Kritik an Türkis-Blau: "So viel Missachtung gab’s noch nie"

Kritik an Türkis-Blau: "So viel Missachtung gab’s noch nie"
Im Parlament herrscht dicke Luft, weil sich die Opposition seit Monaten von Türkis-Blau gefrotzelt fühlt.

Nachdem in den Schulen die Zeugnisse verteilt wurden, es sich auf den Autobahnen gen Süden bereits staut und das Interesse an innenpolitischen Vorgängen aufgrund der Sommerferien zu sinken beginnt, wird im Parlament noch einmal heftig debattiert: Denn auf Verlangen der SPÖ wird im Hohen Haus am Freitag eine Sondersitzung als Protest gegen die Einführung des 12-Stunden-Tages über die Bühne gehen. Und weil er und Kanzler Sebastian Kurz vorher leider verhindert seien, müsse man die Sitzung eben an diesem für die Opposition undankbaren Termin abhalten, erklärte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ( ÖVP) jüngst.

Neos: "Tiefpunkt"

Es ist dies nur eine von vielen Episoden im Parlament, in denen sich die Opposition von der Regierung gefrotzelt fühlt, wie Neos-Vizeklubchef Nikolaus Scherak zum KURIER sagt: „Die Beziehung zwischen Regierung und Parlament ist an einem Tiefpunkt angelangt. So viel Missachtung gegenüber der parlamentarischen Praxis hat es wirklich noch nie gegeben.“

Der Oppositionelle behauptet, dass die Regierung „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern versucht, dass es ein starkes Parlament als Kontrollorgan gibt“. Um dies zu untermauern, zählen die Pinken nun sieben türkis-blaue Parlamentssünden der vergangenen Monate auf:

1. Verkürzung von Debatten:

Wie schon bei der Aufhebung des Rauchverbots brachten die Regierungsparteien die Arbeitszeitflexibilisierung via Initiativantrag ein – so fällt eine Begutachtung des Gesetzes weg, womit die Regierung wiederum eine für sie unangenehme Debatte verkürzt. Parlamentarische Gepflogenheit war stets eine Begutachtung über sechs Wochen – die Arbeitszeitflexibilisierung wird allerdings schon drei Wochen nach der Beantragung beschlossen. Beim Überwachungspaket betrug die Begutachtung nur drei Wochen, ein Datenschutzgesetz wurde gar nur zwölf Tage begutachtet – für das ordentliche Prüfen eines gesetzlichen Vorhabens sei dies zu kurz, so Scherak.

2. Versteckte Änderungen:

Zum Datenschutz-Deregulierungsgesetz wurde erst am Tag des Beschlusses ein Abänderungsantrag des eigentlichen Vorhabens eingebracht. Prüfen konnte die Opposition dies kaum mehr.

3. Expertenkritik nur geheim:

In Experten-Hearings ist es Fraktionen in Ausschüssen erlaubt, externe Auskenner zum debattierten Gesetz Stellung beziehen zu lassen – das ist in der Regel öffentlich. Nicht so beim Überwachungspaket: Da wurde eine öffentliche Ausschusssitzung von Türkis-Blau verhindert.

4. Verfassungsrichter-Hearings:

Noch bevor sich alle Kandidaten bei den Abgeordneten beworben hatten, sickerte bereits durch, wer kraft der koalitionären Mehrheit den vom Nationalrat vergebenen VfGH-Sessel erbt. „Eine Farce“, so die Neos.

5. Präsidenten-Rochade:

Während der Koalitionsverhandlungen ließen sich die Minister-Fixstarter Elisabeth Köstinger und Norbert Hofer mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ zu Nationalratspräsidenten wählen. Köstinger bekleidete damit nur 39 Tage das formal zweithöchste Amt der Republik – damit wurde es laut Kritikern zum „Durchhaus“.

6. Abwesenheiten:

Vor allem Kanzler Kurz fehle häufig die Zeit, um auf der Regierungsbank Platz zu nehmen, klagt Neos-Vizechef Scherak. Bei mehreren an Kurz gerichteten Aktuellen Stunden der Opposition ließ sich der Bundeskanzler bereits vertreten.

7. EU-Ratspräsidentschaft:

Die Neos kreiden an, dass das Parlament kaum am Programm der EU-Ratspräsidentschaft mitwirken durfte. Weil man mit Ministern nur schwierig Termine für den EU-Hauptausschuss finde, sei man in EU-Fragen generell kaum eingebunden.

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