Neue pinke Chefin: Erst Flügel heben, dann Härte zeigen
Die einen nennen es „Ehrgeiz“, die anderen „ Verbissenheit“. Was viele als „selbstbewusst“ empfinden, wirkt auf manche „arrogant“. „Sie weiß, was sie will“, meinen jene, die mit ihr gearbeitet haben. „Sie kämpft mit dem Bihänder, nicht mit dem Florett“, stellen politische Mitbewerber fest.
Man mag von ihr halten, was man will, aber eines ist Beate Meinl-Reisinger, die heute zur neuen Neos-Chefin gewählt wird, sicher nicht: unscheinbar.
Und das ist für jemanden, der einer schillernden Polit-Figur wie Matthias Strolz nachfolgt, ja etwas Positives. Aus ihrem Umfeld hört man, dass sie selbst befürchtet, in seinem Schatten zu stehen. Er, der wortgewaltige, freche Vorarlberger. Sie, die kühle, resolute Wienerin. Gegenüber dem KURIER erklärt die 40-Jährige, sie habe „nicht einmal ansatzweise“ vor, in Strolz’ Fußstapfen zu treten – und man hört ihr an, dass sie die Frage langsam nervt. „Ich habe vor, meine eigenen zu hinterlassen.“
„Haare auf den Zähnen“
Beate Meinl-Reisinger startete ihre Karriere (wie viele Pinke) bei den Schwarzen. Nach dem Studium ging sie als Assistentin bei EU-Parlamentarier Othmar Karas in die Polit-Lehre und war später Referentin für Familie und Integration bei der ehemaligen Staatssekretärin Christine Marek, die sie in die Wiener Stadtpolitik begleitete.
Karas, der Meinl-Reisinger als 27-Jährige in sein Team holte, hat den Kontakt seither mit ihr gehalten – und ihm fällt so einiges zur ambitionierten Pinken ein: „Sie ist ein Energiebündel und sehr von sich selbst überzeugt. Sie hat keine Angst, anzuecken und ist dabei nicht immer sehr diplomatisch.“ Für die Opposition im Parlament könne sie nur ein Gewinn sein. „Sie wird die Auseinandersetzung nicht scheuen und damit ihre Verantwortung als Politikerin, die für ihre Werte kämpft, sehr gut wahrnehmen.“
Ähnliches weiß ihre Ex-Chefin Marek zu erzählen: „Sie hat durchaus Haare auf den Zähnen – da, wo es notwendig ist, und im positivsten Sinne. Die, die sie unterschätzen, werden sich warm anziehen müssen.“
Die ÖVP war Meinl-Reisinger, die im Jahr 2012 gerade ihre zweite Tochter geboren hat, zu sehr „law & order“, also kehrte sie den Schwarzen den Rücken und baute an der Seite von Strolz die Neos auf.
Das ist auch der Grund, warum sich Meinl-Reisinger nicht den Stiefmutter-Stempel aufdrücken lässt – sie war ja maßgeblich daran beteiligt, das pinke Baby aufzuziehen und 2013 in den Nationalrat zu hieven. In Wien hat sie dann die Landespartei aufgebaut und zog 2015 mit vier Abgeordneten in den Gemeinderat ein.
„In der Mitte abholen“
Die Neos sollen eine „Partei der Mitte“ bleiben, „an der man nicht mehr vorbeikommt“, erklärt Meinl-Reisinger im KURIER-Gespräch. Gerade jetzt, da die Diskussionen am linken und am rechten Rand immer hitziger werden, stünden viele Menschen ohne Stimme in der Mitte – und die wolle man auch am Land, in den Regionen abholen. Ihre Schwerpunkte: Europa, Rechtsstaatlichkeit und Bildung.
Meinl-Reisinger will mit den anderen Oppositionsparteien eine stärkere Front gegen Türkis-Blau bilden, aber auch in Gesprächen mit ÖVP und FPÖ ausloten, bei welchen Themen man in Richtung Zweidrittelmehrheit zusammenwirken könnte. Zu ihren Oppositionskollegen überlegt sie: „Mit der Liste Pilz könnten wir im Bereich Kontrolle zusammenarbeiten, sofern das nicht zur Ego-Show wird. Mit der SPÖ gibt es viele inhaltliche Differenzen, aber beim Europa-Thema könnten wir auf einen Nenner kommen.“
Eines sei aber klar: „Politik passiert nicht am Rednerpult im Nationalrat, sondern tagtäglich auf den Straßen, in den Vereinen, in den Schulen und am Küchentisch.“ Deshalb will die Wienerin unter die Leute – im Sommer ist eine Tour durch Österreich geplant. Der Partei haftet trotz neuer Regierungsbeteiligung in Salzburg der Ruf eines „urbanen Phänomens“ an. Damit soll Schluss sein.
Und was sagt Meinl-Reisinger zu ihrem eigenen Ruf? „Solche Zuschreibungen sind lustig, weil sie bei Frauen in der Politik ganz anders wirken als bei Männern“, sagt sie lachend. Sie selbst beschreibt ihren Oppositionsstil mit zwei Worten: „Konstruktive Härte“. Eine gewisse „Lust zum Konflikt“ könne sie nicht abstreiten.
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