EU-Gipfel sieht weitere Sanktionen für Russland vor

Austrian Chancellor Nehammer in Switzerland
Nehammer will sich einem neuen Investitionspaket "nicht verschließen". Österreich steigt bei schnellerem EU-Betritt der Ukraine auf die bremse.

Der Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag im französischen Versailles soll laut Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) ein "Zeichen des Friedens" setzen. Die Europäische Union unterstütze die Ukraine "mit dem, was wir am besten können, nämlich mit friedlichen Mitteln", sagte Nehammer am Donnerstag in Paris. Einerseits seien Sanktionen entscheidend, andererseits brauche es einen Waffenstillstand und humanitäre Korridore.

 

EU sieht weitere Sanktionen vor

Thema am Donnerstag und Freitag auch weitere Sanktionen gegen Russland, Hilfen für die Ukraine und eine Antwort auf den durch die russische Invasion befürchteten Wirtschaftseinbruch gehen. EU-Diplomaten hatten statt eines Beitritts für die Ukraine eine "Assoziierung plus plus" ins Gespräch gebracht, also eine engere Anbindung der Ukraine an den EU-Binnenmarkt. Beaune unterstrich das Ziel der EU, sich von russischen Energielieferungen unabhängig zu machen.

Von Russland wird eine sofortige Waffenruhe im Krieg in der Ukraine verlangt. Mit Blick auf den am 28. Februar gestellten Antrag der Ukraine für einen Beitritt zur Europäischen Union heißt es, dass man unabhängig von dieser Prüfung die Beziehungen stärken und die Partnerschaft mit dem Land vertiefen wolle.

Hilfsfonds

Paris hatte einen erneuten EU-Hilfsfonds nach dem Vorbild des Corona-Wiederaufbaufonds ins Gespräch gebracht, mit dem die europäische Verteidigung und Energie-Versorgungssicherheit gestärkt werden soll. Der Corona-Fonds hat ein Volumen von 750 Milliarden Euro, die EU-Kommission kann dabei selbst Kredite aufnehmen. In etlichen EU-Staaten wie zum Beispiel den Niederlanden stieß der französische Vorschlag aber auf Skepsis.

Ungarn boykottiert Öl und Gas nicht

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán erteilte dem Boykott von Öl- und Gasimporten aus Russland, wie das die USA getan haben, als weitere Sanktionen eine Absage: "Ich habe klargestellt, wir können dem Beispiel der Vereinigten Staaten nicht folgen, sie haben gestern die Sanktionen gegen die Einfuhr dieser Produkte verhängt. Dies würde für Ungarn eine nicht tragbare Last bedeuten, deshalb kommt es nicht infrage, dass wir uns diesen Sanktionen anschließen, wir benötigen auch weiterhin das Gas und das Öl, das aus Russland kommt", erklärte Orbán am Mittwoch auf Facebook.

Humanitäre Hilfe im Vordergrund

Die humanitäre Hilfe für die Ukraine stehe "jetzt hier im Vordergrund", betonte der Bundeskanzler am Rande eines Treffens der Europäischen Volkspartei (EVP) im Vorfeld des EU-Gipfels. Auch sollen Menschen, die das Land verlassen wollen, in der Europäischen Union aufgenommen werden.

Im Rahmen des Gipfels steht auch die EU-Beitrittsperspektive der Ukraine zur Debatte. Die EU müsse jetzt solidarisch zur Ukraine stehen, "unkompliziert und unbürokratisch", plädierte Nehammer. Das Beitrittsverfahren sei hingegen ein "unglaublich langer Prozess". Die EU-Kommission prüfe den Antrag, "aber entscheidend ist, dass wir jetzt der Ukraine helfen".

EU-Betritt

Der EU-Ratspräsident Charles Michel kündigt an, die EU werde "in den kommenden Tagen über den Beitrittsantrag der Ukraine diskutieren". Während unter anderem Österreich und Deutschland auf die Bremse steigen, verlangen östliche EU-Staaten wie Polen und Slowenien eine Beitrittsperspektive für die Ukraine.

Bremsend reagiert auch der derzeitige französische EU-Ratsvorsitz. Das Thema sei "nicht für morgen", so der französische Europaminister Clement Beaune am Donnerstag vor dem informellen Gipfel der 27 EU-Staats- und Regierungschefs. "Es wird Zeit brauchen". Allerdings schloss er dies für die Zukunft nicht aus.

"Müssen auch in der Krise investieren"

Um die Folgen der EU-Sanktionen gegen Russland abzufedern, wird in der EU ein neues Investitionspaket diskutiert. Diesem wolle man sich "nicht verschließen", sagte Nehammer weiter. "Wir haben immer klar gesagt, wenn eine Krise da ist, müssen wir auch in die Krise investieren, um die Wirtschaft und Arbeitsplätze zu sichern, diese Linie bleibt gleich."

Ein weiteres Thema des Treffens ist die Energieversorgung. "Unsere Hauptaufgabe ist, die Menschen in der Europäischen Union zu schützen, das tun wir, so gut es geht", sagte der Kanzler. Die Versorgungslage "muss klar und gesichert sein".

Gemeinsame Verteidigung

Die EU-Staats- und Regierungschefs werden sich auch mit der Frage der "gemeinsamen Verteidigung" beschäftigen, betonte Nehammer. Dabei gehe es um die Erhöhung ihrer Verteidigungsbudgets sowie die Herstellung von Interoperabilität innerhalb der Union. Der Bundeskanzler hatte zuletzt angekündigt, das heimische Verteidigungsbudget auf mindestens ein Prozent des BIP erhöhen zu wollen.

Heute sei zudem ein "ganz wichtiger Tag", betonte der Bundeskanzler mit Blick auf das Treffen der Außenminister der Ukraine und Russland in der Türkei. Die EU werde alles dafür tun, dass die "Dialogbereitschaft wieder hergestellt" werde. Es werde auch daran gearbeitet, dass Russland und die Ukraine "direkt miteinander" reden, so Nehammer. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj müsse die Möglichkeit haben, mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin zu sprechen.

Der belgische Premier Alexander de Croo bezeichnet de Krieg in der Ukraine als 9/11 Europas. Auf der Gipfelagenda ist auch eine Debatte um ein europäisches Wachstums- und Investitionsmodell für 2030. Dabei spielen die Defizit- und Schuldenregeln im Stabilitäts- und Wachstumspakt eine zentrale Rolle.

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