Männer mit Spin: Die Wahlkämpfer im Hintergrund
Sie trainieren und coachen die Spitzenkandidaten und sind für deren optimale Vermarktung zuständig. Die Wahlkampfleiter der jeweiligen Parteien haben es mit in der Hand ob Sebastian Kurz den Umfragen gemäß Erster wird, ob Pamela Rendi-Wagner oder doch Norbert Hofer als Zweite oder Zweiter über die Ziellinie geht.
Sie managen den gesamten Wahlkampf, von den internen Umfragen, den täglichen Aussendungen, der breit gefächerten Medienarbeit, bis hin zu den wichtigen Auftritten ihrer Schützlinge im Fernsehen oder auf social media.
Sie steuern Heerscharen an Mitarbeitern und Freiwilligen, die alle nur ein Ziel kennen: Ihrer Partei zum Sieg zu verhelfen.
Exakt fünf Wochen vor der Nationalratswahl 2019 gewähren die Wahlkampfleiter aller im Parlament vertretenen Parteien plus den Grünen einen Blick hinter die Kulissen der jeweiligen Wahlkampfzentralen und schildern, wie der jeweilige Kandidat so tickt.
Der Wahlkampf spielt sich am Handy ab
Er ist Oberleutnant und manchmal „mehr General als Sekretär“, wie ÖVP-Chef Sebastian Kurz ihn im EU-Wahlkampf charakterisierte. Jetzt führt Karl Nehammer den Wahlkampf mit „dem gleichen Team wie 2017“, aber unter anderen Vorzeichen.
Die Wahlkampfkosten würden diesmal strikt eingehalten, aus dem „Team Kurz“ wurde „Wir für Kurz“ und der Slogan „Unser Weg hat erst begonnen“. Den bestreitet die ÖVP im Gegensatz zum Mitbewerb vorerst ohne Plakate.
„Wir verzichten nicht. Wir fangen nur später an, weil wir den Menschen einen ewigen Wahlkampf ersparen wollen,“ so Nehammer. Unabdingbar sei anderes. Teamfähigkeit („Entscheidend ist, dass jeder weiß, was er zu tun hat. Das beginnt bei Bundesgeschäftsführer Axel Melchior und mir, die wir für strategische und politische Organisation zuständig sind“), Disziplin und ein militärischer Grundsatz. „Durch Vorbild führen. Ich kann nichts von meinen Mitarbeitern verlangen, was ich nicht selbst bereit bin zu tun. Das passt gut in meine Biografie, weil ich schon in den 1980er Jahren mit Zettel verteilen bei jedem Wind und Wetter begonnen habe. Der Wahlkampf von Alois Mock war einer meiner ersten.“
In der niederösterreichischen ÖVP habe der 46-Jährige gelernt, dass „egal welche technischen Neuerungen es gibt, der menschliche Kontakt von Bedeutung ist. Du brauchst den Hausbesuch genauso wie den Zielgruppen-Brief und den Facebook-Auftritt.“ Auch deshalb toure Kurz durch Österreich. Kontakt gehalten werde im Team via SMS- und Whatsapp-Gruppen.
„Die absolute Erreichbarkeit ist eines der Erfolgsgeheimnisse. Wenn man so will, spielt sich der Wahlkampf am Handy ab.“ Wie genau, das lässt er offen. Feedback sei wichtig und „Fehler zulassen und sich in Gelassenheit üben. Wo stehen wir im Wahlkampf? Woher kommt ein Dirty Campaigning-Angriff, welche Wellen löst er aus und wie lösen wir ihn? Das sind die Fragen, die du schnell beantworten musst.“
Nehammers Handy vibriert. Zum wiederholten Mal innerhalb weniger Minuten.
Unsere Kandidatin ist authentisch
„Wer zum Schmutzkübel greift, macht sich selbst schmutzig“, sagt SPÖ-Wahlkampfleiter Christian Deutsch. Die Aussage erinnert an die Silberstein-Affäre im Wahlkampf 2017, ist aber aktuell auf ÖVP und FPÖ gemünzt. Deutsch ist überzeugt, Pamela Rendi-Wagner punkte mit einem inhaltlichen und themenbezogenen Wahlkampf. „Das gegenseitige Anpatzen kotzt die Menschen an“, sagt Deutsch.
Mit dem ORF-Sommergespräch am Montagabend beginnt für die SPÖ der Intensivwahlkampf. Rendi-Wagner stelle sich in Summe rund 35 TV-Interviews und -Duellen. Sie sei penibel vorbereitet. Dass ihre Auftritte von vielen Menschen als zu steif und zu wenig bodenständig wahrgenommen werden, lässt ihr Wahlkampfleiter nicht gelten: „Ich bin absolut nicht nervös, was das Fernsehen angeht. Das ist Vergangenheit. Pamela Rendi-Wagner wird bei den TV-Auftritten punkten.“
Auch habe man für ihre „Natürlichkeit“ nichts extra trainieren müssen, sagt der SPÖ-Mann und ätzt: „Während die Kunstfigur Sebastian Kurz zu bröckeln beginnt, weil alles nur inszeniert wirkt, ist unsere Spitzenkandidatin authentisch.“ Sie setze ihren Weg fort, den sie schon als Ärztin begonnen habe: „Sie hört Menschen zu und bietet konkrete Lösungen an.“
Die absolvierte Österreich-Tour habe die SPÖ-Chefin in 56 Städte und Gemeinden und vor allem „zu den Menschen“ gebracht. Das gehe natürlich an die Substanz. Sie achte daher auf gesunde Ernährung und ausreichende Pausen. In lokalen Medien sei die rote „Dialog-Tour“ viel beachtet worden.
Besonders stolz sei man aber auf den Erfolg auf Facebook & Co. Deutsch sagt: „Bei den Interaktionen auf social media liegen wir seit zwei Monaten klar an erster Stelle.“ Ein Team kümmere sich um die Postings und Fotos. Wo das extra gekennzeichnet sei, schreibe Rendi-Wagner aber selbst. Insofern funktioniere der rote Wahlkampf und sei auch keineswegs zu brav. Deutsch: „Seit Juli geht es mit der SPÖ bergauf und mit der ÖVP bergab. Wir haben jetzt die Aufholjagd für die letzten fünf Wochen gestartet.“
Wir sind Pilot und Passagier gleichzeitig
„Der Norbär war Norberts Idee“, sagt Harald Vilimsky mit dem blauen Bären-Schlüsselanhänger in der Hand und lacht. Viel mehr Werbegeschenke gibt es nicht. Nicht allein ob des im Vergleich zu 2017 kleineren Budgets. „Die Werbewirtschaft lehrt, dass 50 Prozent der Werbung zum Fenster rausgeworfenes Geld sind. Wir wissen nur nicht, welche 50 Prozent das sind. Deshalb muss man immer noch alles machen.“ Das heißt: „Plakate, Inserate, Folder, Ländertour und Medienarbeit auf allen Kanälen.“
Das heißt im Falle der Freiheitlichen aber auch, alles doppelt denken zu müssen, denn sie setzen auf Norbert Hofer und Herbert Kickl. Das sei kein Problem, so Vilimsky, denn die Aufgaben seien klar vergeben: Kickl toure zumeist durch Österreich, Hofer bestreite das Gros der Fernsehauftritte. Zudem kenne man sich seit Jahrzehnten und habe „ein Geheimnis: Wir sind Politiker, Kreative, Management und Partei in einem. Auch wenn manchmal im Wahlkampf Management by Chaos herrscht, sind wir ein top eingespieltes Team.“ Rund 20 Personen kümmern sich um Medienanfragen aller Art und um die Social-Media-Kanäle. Einen War-Room gebe es dafür nicht. Ein Problem mit dem Ex-Parteichef, der „HC Strache“-Facebook-Seite (800.000 Fans) auch nicht.
„Hofer, Kickl, Haimbuchner, Strache und auch ich, wir alle haben eine Facebook-Seite. In Wahlkampf-Zeiten wird immer alles zentral akkordiert, weil sonst alle zur gleichen Zeit beispielsweise bestimmte Infos posten. Das wäre mitunter für die Einspiel-Algorithmen kontraproduktiv“, argumentiert Vilimsky. Strache könne Persönliches auf der „Heinz-Christian Strache“-Seite (50.000 Fans) posten. Zeitgerecht auf Postings vom politischen Mitbewerber oder auf Dirty Campaigning zu reagieren sei die Herausforderung. „Wir sind in Wahlkampf-Zeiten immer Pilot und Passagier gleichzeitig“, so der 53-Jährige, der gerade einen EU-Wahlkampf als Spitzenkandidat hinter sich hat. „Als Wahlkämpfer hast du eine 18/7-Woche, lebst von Leberkässemmeln und Pausen an Tankstellen.“ Auch das müsse man mögen. Und können.
Den Werner wirken lassen
„Sagst du dem Werner, er hat 15 Minuten Zeit, dann schleift er sich vielleicht bei einer Dreiviertelstunde ein.“ Thimo Fiesel kann über die berüchtigte Redelaune seines „Schützlings“ Werner Kogler lachen. Nicht umsonst hält der steirische Alt-Mandatar der Grünen den Rede-Rekord im Parlament mit 12 Stunden und 42 Minuten. „Er kann’s halt auch“, sagt Fiesel.
Der Wahlkampf-Leiter und der Spitzenkandidat telefonieren täglich mindestens eine Stunde miteinander – „mit einer fixen Tagesordnung, damit wir alles strukturiert durchbesprechen“, erzählt Fiesel.
Der 36-jährige gebürtige Schwabe ist Landesgeschäftsführer in Tirol. Für den EU-Wahlkampf hat ihn sich die Bundespartei „ausgeliehen“. Mit 14,1 Prozent bei der bundesweiten Wahl im Mai darf man behaupten: Die Grünen haben sich nach dem Rauswurf aus Nationalrat 2017 aufgerappelt, und Fiesel hat sich als Leiharbeiter bewährt. Er hat mit einem jungen Team an Aktivisten auf Social Media gesetzt und die Parole ausgegeben: „Klar sein in den Botschaften, sich was trauen. Durchschlängeln geht nicht mehr.“
Persönlich getraut hat sich der passionierte Kletterer etwa, zum EU-Wahlkampffinale im Morgengrauen auf einen Baukran vor dem Parlament zu kraxeln, um dort ein Transparent mit einem Klima-Slogan der Grünen zu hissen. Die Polizei kam, eine Strafe bisher nicht. Der Gedanke dahinter: „Wir wollten die Leute an unsere Wurzeln erinnern: etwa an die Besetzung der Hainburger Au, auch eine wilde Aktion.“
Beim jetzigen Wahlkampf wollen die Grünen wieder möglichst sparsam und effektiv vorgehen, zur Verfügung haben sie 1,15 Millionen Euro. Im Mittelpunkt steht – no na – das Klima-Thema. Ansonsten lässt Fiesel einfach die Person Kogler wirken. „Man muss ihm nicht viel sagen, er hat selbst ein sehr feines Gespür.“ Nur halt nicht für die Zeit.
Pinke Wahlkampf-Parole: Wir können regieren, müssen aber nicht
„Ich bin noch nie wegen häuslicher Gewalt angezeigt worden.“ / „Es sind keine Insolvenzverfahren gegen mich anhängig.“ / „Ich gehöre keiner Gruppierung an, die als links-, rechts- oder religiös extrem eingestuft wird.“
Wer da ein Hakerl bei „trifft nicht zu“ machen muss, hat bei den Neos zumindest Erklärungsbedarf. Es sind Dinge, die ein Wahlkampfmanager von den Kandidaten wissen muss, auf die er vorbereitet sein sollte – deshalb der Fragebogen. Wir leben schließlich in Zeiten von Dirty Campaigning. Und Nikola Donig ist einer, der nichts dem Zufall überlässt. Bis zum Wahltag konzipiert, koordiniert und kommuniziert er alles für die Neos und Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger. Sogar die Wahlplakate textet er selber, und die Goodies gehen durch seine Qualitätskontrolle. Pinke Bleistifte und pinke Klebe-Tattoos werden von Helfern in pinken Jacken und mit pinken Kapperln verteilt. An Donig selbst ist nur die Reversnadel pink.
Der 48-jährige Niederösterreicher versteht sein Fach: Er war Sprecher von zwei ÖVP-Obmännern (Schüssel und Molterer), kehrte der Politik erst „schwerst ernüchtert“ den Rücken – und heuerte dann 2015 bei den Neos an. Fragt man nach der Strategie, zählt er Studien, Zahlen, Daten und Fakten auf. Nur so viel: Die Pinken sind erwachsen geworden, so auch ihre Wähler. Mit Meinl-Reisinger erreiche man eine breitere Schicht als zu Gründungszeiten mit Matthias Strolz. Ziel ist, das EU-Wahlergebnis von 8,7 Prozent zu toppen. Und dann? „Regieren können wir, müssen aber nicht.“
Pilz ist nicht zu coachen – "er ist der Lehrmeister"
Peter Pilz will es noch einmal wissen – und mit ihm ziehen nächste Woche elf Kandidaten in den Intensiv-Wahlkampf. Es wird ein harter Kampf, denn der Wiedereinzug in den Nationalrat ist andere als gewiss: In Umfragen liegt die Liste Jetzt bei einem bis zwei Prozent, die Hürde liegt bei vier.
Herta Emmer glaubt daran, dass das „Team Kontrolle“, wie es sich nennt, punkten kann. „Die jüngsten Verdachtsfälle von Korruption spielen uns in die Hände“, sagt sie. „Uns kann man nicht kaufen, uns kann man wählen.“ Der Slogan ist der Partei selbst eingefallen. Die ganze Kampagne wurde selbst entwickelt – auf die Hilfe einer Agentur hat man verzichtet. Die Partei will im Wahlkampf nur 300.000 Euro ausgeben – die Hälfte wird in das eigene Online-Medium zackzack.at investiert.
Peter Pilz ist die Speerspitze im Jetzt-Wahlkampf – und dafür, dass er im Mittelpunkt steht, wird er sorgen. Wie ist es eigentlich, mit ihm zu arbeiten? Lässt er sich coachen, beraten? „Nein“, sagt Emmer, die vor 30 Jahren mit Alexander Van der Bellen zu den Grünen gekommen, 2010 ausgestiegen und seit 2018 Geschäftsführerin der Liste Jetzt ist. „Peter Pilz hört zwar zu, aber am Ende macht er, was er für richtig hält. Er ist eher der Lehrmeister für andere.“
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