"Nicht Neos sind schuld, sondern nur wir"

Grünen-Chefin Glawischnig und Neos-Häuptling Strolz fischen in ähnlichen Gewässern nach Wählern.
Die Grünen rätseln, warum sie nur Umfragekaiser blieben. Mehr Potenzial hätten sie.

Am Dienstag nach der Wahl hellte sich die Stimmung bei den Grünen über den überraschend niedrigen Zuwachs von 1,9 Prozentpunkten langsam wieder auf. Mit insgesamt vier zusätzlichen Abgeordneten haben sie auch genügend Gewicht, um als dritter Partner für die Verfassungsmehrheit in Frage zu kommen.

Parteichefin Eva Glawischnig gab sich aber weiter ratlos, warum die Grünen einmal mehr nur als „Umfragekaiser“ aus der Wahl hervorgingen, wurden den Ökos davor doch 15 Prozent und mehr zugetraut.

Lag es vielleicht am überraschend guten Abschneiden der Neos? Das, sagte Glawischnig, könne sie jetzt noch nicht sagen: „Das müssen wir erst analysieren.“

Alt-Parteiobmann Alexander Van der Bellen gab hingegen noch am Wahlabend zu: „Das gute Abschneiden der Neos hat uns ein paar Prozentpunkte gekostet“, auch wenn es gut sei, dass es eine neue liberale Partei gebe. „Also Gratulation, auch wenn ich es bedauern muss, dass es zu unseren Lasten geht.“

Knapp 60.000 Stimmen, haben die Wahlforscher errechnet, sind von den Grünen zu den Neos gewechselt, viele davon erst in den letzten Tagen vor der Wahl.

Probleme in Wien

"Nicht Neos sind schuld, sondern nur wir"
Wahlforscher Peter Ulram sieht etwa fehlende Angebote an junge Wirtschaftstreibende als Grund für das magere Ergebnis – besonders in den Städten (siehe Grafik), wo sie sicher viel grün-affine Wähler streitig machen konnten: „Die Grünen vergessen gern darauf, dass ein Drittel ihrer Wähler wirtschaftsliberal ist. Diese Wähler sind alle weg, besonders wegen der Wiener Grünen“, sagt Ulram.

Tatsächlich fischen sie in ähnlichen Gewässern: Neos- als auch Grün-Wähler sind besonders gut ausgebildet, haben ein großes Interesse an Politik und sind Medien-affin. Volker Plass, Bundesobmann der grünen Wirtschaft, gestand via Facebook ein, dass die Grünen Fehler gemacht haben: „Die Neos kamen modern, innovativ und systemkritisch daher. Eigenschaften, die die WählerInnen mit uns Grünen offenbar nicht automatisch verbinden. Daran sind nicht die Neos schuld, sondern nur wir!“

Eine gläserne Decke, ein begrenztes Wählerpotenzial, sei jedenfalls nicht der Grund. „Das sehe ich nicht, jedenfalls nicht bei 12,5 Prozent“, sagt Politologe Fritz Plasser. Er sehe das grüne Potenzial „eher jenseits der 20 Prozent.“ Wahlforscher Peter Hajek sieht das ähnlich, dafür müssten sich die Grünen aber thematisch öffnen: „Die FPÖ hat es ja auch geschafft, mehr Menschen anzusprechen.“

Bei den Wahlsiegern jagt eine Sitzung die andere: Am Dienstag hielt das Liberale Forum, der Neos-Kooperationspartner, eine Mitgliederversammlung ab. Die 80 bis 100 stimmberechtigten Personen beschlossen einstimmig die Fusion mit den Neos. Das ist der Starschuss, ein gemeinsames Programm und gemeinsame Statuten auszuarbeiten. Zu Weihnachten soll in beiden Parteien über den Zusammenschluss abgestimmt werden.

Doch wie viel LIF steckt in den Neos? „Ganz viel“, glaubt LIF-Chefin Angelika Mlinar, die als Nr. 2 bei den Neos in den Nationalrat einzieht . Das LIF-Programm sei zu großen Teilen ins Neos-Programm eingeflossen. Das eigene sei etwas visionärer, jenes der Neos etwas pragmatischer: „Komplett konträr laufen wir aber nirgends.“

Ob der Name LIF verschwindet, sei offen. Personell seien die Liberalen mit zwei Listenplätzen unter den neun künftigen Neos-Mandaten vertreten. Neben Mlinar wird auch Michael Pock, einstiger LIF-Generalsekretär, ins Parlament einziehen.
Weil Parteichef Matthias Strolz und die Wiener Nr. 1 Beate Meinl-Reisinger über Bundes- statt Landesmandate ins Parlament kommen, geht Promi-Hotelier Sepp Schellhorn leer aus. Die Reihung Bundes- vor Landesliste sei von Anfang an klar gewesen, sagt er. Den Neos bleibe er aber erhalten.

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