Alte Parteien – so jung wie nie
Bei den Nationalratswahlen 1999 war es Jörg Haider, 2002 Wolfgang Schüssel, 2006 Alfred Gusenbauer und 2008 HC Strache,der die meisten Jungwähler für sich gewinnen konnte (siehe Grafik).
Wer kann bei der Nationalratswahl 2013 die meisten Jugendlichen unter 30 ansprechen? Wer wird den Preis der zukunftsträchtigsten Partei einheimsen können? „Das Rennen ist diesmal wieder offen“, sagt der Politologe Peter Ulram.
Die Ursache dafür ortet Ulram in der verblassenden Strahlkraft der FPÖ. „Strache hat mit seinem Auftreten und mit seiner Art, sich zu kleiden, bei den Jungen punkten können, aber die FPÖ hat als verändernder Faktor in der Politik abgedankt – in Kärnten sowieso“, befundet Ulram.
Diesen Umstand möchten sich die traditionellen Regierungsparteien ÖVP und SPÖ im Wahlkampf zunutze machen. Sie platzieren so viele Jungpolitiker wie noch nie auf wählbaren Listenplätzen fürs Parlament.
Die ÖVP hat gleich fünf Jungpolitiker an wählbare Plätze gereiht: Staatssekretär Sebastian Kurz, den Salzburger Jungunternehmer Asdin El Habbassi, den Studenten Lukas Schnitzer aus der Steiermark, die Lehrerin Veronika Marte aus Vorarlberg sowie die Studentin Eva-Maria Himmelbauer aus Niederösterreich. Allesamt sind Funktionäre der Jungen ÖVP.
Auch die SPÖ bietet – erstmals – die Chefs ihrer Jugendorganisationen auf sicheren Plätzen auf: Der Chef der Sozialistischen Jugend (SJ), Wolfgang Moitzi, wird über die Steiermark ins Parlament einziehen. Die Chefin der Jungen Generation (JG), Katharina Kucharowits, soll auf der Bundesliste platziert werden. Morgen, Montag, könnte der SPÖ-Vorstand bereits seinen Sanktus dazu geben. Auch die SPÖ-Oberösterreich setzt auf Jugend: Die Politikwissenschafterin Daniela Holzinger hat ein Fix-, Landespartei-Vize Fiona Kaiser ein Kampfmandat.
Aber ist es so simpel – einfach junge Leute aufzustellen, und man wird gewählt? „So einfach ist es nicht“, sagt Ulram. „Aber jugendliche Kandidaten sind hilfreich, denn sie erhöhen die Glaubwürdigkeit in dieser Bezugsgruppe.“ Abgesehen davon seien konkrete Inhalte, für die Jugendliche Interesse haben, nötig. Diese Inhalte müsse man über die richtigen Kanäle kommunizieren. Ulram: „Traditionelle Medien – Fernsehen und Print – werden von vielen Jugendlichen nicht konsumiert. Man erreicht sie über das Internet, vor allem über Facebook.“
Das vierte Must-have sei ein etwas vom Establishment abgehobenes Image.
In diese letzte Kategorie fällt wohl das, worauf Sebastian Kurz sein Hauptaugenmerk legt: „Jugendliche wollen in der Regel eine klare Sprache und eine klare Message – nicht diesen Politiker-Sprech, wo man im dritten Anlauf immer noch nicht versteht, was gemeint ist.“
Als „total retro“ würden die langwierigen Entscheidungsabläufe empfunden, etwa, indem im Parlament „in endlosen Sitzungen alles bereits Gesagte wiederholt wird“. Der Nationalrat sollte „zeitnahe“ zu Regierungsentscheidungen tagen, und es müssten auch nicht immer alle Mandatare aus den entferntesten Winkeln des Landes anwesend sein.
Die sozialdemokratische Jung-Politikerin Kucharowits – sie studiert Mathematik und Psychologie – setzt auf Themen. „Auch wenn die Lebenswelten von Lehrlingen, Studenten oder Berufseinsteigern sehr verschieden sind – Jobs, von denen man leben kann, und Wohnungen, die man sich leisten kann, sind für die meisten von Interesse“, meint Kucharowits.
Einer Meinung sind Kurz und Kucharowits, dass man „die Jugendlichen“ nicht über einen Kamm scheren könne. Kurz: „Bei Jugendlichen gibt es eine genau so große Vielfalt wie in jeder anderen Generation.“ Für Schüler seien die Öffis vorrangig, für „ältere“ Jugendliche die Startwohnungen. Kucharowits will die breite Palette jugendlicher Interessen abdecken, indem diesmal die Gewerkschaftsjugend, die roten Studenten und Schüler in den Wahlkampf von SJ und JG einbezogen werden.
Einer Meinung sind Kurz und Kucharowits auch, dass das Integrationsthema für Jugendliche von großer Bedeutung sei. Kurz: „Wenn 25 Prozent der Schüler Migrationshintergrund haben, kommt man automatisch damit in Berührung“. Kucharowits: „Bei vielen Veranstaltungen habe ich gemerkt, dass das Ausgrenzen nicht erwünscht ist. Gleichberechtigung ist ein großes Thema.“
Beim ideologischen Trend macht Ulram auf ein Kuriosum aufmerksam: „Die SPÖ hat es am schwersten, weil sie als konservativste Partei empfunden wird in dem Sinn, dass sie am wenigsten verändern will.“ Beim Familienbild dominiere wiederum Konservativismus im ideologischen Sinn: „Es gibt den massiven Wunsch nach stabilen Partnerschaften – offenbar eine Reaktion auf die hohen Scheidungsraten.“
Kommentare