Neos-Schulranking: "skurriler Vorschlag"

Neos-Schulranking: "skurriler Vorschlag"
Die Neos wollen Bildungsdaten transparent machen und die Qualität von "Brennpunktschulen" verbessern. Der Bildungsstandard soll nach Londoner Vorbild erhöht werden. Ein nur schwer umsetzbarer Vorstoß, sagen Experten.

Auf den letzten Metern bringen die Neos jetzt noch eine Idee aus London in den Wahlkampf ein.

Schulen in der britischen Metropole hatten Anfang der 2000er Jahre das schlechteste Bildungsniveau des Landes. Das wurde über standardisierte Bildungstests ermittelt, deren Ergebnisse in England schon lange gesammelt und veröffentlicht werden.

Die "London Challenge" ist eine Initiative, die seit 2003 das Niveau der Schulen massiv verbessert hat: durch Maßnahmen wie massive Förderungen, einen Berater pro Schule für den Veränderungsprozess, Kooperationen zwischen den Schulen und Personalumschulungen sowie Entlassungen. Anders als in Österreich ist das britische Schulsystem schon immer sehr transparent mit Leistungsdaten umgegangen.

"Österreich Challenge"

Die Neos wollen nun die nach einheitlichen Kriterien ermittelten 500 besten bzw. schlechtesten Schulen veröffentlichen. Also de facto ein Ranking erstellen, auch wenn sie es ausdrücklich nicht so nennen wollen. Die Daten wurden laut Neos anhand der Bildungsstandard-Tests (BIST) von ÖVP-Bildungsminister Faßmann erhoben (die BIST sind periodische Überprüfungen der Bildungsstandards, bei denen die erworbenen Kompetenzen bis zur vierten bzw. bis zur achten Schulstufe evaluiert werden).

Wie in London sollen für die "schwachen" Schulen Berater herangezogen werden und mehr Ressourcen und Personal zur Verfügung gestellt werden. Außerdem wolle man die "besten Lehrer" in die "schlechtesten Schulen" schicken, jährliche Berichte und Qualitätsmessungen erstellen sowie "klare Konsequenzen" ziehen. Das bedeutet: Bei fehlendender Qualitätsverbesserung, trotz Expertenberatung und Förderungen, sollen Lehrpersonal und/oder Direktoren entlassen werden können. In Extremfällen sollen die Schulen gar zwecks "Reorganisation und Neugründung" geschlossen werden.

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Vorsitzender der Gewerkschaft für Pflichtschulehrerinnen und Pflichtschullehrer

Stadt, Land, Transparenz

Der Vorschlag wird bei Experten ambivalent aufgenommen. Paul Kimberger, Vorsitzender der Gewerkschaft für Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer, zeigt sich schockiert von "diesem skurrilen Vorschlag". Bildungsdaten seien höchst sensibel und dürften nicht veröffentlicht werden. "Wir sind nicht in der Wirtschaft. Es geht um Menschen mit unterschiedlichen Begabungen und auch Defiziten. Und nicht um Produkte, die man nach einer Qualitätsmessung wegwerfen kann."

Außerdem ist Kimberger besorgt über die "klaren Konsequenzen" für das Personal und warnt vor Vergleichen zwischen Schulen. "In Österreich gibt es ein großes Stadt-Land Gefälle. In Wien-Favoriten sind die Lehrer mit anderen Herausforderungen konfrontiert als in ländlichen Gebieten." Wenn ein Konzept nicht aufgeht, könne man nicht mit der Keule kommen, sagt Kimberger im KURIER-Gespräch. "Wer so etwas vorschlägt, hat keine Ahnung von Bildung, Pädagogik und Schulen."

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Problematische Vergleiche

Etwas weniger kritisch gibt sich Andreas Salcher, Mitbegründer der Sir-Karl-Popper Schule. Er befürwortet die Transparenz aller Bildungsdaten bis zur Zentralmatura. Allerdings sei die Initiative nur bei vergleichbaren Schultypen und innerhalb einer sozialen Kategorie umsetzbar. Denn "man kann keine Brennpunktschule mit einer Privatschule vergleichen", sagt Salcher.

Auch Heidi Schrodt, Vorsitzende der Bildungsinitiative "BildungGrenzenlos", sieht Schwierigkeiten im Vergleich zwischen den Schulen: da es in Österreich im Bereich der Sekundarstufe I verschiedene Schultypen gibt - Gymnasium und Neue Mittelschule (NMS). Einen Versuch, ähnlich der Londoner Challenge, könne man in den NMS starten, schlägt Schrodt vor. Hier könnte man verschiedene NMS vergleichen und diese kooperieren lassen. Als Qualitätsmerkmal könne man heranziehen, wie viele Schüler anschließend weiterführende Schulen besuchen.

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Schrodt sieht kaum Übertragungsmöglichkeiten der Londoner Challenge auf die Bundesebene in ganz Österreich. "Die London Challenge ist eine Systemveränderung innerhalb einer Stadt gewesen und daher auch nicht auf ein ganzes Land wie Österreich übertragbar." In Österreich liegen die Kompetenzen für die Schulen im Bund, bei den Ländern und Gemeinden. "Für Großstädte oder aber auch für einzelne Bundesländer wäre ein solches System ein interessanter Ansatz."

Anders als der Gewerkschafter Kimberger nähert sich Andreas Salcher in einem weiteren Punkt dem Neos-Vorstoß an. "Im Sinne einer Qualitätsüberprüfung muss in manchen Fällen auch das Leitungsteam ersetzt werden", sagt er. Außerdem fordert er eine zeitliche Begrenzung für den Posten des Direktors - wenn ein Direktor die Ziele für seine Schule mehrfach verfehlt, solle dieser gehen. "Die Schließung einer Schule ist allerdings keine wirkungsvolle Konsequenz."

In einem Punkt sind sich nahezu alle einig. Und zwar, dass man schulische Leistung durch Unterstützung des Lehrpersonals fördern kann. Bildungswissenschafter John Hattie setzte mit seiner Studie "Lernen sichtbar machen" ("Visible Learning") einen Meilenstein in der empirischen Bildungsforschung. Bereits vor einigen Jahren stellte er fest, dass strukturelle Maßnahmen und Investitionen alleine wenig bewirken. Entscheidenden Einfluss auf die schulische Leistung haben vor allem Lehr­personen. "Wichtiger als das, was Lehrpersonen im Unterricht machen, ist, wie und warum sie es tun. In der Gemeinschaft aller Teilnehmer werden die besten Ergebnisse erzielt."

Diana Dauer

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