Noch rauchen vor allem die Köpfe
Was macht ein volksnaher Politiker mit einer Kanzel? Richtig, im Idealfall macht er um sie einen großen Bogen. Wer von Balkonen spricht, der hebt sich übers Publikum, wird unnahbar.
Wie bei allen Regeln gibt es auch bei dieser Ausnahmen. Eine war jüngst im Wiener Rathaus zu beobachten: Anstatt die Brüstung des Festsaales zu meiden, umarmte sie der neue Bundespräsident beinahe: Die Unterarme auf den Marmor gelehnt, posierte Alexander Van der Bellen für Selfies mit den Ballgästen.Wer den 73-Jährigen am Ball der Wissenschaften beobachtet hat, der sah eindeutig: Dieser Politiker mag, was er tut. Er ist, wie man sagt, angekommen in der Funktion.
Wir pfeifen auf die Limousine
Kann man das nach sieben Tagen behaupten? Darf man schon jetzt einen Vergleich zum Vorgänger ziehen? Man darf. Denn in vielerlei Hinsicht ähneln einander die Feingeister Van der Bellen und Heinz Fischer ohnehin. Beiden ist allzu höfisches Gehabe ein Gräuel. Schon Fischer pfiff gern auf seine Limousine und ging zu Fuß von seiner Josefstädter Wohnung ins Büro. Ähnlich Van der Bellen, als er am ersten Tag versuchte, ein Signal zu setzen, indem er – kaum angelobt – dem Frost-starrenden Wetter trotzte, und zum Gaudium seiner Fans vom Parlament zu Fuß in die Hofburg spazierte.
Wer sich fragt, wie "Sascha" die Hofburg verändert hat, den enttäuscht der Flurfunk noch ein wenig: Die Arbeitstage des früheren Grünen-Chefs waren in Woche 1 derart dicht, dass er sich über Details wie Bilder oder Büsten fürs Büro noch keine Gedanken machen durfte. Die Tage nach der Angelobung? Vollgepackt mit Besuchen auf dem Zentralfriedhof (Präsidentengruft), Besuchen in einer Schule und bei einem Pharma-Konzern. Daneben gab das Staatsoberhaupt die obligaten Antrittsinterviews und beehrte eine Matinee. Sonntag und Montag dann: Krisen-bedingte Gespräche mit Kanzler und Vizekanzler, zwischendurch die 40-Jahr-Feier der Volksanwaltschaft, tags darauf die Beglaubigung von Botschaftern. In den Pausen: Akten unterschreiben. Gut 10.000 Schriftstücke landen im Jahr auf dem Tisch des Staatsoberhaupts. Der Neue äußerte leise Skepsis an all dem Aufwand. Sinngemäß klang das so: "Muss ich wirklich jeden Oberschulrat unterschreiben? Das könnt’ doch die Bildungsministerin verleihen, oder?"
Rauchend im Büro
Dafür ist ein anderes "Problem" erst gar nicht entstanden. Denn das für öffentliche Gebäude geltende Rauchverbot wird – mangels Parteienverkehr – in der Hofburg nur mittelstreng geahndet. "Wenn bei Fischer ein Gast im Büro rauchen wollte, durfte er das natürlich", erzählt ein Hofburg-Mitarbeiter. "Insofern darf der neue Chef natürlich jederzeit im Büro rauchen."Unbequemer ist die Sache mit der Wohnung. Details sollen ausgespart bleiben, nur so viel: Van der Bellens Mariahilfer Privat-Domizil ist schwer zu sichern, eine mögliche Übersiedelung ist immer noch nicht vom Tisch. Aber zurück in die Hofburg: Hier zeigt sich trotz vieler Parallelen, dass Van der Bellen eines von seinem Vorgänger recht deutlich unterscheidet, nämlich: die Vertrautheit mit einem beamteten Apparat. "Egal, ob als Minister, Klubchef, Parlamentspräsident oder Bundespräsident: Fischer hat seine ganze Karriere lang eine Batterie an Mitarbeitern gehabt und ständig viel delegiert", sagt ein Mitarbeiter. Nach mehrtägigen Asien-Reisen etwa schickte Fischer seine Mannschaft nach der frühmorgendlichen Landung in Wien zwar zum Schlafen nach Hause. Zwei Stunden später läutete aber mitunter das Handy – es sei noch Arbeit zu erledigen, er, Fischer, warte im Büro. "Tip-top organisierte Events und Staatsbesuche waren de facto eine Selbstverständlichkeit", erzählt ein Ex-Mitarbeiter.
Der Neue ist diesbezüglich ein wenig, nun ja, anders. Ein Beispiel war am Donnerstag der Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps. Es ist der wichtigste und größte Event des Jahres, 130 Botschafter und Ehefrauen, viel Polizei und Bundesheer, der Schweizerhof war zugeparkt mit Dutzenden Limousinen. Als die Veranstaltung erledigt war, versammelte der Präsident die Mitarbeiter im Maria Theresien-Zimmer, und sagte: "Sie haben das wunderbar organisiert, danke!"
Vielleicht schaute jemand skeptisch. Jedenfalls wollte Van der Bellen ganz sicher gehen, dass ihn niemand falsch verstanden hatte, und so legte er nach: "Aber ich hab’ natürlich nichts anderes erwartet!"
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