Vater der Landeshauptstadt ist tot
Am Abend des 2. März 1986 konnte der Geburtshelfer erleichtert aufatmen. Exakt 56,02 Prozent seiner Landsleute hatten Siegfried Ludwigs Ansinnen unterstützt, Niederösterreich eine eigene Landeshauptstadt zu geben. Der Erfinder der Hauptstadt starb am Dienstag 87-jährig im Landesklinikum St. Pölten.
„Ein Land ohne Hauptstadt ist wie ein Gulasch ohne Saft.“ Der Slogan der Werbeagentur Schretter prägte Ludwigs politisches Leben. Der Vorgänger von Erwin Pröll war von 1981 bis 1992 Landeshauptmann. Knapp drei Jahre nach Amtsantritt drängte Ludwig darauf, die Landesregierung von Wien abzusiedeln. Eine „kühne, aber durchaus realistische Vision“, hatte er gemeint. Die Bestrebungen gipfelten in der Volksbefragung 1986. Hätten sich die Niederösterreicher gegen eine eigene Landeshauptstadt ausgesprochen, wäre Ludwig zurückgetreten. Es kam anders: Am 10. Juli 1986 wurde St. Pölten offiziell Landeshauptstadt.
Leben
Der Bauernsohn Ludwig wurde am 14. Februar 1926 in Wostitz bei Znaim (Tschechien) geboren. Mit 28 Jahren trat er in nö. Landesdienst ein. 1964 zog er in den Landtag ein, 1968 wurde er Finanzlandesrat, später Landesvize. Von 1975 bis 1981 war Ludwig auch Bürgermeister seiner Wahlheimat-Gemeinde Perchtoldsdorf. Am 22. Jänner 1981 trat der Vater von zwei Kindern in die Fußstapfen von Andreas Maurer. Bis 1992 war Ludwig VP-NÖ-Obmann. Am 22. Oktober 1992 trat er auf eigenen Wunsch als Landeshauptmann zurück.
Der Alt-Landeshauptmann war bis ins hohe Alter gern gesehener Gast in der Öffentlichkeit. Wegbegleiter betonten stets seinen politischen Mut, seine Überzeugungskraft und Diskussionsbereitschaft. Seit Jänner hatte sich Ludwigs Gesundheitszustand aber zunehmend verschlechtert.
„Der Tod von Siegfried Ludwig ist ein schwerer Verlust. Er hat diesem Land ein starkes Herz und ein neues Selbstbewusstsein gegeben“, sagt Ludwigs Nachfolger Erwin Pröll. „Die Entscheidung für eine eigene Landeshauptstadt war eine Weichenstellung, von der noch viele Generationen profitieren.“
Siegfried Ludwig ist Ehrenbürger von Perchtoldsdorf und soll dort ein Ehrengrab erhalten.
„Ein Land ohne Hauptstadt ist wie ein Gulasch ohne Saft“, gilt als sein berühmtester Spruch. Mit diesem Satz hatte Siegfried Ludwig in den 80er-Jahren Geschichte geschrieben. Nach einer turbulenten Wahl 1983 und einer Zeit des Streits – seine politischen Gegner hatten ihn erfolglos in die Nähe eines Wohnbauskandals gerückt – suchte er ein Zukunftsthema. Ludwig gelang mit der Hauptstadtfrage ein Glücksgriff. Denn die Niederösterreicher folgten ihm. Ludwig wurde so zum Hauptstadtvater und St. Pölten zum Zentrum des Landes.
„Siegfried Ludwig hat sich durch sein Wirken weit über die Grenzen des Heimatbundeslandes hinaus hohes Ansehen erworben. Ich werde ihn stets in guter Erinnerung behalten.“
Heinz Fischer, Bundespräsident
„Er hat stets über alle Parteigrenzen hinweg gehandelt. Ein großer Niederösterreicher, der Geschichte schrieb, ist für immer von uns gegangen. Wir bleiben ihm dankbar für seine Verdienste.“
Ernst Höger, Ex-SPÖ-Landesvize und Wegbegleiter
„Siegfried Ludwig bleibt uns in Erinnerung als ein Politiker, der historische Meilensteine gesetzt hat.“
Matthias Stadler, SPNÖ-Vorsitzender
„Siegfried Ludwig war als NÖAAB-Obmann Vordenker für die Arbeitnehmer und als Landeshauptmann Architekt des modernen Niederösterreich.“
Wolfgang Sobotka, NÖAAB-Obmann
„Siegfried Ludwig war immer Vordenker, wenn es um die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes ging.“
Sonja Zwazl, WKNÖ-Präsidentin
„Gemeinsam mit dem Gewerkschafter Ernst Höger hat Siegfried Ludwig ein neues Land geschaffen und eine Landeshauptstadt. Die Ära Ludwig-Höger hat dem Land eine neue Identität gegeben und den Arbeitnehmern ein neues Selbstbewusstsein.“
Hermann Haneder, AKNÖ-Präsident
„Siegfried Ludwig hat über Parteigrenzen hinweg agiert und das habe ich immer an ihm geschätzt.“
Madeleine Petrovic, Grüne Landesvorsitzende
„Ein Visionär, der erkannt hat, dass ein Land auch eine eigene Hauptstadt braucht und dafür auch den Grundstein gelegt hat.“
Barbara Rosenkranz, FPÖ-Landesobfrau
„Für seine Heimatgemeinde ist es ein großer Verlust. Obwohl er seit mehr als 20 Jahren nicht mehr Landeshauptmann und seit mehr als 30 Jahren nicht mehr Bürgermeister ist, spüren wir alle den menschlichen Verlust. Das zeigt, dass er etwas richtig gemacht haben muss.“
Martin Schuster, Bürgermeister Perchtoldsdorf
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