Neue Mehrheiten gesucht: Das Balzen um die grauen Mäuse

Um Robert Lugar und sein Team Stronach gibt es jetzt ein G’riss.
Kanzler Kern hat "freies Spiel der Kräfte" ausgerufen, jetzt wittern die Hinterbänkler ihre Chance.

Der Stoff ist bekannt aus Hollywood-Filmen, etwa am Schauplatz High School: Die graue Maus – von allen übersehen, am Gang geschubst – steht auf einmal im Mittelpunkt, wird am Ende Ballkönigin und schleppt den coolsten Jungen der Schule ab.

In einer ähnlichen Wandlungsphase sehen sich gerade zehn Abgeordnete – sechs vom Team Stronach und vier Fraktionslose. Nach dem Aufkündigen der Koalition ist das Interesse an ihnen groß. Im "freien Spiel der Kräfte" im Nationalrat könnten ihre Stimmen in den Konstellationen Rot-Grün-Pink bzw. Schwarz-Blau entscheidend sein.

Wer also am Ende im Arm von SPÖ-Kanzler Christian Kern und wer mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz abzieht – das wird spannend.

Das Team Stronach hatte vergangene Woche mit Kern zumindest schon ein "erstes Date", bei dem gemeinsame Interessen abgeklopft wurden. "Wir sind den ’Plan A’ durchgegangen und haben 23 Punkte herausgefiltert, die wir mittragen könnten", erklärt Klubchef Robert Lugar. Darunter die Senkung der Lohnnebenkosten und die Joboffensive für ältere Langzeitarbeitslose (Aktion 20.000). In der Flüchtlingsfrage sei man eher auf ÖVP-Linie, sagt Lugar. "Von Fall zu Fall" werde man sich dem vernünftigeren Vorschlag anschließen – was im Hohen Haus eigentlich Normalzustand sein sollte, betont der Team-Stronach-Chef. "Bisher ist die Regierung über uns drübergefahren, aber das ist jetzt vorbei. Jetzt ist jeder wichtig."

Neue Mehrheiten

Vorausgesetzt natürlich, dass dieses "freie Spiel" überhaupt stattfindet – was viele Oppositionsvertreter bezweifeln. Die ÖVP hatte bereits angekündigt, nicht gegen ihren Noch-Partner zu stimmen und sich bis zur Wahl am 15. Oktober strikt an das gemeinsam verhandelte Programm zu halten. Die SPÖ sucht andere Mehrheiten, ist derzeit aber noch pakttreu.

Eine Situation, die sich stündlich ändern kann, glaubt Lugar. Er sieht darin eine große Chance, ein "Casting", wenn man so will: "Der Bürger kann jetzt beobachten, welche Partner sich bei welchen Maßnahmen zusammentun. Das zeigt, welche möglichen Konstellationen sich für die nächste Regierung ergeben könnten."

Leo Steinbichler, zuständig für Landwirtschaft und Konsumentenschutz, lässt ein etwaiges Balzverhalten kalt – der "Agrarrebell" aus Oberösterreich will Themen vorgeben, offensiv sein: "Von parteipolitischen Spielchen haben die Bürger die Nase voll, da mache ich nicht mit."

"Brutale Schlacht" um Mehrheit

In der hintersten Reihe im Plenarsaal, zwischen Blauen und Schwarzen, sitzen die vier "wilden Abgeordneten". Die Hinterbänkler sind entweder noch ohne Plan, oder klug genug, sich nicht in die Karten schauen zu lassen. "Kein Kommentar", heißt es beim KURIER-Lokalaugenschein von den Salzburger Ex-FPÖ-Mandataren Rupert Doppler und Gerhard Schmid, während die ehemalige Grazer Freiheitliche Susanne Winter in der Sitzung mit ihrem iPad verwachsen zu sein scheint.

Einzig Marcus Franz, der über das Team Stronach in den Nationalrat gekommen ist und später ein Intermezzo bei der ÖVP hatte, lässt Vorfreude durchblitzen: "Es wird eine brutale Schlacht zwischen Kern und Kurz." Franz sieht sich irgendwo in der Mitte als "Ritter der Wahrheit", um beim brachialen Bild zu bleiben. Den gespaltenen Großkoalitionären richtet er aus: "Ich bin niemandem etwas schuldig. Jetzt schlägt die Stunde des freien Mandats."

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