Nach Arbeitszeit nun auch Öffnungszeiten wieder Thema

Der Handelsverband will eine Ausweitung der wöchentlichen Öffnungszeit von 72 auf 76 Stunden.

Ab Samstag gilt das neue Arbeitszeitgesetz, das eine Anhebung der Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche vorsieht. Kurz davor ist eine Debatte auch um längere Öffnungszeiten im Handel entbrannt. Ein Vorstoß kam kürzlich von Rewe. Auch der Handelsverband will eine Ausweitung der wöchentlichen Öffnungszeit von 72 auf 76 Stunden. Die Wirtschaftskammer befragt die Betriebe.

"Die Forderung, die Rahmenöffnungszeit auf 76 Stunden zu verlängern, steht seit einem halben Jahr ganz vorn in unseren Forderungen an die Regierung", zitieren die Salzburger Nachrichten (SN, Freitag) Rainer Will, den Geschäftsführer des österreichischen Handelsverbandes, der vor allem größere und mittlere Handelsunternehmen vertritt. Gerade im Lebensmittelhandel würde das ein Aufsperren von 7 bis 20 Uhr täglich und samstags bis 18 Uhr ermöglichen. "Die große Mehrheit unserer Mitglieder ist dafür", so Will. Der Lebensrealität der Kunden würde das längst entsprechen.

Einkaufsverhalten verändert

In der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) äußerte sich Handelsobmann Peter Buchmüller indes abwartend. "Die Mehrheit der Mitglieder in der Sparte Handel war bisher gegen eine Ausweitung der Öffnungszeiten. Geht man nach der Mehrheit beim Umsatz, ist der Handel aber dafür", sagt Buchmüller. Große Konzerne, die bisher von längeren Öffnungszeiten stets profitierten, wollten länger aufsperren, viele kleinere Händler fürchten, unter Druck zu geraten. Die Zeit habe sich aber verändert und damit das Einkaufsverhalten. Die Sparte Handel sei daher gerade dabei, ihre Mitglieder zu befragen, ob sie eine Ausweitung auf 76 Stunden Öffnungszeit wollen. Die letzte Befragung sei zu lange her und nicht mehr aussagekräftig. Die letzte Ausweitung der Öffnungszeiten von 66 auf 72 Stunden ist bereits 15 Jahre her.

Am Tag vor Inkrafttreten des neuen Arbeitszeitgesetzes dominierten aber weiter kritische Stellungnahmen die öffentliche Debatte. Demnach sind nun 20 Überstunden pro Woche erlaubt. Bisher waren grundsätzlich 320 Überstunden pro Jahr zulässig. Den einzigen Schutz, so die Arbeiterkammer, biete jetzt nur mehr die EU-Arbeitszeitrichtlinie, derzufolge in einem Zeitraum von 17 Wochen 48 Stunden pro Woche nicht überschritten werden dürfen. Eine in der Praxis schwer überprüfbare Regelung, wie AK-Präsidentin Renate Anderl findet. Sie bleibt bei ihrer Kritik: "Der 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche kostet die Arbeitnehmer Freizeit und Gesundheit."

Verkürzte Ruhezeiten

Härten durch die verkürzten "Ruhezeiten" könnten etwa für Beschäftigte im Tourismus entstehen, meint ein Grazer Arbeitsrechtler. Bisher müssten zwischen zwei Dienstschichten mindestens 11 Stunden liegen, nun reduziere die Regierung die Mindest-Freizeit auf 8 Stunden. Günther Löschnigg, Vorstand des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht an der Uni Graz, geht insgesamt davon aus, dass der 12-Stunden-Tag schon die Ausnahme bleiben wird. Der 12-Stunden-Tag sei eine Höchstgrenze für die Arbeitszeit, aber de facto werde es sich wie jetzt auch bei acht bis zehn Stunden einpendeln, insbesondere aufgrund der Kostenfrage", sagte der Experte am Freitag im Radio-Morgenjournal. Denn die Überstundenzuschläge blieben ja erhalten, veränderten sich nicht und Überstundenzuschläge gebe es grundsätzlich auch für die elfte und zwölfte Stunde.

Die elfte und zwölfte Stunde könne dem Gesetz zufolge ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden. Nur, ob ein Arbeitnehmer dieses Ablehnungsrecht tatsächlich wahrnimmt, weil er unter dem Druck einer möglichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehe, ist für den Experten fraglich. "Bei der gleitenden Arbeitszeit hätten wir eine Verlängerung der Normalarbeitszeit auf zwölf Stunden; in diesen Fällen kommt es überhaupt zu keiner Überstundenarbeit und dementsprechend kommt es auch zu keinem Überstundenzuschlag."

Protest der Gewerkschaft

Das Thema Arbeitszeit und 12-Stunden-Tag verspricht auch bei den heurigen Lohnverhandlungen ab Herbst heiße Wochen und Monate. Für die Lohnrunde wollen sich alle Teilgewerkschaften auf eine einheitliche Linie festlegen, erstmals seit 1945, wie Gewerkschafter laut Medienberichten bekräftigten. Morgen, Samstag, wollen sie in einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wien Details dazu nennen. Heute, Freitag, protestieren Gewerkschafter vor dem Sozialministerium. Medienaktionen waren auch an Standorten in Bundesländern angesagt, darunter ein Protest der SPÖ gegen KTM-Chef Stefan Pierer wegen dessen Wahlkampfspenden für die ÖVP. Für den SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher ist es "ein Skandal und eine Schande, dass Großkonzerne und Wirtschaftsbosse mit Wahlkampfgeldern arbeitnehmerfeindliche Maßnahmen wie die 60-Stunden-Woche vorbestellen konnten."

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