Neuwahlen: Leichter gesagt als getan

Mitterlehner, Kern: Regierung gibt sich nicht einmal mehr die Mühe, Schein zu wahren.
Politik von innen: Was gegen ein Regierungsende spricht.

Simmering gegen Kapfenberg – so hat Vizekanzler Reinhold Mitterlehner in seiner Rede am Freitag das Innenleben der Bundesregierung beschrieben.

Man könnte sagen, das ist wenigstens ehrlich.

Watschentänze wie unlängst zwischen Finanzminister Hans Jörg Schelling, Kanzler Christian Kern und Mitterlehner auf offener Nationalratsbühne zeigen, wie sehr sich SPÖ und ÖVP auseinandergelebt haben. Sie geben sich nicht einmal mehr die Mühe, nach außen den Schein zu wahren.

Das nährt zu Recht Neuwahl-Gerüchte.

Dennoch gibt es eine Reihe von Gründen, die gegen vorzeitige Neuwahlen sprechen.

Irgendwer muss Wahl vom Zaun brechen

Neuwahlen sind leichter dahin gesagt als getan. Irgendwer muss sie vom Zaun brechen und das vor den Wählern rechtfertigen. Nach drei Durchgängen Bundespräsidentenwahl werden die Wähler von Urnengängen vorerst genug haben. Man erinnere sich: Im Jänner 2016 haben die Parteien die Bundespräsidentschaftskandidaten ausgesucht, im Jänner 2017 wird das neue Staatsoberhaupt angelobt. Der ganze Vorgang wird sich über ein Jahr hingezogen haben.

Diejenige Partei, die schon wieder eine Wahl vom Zaun bricht, wird sich nicht beliebt machen. Es gibt Indizien, dass auch Norbert Hofer am 4. Dezember die Zeche dafür zahlen könnte, dass die FPÖ die Niederlage nicht akzeptierte, zum Verfassungsgerichtshof lief und so diese ganze Misere provozierte.

Und was sollen Neuwahlen bringen?

Nehmen wir die SPÖ: Man stelle sich den Kanzler vor, wie er erklärt, dass seine Regierung gescheitert ist. Damit gesteht er auch ein, selbst gescheitert zu sein.

Jetzt werden manche "Strategen" einwenden, Kern könne die Schuld ja der ÖVP in die Schuhe schieben. Gut. Aber was sagt er dann den Wählern, mit wem er nach der Wahl besser regieren wird? Mit den Grünen? Rot-Grün kommt vermutlich gerade einmal auf 40 Prozent. Und auch die Neos, falls sie es überhaupt in den Nationalrat schaffen, werden für eine Regierungsmehrheit kaum reichen.

Im kleinen Kreis sagt Kern, er gehe davon aus, dass nach der nächsten Nationalratswahl die ÖVP mit der FPÖ koaliert, auch zum Preis, dass Heinz-Christian Strache Kanzler wird. Wenn Kern das wirklich glaubt, würde ihn eine vorzeitige Wahl den Kanzlerjob kosten. Warum also sollte er das riskieren?

Die ÖVP hat schon zwei Mal die Strafe für Neuwahlen bezahlt – 1995 und 2008 sprang sie in Richtung Kanzleramt ab, um dann erst wieder als Juniorpartner der SPÖ zu landen. 2002 hat die FPÖ ihr Lehrgeld gezahlt: In Knittelfeld hat sie einen politischen Sprengsatz unter die schwarz-blaue Regierung gelegt und wurde bei der folgenden Neuwahl schwer dezimiert.

Mitterlehner drückt das Problem so aus: "Ich kann die Wähler nicht um einen Problemlösungsauftrag bitten, wenn ich gleichzeitig an der Problemlösung scheitere."

EU-Präsidentschaft keine ausreichende Begründung

Mitterlehner hält auch die österreichische EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 für keine ausreichende Begründung für vorzeitiges Wählen: "Seit es die ständige Ratspräsidentschaft gibt, ist der Aufwand für das EU-Vorsitzland stark zurückgegangen. Außerdem haben schon mehrere Länder während der EU-Präsidentschaft gewählt." Die alte Bundesregierung bleibe ja während der Regierungsverhandlungen im Amt und könne die EU-Räte abwickeln.

Was der Vizekanzler nicht ausspricht: Es würde dann noch die EU-kompatible rot-schwarze Regierung den Vorsitz führen und nicht eine, an der die FPÖ beteiligt ist oder gar den Kanzler stellt.

Dann wäre da noch die ÖVP-Wunderwaffe Sebastian Kurz mit den sagenhaften Beliebt-heitswerten. Auch da ist ein Haken: Auf dem Stimmzettel steht nicht "Kurz" mit einem sympathischen Foto, sondern es ist "ÖVP" anzukreuzen. Mit allem, was mitschwingen mag.

Dass die ÖVP mit Kurz als Spitzenkandidat auf 30 Prozent in die Höhe schnellt, ist also keineswegs sicher. Empirisch ist schwer abzutesten, inwieweit sich Persönlichkeitswerte auf eine Partei übertragen lassen.

Woran bürgerliche Plattform scheiterte

An der Namensfrage ist übrigens auch die Kooperation zwischen Kurz, Neos und Irmgard Griss gescheitert. Eine bürgerliche Plattform hätte bedeutet, dass dieses Gebilde einen eigenen Namen bekommt (Bürger-Allianz oder Ähnliches), was wiederum zur Folge hätte, dass die Staatspartei ÖVP erstmals seit 1945 nicht auf dem Stimmzettel aufscheinen würde. Eine derartige Demütigung hätte die ÖVP nicht einmal von ihrem Liebling Kurz akzeptiert, was dieser dann auch gar nicht versuchte. Als jedoch bei den Neos ruchbar wurde, dass sie unter dem Namen "ÖVP" kandidieren sollten, fanden sie den neuen Partner plötzlich ziemlich unsexy.

Dieser Effekt ist auch bei Kurz-Fans in der Wahlzelle nicht auszuschließen.

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