Der VfGH prüfte aber nicht inhaltlich, sondern hob aufgrund eines Formalfehlers auf: Die Erlässe aus den Jahren 2004 (vom damaligen ÖVP-Minister Martin Bartenstein) und 2018 (FPÖ-Ministerin Beate Hartinger-Klein) hätten in Form von Verordnungen ergehen müssen.
Zur Erklärung: Ein Erlass ist nur eine interne Handlungsanleitung für Beamte. Eine Verordnung gilt, wie wir von den Corona-Maßnahmen wissen, für die Allgemeinheit.
Verschiedene NGOs, Grüne und Neos jubeln – sie dürften sich aber zu früh gefreut haben. Das Arbeitsministerium hat bereits eine Lösung parat, die der ÖVP-Linie entspricht. Zur Erinnerung: Kanzler Sebastian Kurz erklärte wiederholt, dass Lehre oder Job „keine Hintertür für Asyl“ sein dürften. Arbeit schafft Integration – negativ Beschiedene wären dann schwieriger abzuschieben. Zweitens betonte Kurz, dass es ja genügend andere Jobsuchende gebe.
Im Arbeitsministerium wird nun folgendes Vorgehen überlegt: Als erstes muss Kocher „unverzüglich“ kundmachen, dass die Beschränkungen für Asylwerber nicht mehr gelten. Allerdings kann der Minister dann per Erlass festlegen, dass das AMS bei der Jobvermittlung im Einzelfall stärker darauf achten muss, ob für die Stelle nicht auch jemand mit Aufenthaltstitel zur Verfügung steht.
Heißt: Asylberechtigte hätten gegenüber Asylwerbern Vorrang. De facto ändert sich in der Praxis nicht viel. Schon jetzt darf das AMS einem Drittstaatsangehörigen nur dann eine Arbeitsbewilligung erteilen, wenn keine geeinigte inländische oder EU-Arbeitskraft gefunden werden kann.
Mit Stand Juni sind 33.217 anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte arbeitslos gemeldet oder in Schulung – den größten Anteil machen Männer zwischen 20 und 25 Jahren aus.
Will Kocher den Zugang für Asylwerber aktiv beschränken, bräuchte er eine Gesetzesänderung. Im aktuellen Ausländerbeschäftigungsgesetz gibt es nämlich keinen Passus, wo eine entsprechende Verordnung andocken könnte, erklärt Europa- und Völkerrechtler Walter Obwexer im KURIER-Gespräch.
Machbar wäre das: Laut EU-Aufnahmerichtlinie muss ein Mitgliedsstaat einem Asylwerber zwar spätestens nach neun Monaten einen „effektiven Zugang“ zum Arbeitsmarkt gewähren. „Man kann den Zugang aber auf einzelne Bereiche beschränken – zum Beispiel festlegen, dass sie nur als Hilfskräfte arbeiten dürfen“, erklärt Obwexer.
Die Lehre könne man komplett streichen. Der Zugang zu „beruflicher Bildung“ sei laut Unionsrecht nämlich – anders als der Zugang zum Arbeitsmarkt – ein Kann, und kein Muss, sagt Obwexer.
Ein Job oder eine Lehre würden vor Abschiebung nicht schützen, allerdings weist auch Obwexer darauf hin: „Je großzügiger der Zugang zu Arbeit ist, desto stärker wird der Integrationsfaktor und desto unwahrscheinlicher wird eine Abschiebung.“
Kocher droht schon das nächste Ungemach vom VfGH: Die Bestimmung, dass der AMS-Regionalrat über die Vergabe von Arbeitsbewilligungen entscheidet, könnte verfassungswidrig sein. Das Höchstgericht prüft noch.
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