Neue Regierung: Was dringend erledigt gehört

Vizekanzler Spindelegger und Bundeskanzler Faymann sind noch lange nicht handelseins. Doch auf eine neue Regierung warten ein Fülle von Problemen. Was muss unbedingt in einen Koalitionspakt?
Experten erklären, welche Maßnahmen für eine neue Regierung überfällig sind.

Wolfgang Anzengruber, Manager und Vorstandschef des Verbund-Konzerns, dem größten Stromanbieter Österreichs, verlangt von einer neuen Regierung rasche Maßnahmen im Energiebereich. Er fordert „ein Energiesystem zu gestalten, das auf der einen Seite leistbare und sichere Energie bietet und in weiterer Folge natürlich auch den ökologischen Wandel hin zu Erneuerbarer Energie begünstigt“.

Wachstum fördern

Im Wesentlichen gehe es darum, dem Wirtschaftsstandort Österreich und auch den Konsumenten „eine Wachstumsperspektive zu geben“, sagt der Spitzenmanager. Derzeit gebe es jedoch eine „Stagnationsperspektive“. Es liege an den handelnden Personen einer neuen Bundesregierung, dass man das in den nächsten fünf Jahren auch sicherstellen könne, und nicht in eine gegenseitige Behinderungspolitik verfalle.

Raschen Handlungsbedarf sehe er auch für eine Umgestaltung des europäischen Strommarktes angesichts der neuen Marktverzerrungen durch die deutsche „Energiewende“.

Doris Felber, Unternehmerin, fühlt sich von der Politik schon lange im Stich gelassen. „Diese Machtkämpfe in der Politik müssen zuerst einmal ein Ende haben. Es haben doch alle das Gefühl, dass die Politiker zuerst an sich denken, dann an die Partei und erst danach an Österreich – und das mit einem Weitblick von maximal fünf Jahren, bis zur nächsten Wahl.“ Damit gehe die Notwendigkeit, für die kommende Generation zu planen, verloren. „Der Strolz (Neos-Chef, Anm.) ist doch in den Wald meditieren gegangen. Das sollten alle Politiker machen, bevor sie Entscheidungen treffen, damit sie endlich einmal nachdenken, und endlich da anpacken, wo die Not groß ist.“

Dann brauche es sofort eine Steuerreform, um die Lohnnebenkosten zu senken. „Leider Gottes kann ich nicht die Löhne in meinen Betrieben derart hochschrauben, dass etwa eine Verkäuferin, die Alleinerzieherin ist, auch gut überleben kann“, sagt die Bäckerei-Chefin.

Außerdem bauche es eine vernünftige Bildungsreform: „Warum lernen unsere Kinder in den Schulen nicht mehr Sprachen?“

Stefan Schleicher, Umweltökonom, verlangt beim Thema Klimaschutz umfangreiche Maßnahmen. Wie berichtet hat Österreich seine Klimaschutzziele deutlich verfehlt, und musste rund 600 Millionen Euro an Strafe zahlen. Jetzt brauche es eine Einigung auf ein Energiekonzept. Dringend eingebunden werden müssten dabei die Bundesländer mit ihren Landesenergieversorgern. Danach sollten Ökostromgesetz und Energieeffizienzgesetz reformiert werden.

Energie sparen

„Bei der Energieeffizienz braucht es viel mehr Anreize, damit sich die Energiewirtschaft mehr als Dienstleister und weniger als Energieverkäufer sieht.“ Nur so wären Einsparungen zu realisieren.

Schleicher drängt zudem auf eine ökosoziale Steuerreform: Der Tanktourismus solle durch eine Anhebung der Spritpreise eingedämmt werden. Die Mehreinnahmen müssten zweckgebunden in den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs fließen. Schleicher plädiert für ein neues Ministerium, in welchem man „Innovation, Energie und Umwelt integriert“.

Karl Aiginger, Leiter des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, hofft auf eine kurze Zeit der Regierungsbildung, und eine „Reformpartnerschaft“ mit Experten und Sozialpartnern als „dritte Kraft“.

„Leider braucht es zuerst einen Kassasturz, damit wir wissen, wie verschuldet wir sind und was die Hypo Alpe Adria benötigt.“ Dann müsse rasch klar werden, wie groß der Wille ist, Einschnitte bei den Ausgaben zu machen, in der Verwaltung, im Gesundheitsbereich oder bei Förderungen. „Ich glaube, dass man da bis zu zehn Milliarden Euro kommen kann.“

Österreich benötige rasch finanzielle Mittel für „Zukunftsausgaben“, sagt Aiginger: „ Bildung, Forschung, da ist bisher nur viel versprochen worden.“

Dringend notwendig sei dann eine Steuersenkung. Der Faktor Arbeit sei viel zu hoch besteuert, „jede Lohnerhöhung wird zu einem großen Teil sofort von der Steuer aufgefressen. So können keine Arbeitsplätze geschaffen werden.“ Denn ohne rasche Reform, sagt der Forscher, werde die Arbeitslosigkeit weiter steigen.

Heinz Engl, Rektor der Universität Wien, verlangt, dass Forschung und Bildung zentrale Themen des Regierungsprogramm werden. „Wir brauchen ein Konzept mit konkreten Zielen für die Weiterentwicklung des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts, verbunden mit Investitionen in die Forschung, in die Lehre sowie in die dafür notwendige Infrastruktur.“

Innovation fördern

Engl fordert eine jährliche Steigerung der Mittel für Grundlagenforschung und tertiäre Bildung um zehn Prozent über die nächsten Jahre. Grundlagenforschung sei die Basis für Innovationen, hochwertige Arbeitsplätze entstünden dort, wo es exzellente Grundlagenforschung gibt. „In der Schweiz ist Grundlagenforschung dreimal höher dotiert als in Österreich, das zeigt Wirkung, die Schweiz ist die wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft der Welt.“

Zudem müsse Österreich in allen Studienrichtungen zu Betreuungsverhältnissen kommen, die etwa mit der Uni Zürich vergleichbar sind. „Das Modell der Studienplatzfinanzierung wartet auf seine Umsetzung.“

Christian Morawek, Chef des Verbandes der Elternvereine, die Interessensvertretung für die Eltern und Elternvereine von über 1,2 Millionen Pflichtschülern, drängt dazu, die Reformen im Schulbereich weiter zu führen. „Ich glaube, dass die Reform auch beim Lehrerdienstrecht schon weit gediehen und gut ist.“

Mit Nachdruck fordert er von einer neuen Regierung, den Ausbau der gemeinsamen Schule, insbesondere in der ganztägigen verschränkten (Unterricht über den Tag verteilt) Form, flächendeckend zu forcieren, sofern die Nachfrage gegeben ist. „Dabei muss man den Eltern immer die Wahlfreiheit lassen“, betont der Elternvertreter.

„Ein Herzensanliegen meinerseits ist außerdem, die Sprachförderung im Kindergarten und in der Volksschule zu verbessern. Das gilt vor alle für Gegenden mit hohem Migrationsanteil.“

Am öftesten würden sich Eltern bei seinem Verband über einzelne Lehrer beschweren, Morawek drängt darauf, dass die Schulpartnerschaft an den Schulen nicht vernachlässigt wird.

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