Neuer Offenheits-Wettlauf am Ballhausplatz

Mitterlehner will weiter dienstags "zur Verfügung stehen“, Kern nicht.
Aus für Pressefoyer: Mitterlehner will sich weiter Fragen stellen; Kern startet Medien-Offensive.

Christian Kern will merkbar den Beweis antreten, dass er die Konfrontation mit Medienvertretern nicht scheut: Am Freitag gibt der Bundeskanzler eine Pressekonferenz zum Thema TTIP. Am Samstag lädt er eine Runde von Chefredakteuren ins Kanzleramt. Am kommenden Dienstag wird er Journalisten zu einem Hintergrundgespräch empfangen.

All das wäre nicht weiter erwähnenswert, hätte der SPÖ-Chef nicht am Dienstag das traditionelle Pressefoyer nach der allwöchentlichen Regierungssitzung, das einst Bruno Kreisky initiiert hat, kurzerhand abgeschafft. Damit erweckte er den Eindruck, er wolle sich vor Journalistenfragen drücken. Kern argumentiert seine Entscheidung damit, dass es im "Foyer" nicht möglich sei, Zusammenhänge ausführlich zu erklären. Es gehe immer nur um knackige Zitate ("Soundbites") und Schlagzeilen.

Weniger Pressefreiheit

Alle namhaften Journalistenvereinigungen des Landes sehen das anders. Sie protestieren gegen die "Einschränkung der Medienfreiheit". Oft sei es nur im Pressefoyer möglich gewesen, "Regierenden, die sich sonst einem Interview verweigert haben, aktuelle Fragen zu stellen". Tatsächlich hat etwa Kern-Vorgänger Werner Faymann in seiner Kanzler-Zeit phasenweise nur wenigen ausgewählten Medien Interviews gegeben.

Kern erweckt zwar bisher nicht den Anschein, die selbe Strategie zu verfolgen. Das Ritual, nach der Ministerratssitzung die Presse zu informieren, hat er dennoch an die Regierungskoordinatoren Thomas Drozda (SPÖ) und Harald Mahrer (ÖVP) übertragen. Der Regierungschef will stattdessen in einem Kanzler-Blog die Öffentlichkeit regelmäßig informieren.

"Ein-Weg-Kommunikation"

Die Journalistengewerkschaft, der ORF-Redakteursrat, die Vereinigung der Parlamentsredakteure, der Österreichische Journalisten Club und der Presseclub Concordia sehen darin eine "Ein-Weg-Kommunikation", die der Demokratie schade, weil es "keine Möglichkeit zum kritischen Nachfragen" gebe.

Der Protest scheint bereits Wirkung zu zeigen. ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der mit dem Kanzler stets das Pressefoyer bestritten hat, kündigte gestern an, er werde "weiterhin jede Woche zur Verfügung stehen", also dienstags stets Statements abgeben und Fragen beantworten. Davon ist tags zuvor noch nicht die Rede gewesen.

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