Nowotny: "Schuldenstand Italiens bereitet tatsächlich Sorgen"

Nowotny: "Schuldenstand Italiens bereitet tatsächlich Sorgen"
Der Nationalbank-Gouverneur bricht eine Lanze für die Sozialpartner und warnt vor neuen Risiken aus Italien und Großbritannien.

Der Budgetplan Italiens mit seiner hohen Überschuldung lässt in den EU-Hauptstädten die Alarmglocken schrillen. „Wir als EU sind nicht gewillt, das Risiko für die Schulden Italiens zu übernehmen“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz. Im KURIER-Interview nimmt Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny zu Italien, zur Zukunft der Eurozone sowie zu innenpolitischen Fragen Stellung.

KURIER: Herr Gouverneur, der Budget-Entwurf Italiens wird von der EU-Kommission klar abgelehnt. Droht in Italien ein zweites Griechenland?

Ewald Nowotny: Italien steht wesentlich besser da als dies in Griechenland der Fall war, aber der Schuldenstand bereitet tatsächlich Sorgen. 2018 und 2019 muss Rom je rund 380 Milliarden Euro auf dem Kapitalmarkt aufnehmen. Diese Staatsanleihen muss aber jemand kaufen. Und es zeigt sich, dass das nur gegen höhere Zinsen möglich ist. Das erhöht wiederum das Budgetdefizit. Außerdem endet heuer das Ankaufsprogramm der EZB, so dass es jetzt überwiegend italienische Banken sind, die kaufen. Die gegenseitige Abhängigkeit ist aber problematisch.

Ist die Eurozone dennoch stabil?

Ja, es gibt heute keine Spekulation auf den Zerfall der Eurozone. Wenn wir das mit 2008 vergleichen, haben wir gewaltige Fortschritte gemacht. Als Folge der Finanzkrise kam es zu einer deutlich intensiveren Regulierung des Bankensektors. Die österreichischen Banken haben heute mehr als doppelt so hohe Eigenkapitalquoten als sie 2008 hatten, damit ist auch die Sicherheit wesentlich größer. Wir haben eine sehr viel bessere Sicherheit bezüglich der Liquidität der Banken. Wir haben etwa auch ein völlig neues System der Bankenaufsicht mit einheitlichen Regeln und einer besseren Kenntnis des Zustandes der Banken.

Wie schwer wiegen politische Risiken, etwa Handelskriege oder die Flüchtlingsfrage?

Bei der jüngsten Tagung des Währungsfonds sind politische Risiken sehr stark behandelt worden, z. B. Handelskonflikte oder auch Risiken aus Sanktionsmaßnahmen. Es gibt etwa bereits einen deutlichen Anstieg des Ölpreises. Eine Gefahr ist auch die unterschiedliche Zinsentwicklung in den USA und in Europa, dadurch wertet der Dollar auf, was wiederum für Entwicklungs- und Schwellenländer problematisch werden könnte.

Zu Österreich: Sie scheiden 2019 aus der Notenbank aus. Kennen Sie schon Ihren Nachfolger?

Ich werde im nächsten Jahr 75 Jahre alt, eine Verlängerung strebe ich nicht an. Im nächsten Monat wird der Generalrat eine Ausschreibung vornehmen, dann wird der Prozess in Gang gesetzt.

Stichwort Generalrat: Alle Arbeitnehmervertreter wurden abgelöst. Wie schädlich ist das?

In der Vergangenheit hat es sich sehr bewährt, dass es eine breite Streuung von Interessenslagen gab, was auch dem Geist des Notenbankgesetzes entspricht. Generalräte, die von der Arbeitnehmerseite nominiert worden sind, haben eine sehr wichtige und konstruktive Rolle gespielt. Mir tut es leid, dass es von dieser Seite her keine Vertretung mehr gegeben ist.

Nowotny: "Schuldenstand Italiens bereitet tatsächlich Sorgen"

Das System der Sozialpartnerschaft wird gebrochen?

Das System der Sozialpartnerschaft hat sehr positiv zur Stabilität Österreichs beigetragen, in vielen Fällen auch zur Dynamik. Natürlich muss sich jedes System im Zeitablauf auch entwickeln. Aber man sollte nicht leichtfertig einen wichtigen Stabilitätsanker gefährden.

Sie haben die Gewerkschaftsforderung von plus fünf Prozent bei den Lohnverhandlungen begrüßt. Warum?

Konkrete Kollektivvertragsverhandlungen sind selbstverständlich von den Sozialpartnern zu führen. Notenbanker haben sich aber stets zum gesamtwirtschaftlichen Rahmen für die Entwicklung der Löhne als wichtiger Faktor für Kosten und Nachfrage geäußert. Auch jetzt befinde ich mich da in guter Gesellschaft mit der EZB und nationalen Notenbanken. Denn in der jetzigen Konjunkturlage ist es wichtig, bei den Löhnen nachzuziehen, um damit auch eine Normalisierung der Kerninflation, also ohne Energie und Rohstoffpreise, zu erreichen. Meine konkrete Aussage entsprach übrigens im Wesentlichen der für Österreich in „Normalzeiten“ bewährten „Benya-Formel“.

Zum Brexit gefragt: Wie heftig wären die Folgen eines harten Brexit für die Wirtschaft?

Es gibt schon jetzt eine massive Verlagerung von Bankgeschäften von London nach Frankfurt, Paris und in die Niederlande. London ist aber noch immer der größte Finanzplatz Europas. Es darf deshalb durch den Brexit zu keinen Störungen etwa im Devisenhandel kommen, auch ein rechtliches Vakuum muss vermieden werden. Es wird deshalb Übergangsregeln brauchen. Was die Realwirtschaft betrifft, sind die Risiken wesentlich geringer. Für Österreich entfallen, bezogen auf die gesamten Exporte von Gütern bzw. Dienstleistungen, auf Großbritannien nur 2,8 Prozent bzw. 4,5 Prozent. Einzelne Unternehmen können stark betroffen sein, aber ich sehe keine Katastrophe. Die wirkliche Herausforderung liegt im Finanzbereich.

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Wird es die Finanztransaktionssteuer noch geben? Oder zum Beispiel die Digitalsteuer?

Das liegt im Bereich der Finanzminister. Leicht wird das aber nicht, Steuerfragen sind in der EU ja mit Einstimmigkeit zu regeln.

Was hat die Finanzpolitik von der Krise gelernt?

Die Finanzpolitik hat zunächst gemeinsam mit der Geldpolitik richtig, d.h. expansiv, reagiert. Jetzt ist aber der Zeitpunkt, die Defizite und die Schuldenquoten wieder zurückzufahren. In Bezug auf Verteilungseffekte will die OECD die Rolle von Steueroasen einschränken. Das soll durch höhere Transparenz der Einkommen und der Steuerpflicht erreicht werden. Auch die Schweiz und Österreich haben sich dem Verfahren angeschlossen. Da ist aber noch sehr viel zu tun. Starke, neue Impulse gibt es bei der Bekämpfung von Schwarzgeld-Strömen. Geldwäsche ist ein großes Thema, das wir in der EZB behandeln. Die größte Bank Dänemarks ist dadurch in massive Probleme gekommen.

Was war der größte Erfolg, die größte Krise ihrer Laufbahn?

Beides liegt nahe beinander. Der größte Erfolg war sicherlich das existenzbedrohende Problem der Bawag-PSK zu lösen, zwei Jahre später kam die weltweite Finanzkrise. Ihre Überwindung kostete viel und führte zu einer Krise der Realwirtschaft. Die Volkswirtschaft schrumpfte. Die Finanzkrise führte zur größten Wirtschaftskrise seit Ende des Zweiten Weltkrieges.

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