Nehammer: "Veto bleibt, solange das System dysfunktional ist"
Ist Österreich gegenüber den Erdbebenopfern in der Türkei und auch im Streit um die Schengenerweiterung unsolidarisch? Die Journalistenfrage, gestellt in einer Pressekonferenz, lässt Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) beinahe emotional werden. Das sei keine Härte, sondern die konsequente Fortsetzung der Linie "Hilfe vor Ort". Österreich habe nicht nur drei Millionen Euro Soforthilfe aufgestellt, sondern auch das Bundesheer in die Türkei entsandt: eine Mission, die noch eine Zeit lang fortgesetzt werde. Man werde die Menschen mit Aufbauprogrammen unterstützen. Deutschland hingegen will Erdbebenopfern mit deutschen Angehörigen unbürokratisch Visa erteilen, Nehammer lehnt das ab.
"Samma liab, hupfen mit"
Auch das Veto Österreichs gegen die Schengen-Erweiterung auf Bulgarien und Rumänien bleibe aufrecht, "solange das System dysfunktional" sei. Und dass es das ist, beweise allein die deutsche Praxis der Binnen-Grenzkontrollen gegenüber Österreich. "Wenn eh alles so schön und gut in Schengen ist, dann könnte man das ja aufheben", sagte der Kanzler. Abgesehen davon habe Deutschland seinerzeit auch Österreichs Schengen-Aufnahme blockiert, weil man uns zunächst nicht zugetraut habe, die Grenzen zu Slowenien und Ungarn zu schützen. Österreich sei damals nicht ausgeflippt.
"Wir sind nicht unsolidarisch, aber wir haben die Verpflichtung, Bürger-Interessen zu vertreten. Es kann nicht der der Buhmann sein, der auf Probleme hinweist." Und es sei auch keine Lösung, in der EU immer zu sagen: "nur kane Wellen, samma liab und hupfen mit".
Weniger Unregistrierte
Aus Sicht des Kanzlers war der letzte EU-Rat zur Migration ein großer Erfolg Österreichs. Endlich sei das Thema auf der Agenda gewesen. Die EU werde nun koordiniert bei Rückführungsabkommen vorgehen. Die Debatte könne auch keineswegs nur auf "Zäune ja oder nein" reduziert werden. Es gehe um Infrastruktur für den Grenzschutz, also auch um Schiffe, Hubschrauber und Drohnen.
"Fluchtbewegungen" sollten verhindert und die hohe Zahl an unregistrierten Menschen, die in Österreich Asylanträge stellen, reduziert werden. 75.000 waren es 2022, die davor aber schon etliche EU-Grenzen überschritten hätten.
"Geschichte der Freiheit"
Und was ist nach dem geplanten NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens mit Österreichs Neutralität? "Wir haben einen anderen Bezug dazu", meint der Kanzler, er würde sie nicht leichtfertig aufgeben. Für Österreich sei "die Geschichte der Neutralität eine Geschichte der Freiheit". Bei der Ukraine stehe man jedoch klar auf der Seite der EU.
"Gelassen" sieht der Kanzler die Ermittlungen gegen sich in der Cobra-Affäre rund um betrunkene Personenschützer. Grundlage dafür sei ein "Pamphlet", das "falsch" sei. Er vertraue auf die Behörden in Österreich.
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