftig Kontrollen in Zügen durchführen sollen. Ich sehe das als Aufgabe des Innenministeriums.

Diese Woche war der griechische Verteidigungsminister in Wien. Panos Kammenos hat mit dem Vorschlag aufhorchen lassen, dass Flüchtlinge in sichere Regionen innerhalb von Syrien zurückgebracht werden können. Ein etwas abstruser Vorschlag ...

Diese Aussage wurde falsch interpretiert. Der griechische Minister meinte, dass wir in Zukunft, wenn es befriedete Gebiete in Syrien gibt, in eine Phase kommen werden, wo das zur Diskussion steht. Wenn es dann solche sicheren Zonen gibt, beispielsweise im Süden Syriens, sollten dort die Menschen humanitär versorgt werden und, wenn ausreichend Stabilität herrscht, sollten auch Flüchtlinge aus der Region in die Heimatorte zurückkehren können. Die Voraussetzungen dazu sind natürlich noch nicht gegeben.

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