Wahlkampfwaffe Video: Wie Promis für Politiker Stimmung machen
Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Ein Roter und ein Schwarzer, friedlich vereint bei einem Ausflug, wie sie einander nette Dinge sagen, in Erinnerungen schwelgen, Schmäh führen und lachen. 13.000 Mal wurde das Video geklickt. Es gefiel.
Und ja, es war zu schön, um wahr zu sein. Denn jetzt sagt der Schwarze, er habe gar nicht gewusst, dass er dem Roten hier Material für ein Wahlkampf-Video geliefert hat – und ärgert sich.
Versteckte Kamera? Mitnichten
Aber von vorn: Alois Stöger ist roter Spitzenkandidat in Oberösterreich und hat am Wochenende mit Genossen eine Wanderung im Mühlviertel veranstaltet. Zum Abschluss gab Reinhold Mitterlehner, schwarzer Vizekanzler in der großen Koalition, eine Führung in der Burg Piberstein – und hielt dabei ein flammendes Plädoyer für Dialog und Respekt.
Eine Kamera filmte mit. Keine Handykamera. Nein, ein Kamerateam war da. Engagiert von der SPÖ.
„Mir war schon klar, dass da Fotografen und Kameras sind. Aber es hat mich niemand gefragt, ob ich das in dieser Form will."
Als Stöger das Video auf Facebook gepostet und Mitterlehner verlinkt hat, behauptete dieser verwundert: „Es war eine normale Burg-Führung, wie ich sie öfter mache. Dass die Aufnahmen verwendet werden, war nicht vereinbart. Ich will nicht in den Wahlkampf hineingezogen werden.“
Ist der Ex-Vizekanzler in eine Falle getappt? „Mir war schon klar, dass da Fotografen und Kameras sind. Aber es hat mich niemand gefragt, ob ich das in dieser Form will“, sagt er zum KURIER.
Überhaupt: Dass die Wanderer SPÖler sind, habe er nur über Umwege erfahren. Besprochen haben Mitterlehner und Stöger das dann beim Begräbnis des SPÖ-Granden Rudolf Hundstorfer – und Mitterlehner willigte ein, die Führung zu geben. „Nicht mehr‚ nicht weniger.“
Rechtlich wird er nicht gegen das Video vorgehen. „Es ist eh schon draußen, was soll’s.“ Zum Gesagten stehe er außerdem „zu hundert Prozent“.
Perfekte Inszenierung
Mitterlehner ist nicht der Erste, der im Wahlkampf als Testimonial auftritt. Videos mit Prominenten gibt es auf Facebook quasi in Dauerschleife. In diesem Wahlkampf vielleicht mehr als je zuvor. Sie haben die (teuren) Personenkomitees abgelöst.
Führend ist die ÖVP: Am Freitag veröffentlichte sie ihr drittes Video mit Promi-Bonus (siehe Faktenkasten). Zu sehen ist die Tennislegende Thomas Muster, wie er in Zeitlupe (und zu emotionaler Musik) mit Sebastian Kurz über einen verlassenen Tennisplatz schlendert.
Die Botschaft: „Ich habe immer Köpfe gewählt, keine Parteien“, sagt Muster. „Und Kurz ist für mich der Kopf, den ich wählen würde.“ Muster erzählt von seinem Unfall und zieht Parallelen zur Kurz-Abwahl: Aus Rückschlägen könne man „stärker zurückkommen“. 18.000 Mal wurde der Clip angeschaut. Auch dieses Video gefiel.
Kontroversieller war da das erste türkise Video, in dem Schauspielerin Christiane Hörbiger verbal auf SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner losging (der Misstrauensantrag sei „vollkommen verblödet“ gewesen).
Was aber bringen die Promi-Unterstützer? „Ein Promi ist selten wahlentscheidend. Was er bringt, ist Aufmerksamkeit“, sagt Politik-Berater Thomas Hofer. Sportler eigenen sich laut Hofer für die ÖVP deshalb so gut, weil sie die Werte der Partei verkörpern: Leistung, Bodenständigkeit und Heimatverbundenheit – angereichert um etwas Internationalität.
So sieht das auch Social-Media-Experte Philipp Ploner: Muster sei für viele der Über-35-Jährigen ein Vorbild und Ausnahmekönner. „Wenn dieser Mensch sich für Kurz ausspricht, dann geht das Vertrauen, das man zu ihm hat, auf den Politiker über.“ Das Video, sagt Ploner, sei „bis ins letzte Detail“ perfekt inszeniert: „Es wirkt glaubwürdig. Nicht nach Hochglanz-Kino-Produktion.“
Vertrauen zählt
Darum geht es bei allen Videos: Sie müssen authentisch wirken. „Glaubwürdigkeit ist nach Ibiza ein Thema“, sagt Ploner. Darin sehen die Experten auch das Problem beim Hörbiger-Video: Es wirkte aufgesetzt. „Und die Wortwahl war problematisch“, so Hofer.
Beim ÖVP-Wahlkampfauftakt trat Box-Legende Vitali Klitschko an der Seite von Parteichef Sebastian Kurz auf. Auch Silvia Schneider – nicht ganz zufällig die Partnerin von FPÖ-Liebling Andreas Gabalier – wirbt für ihn. Videos kamen dann von Schauspielerin Christiane Hörbiger, Abfahrtsweltmeister Michael Walchhofer und nun Ex-Tennis-Star Thomas Muster.
Für die SPÖ warben bislang Parteipromis wie die beiden Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer und Franz Vranitzky.
Wer „echt“ ist, muss zudem gar nicht prominent sein: Das bisher effektivste Video sei jenes von „Frau Gertrude“, sagt Hofer. Die Holocaust-Überlebende warnte im Präsidentschaftswahlkampf vor Ausgrenzung und Hass. „Sie kannte vorher keiner, dann jeder.“
Übrigens: Stöger zeigte sich gestern verwundert über den Ex-Kollegen. „Der Reinhold ist Profi. Er weiß, wann er in eine Kamera spricht.“ Was Mitterlehner sagte, sei eben unverhofft so gut gewesen, dass man es verwendet habe. Die Wanderung war so gesehen ein voller PR-Erfolg.
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