Muslime "nicht unter Generalverdacht stellen"

Kanzler Faymann und Vizekanzler Mitterlehner ließen via TV wissen, welchen Weg sie auch in Österreich gegen den Terror einschlagen wollen.
Regierung warnt davor, Muslime zu kriminalisieren – keine Hinweise auf geplante Attentate in Österreich.

Wie reagieren auf die Terroranschläge in Paris? Mit dieser Frage beschäftigt sich seit dem vergangenen Wochenende ganz Europa – somit auch Österreich.

Müssen sich die heimischen Bürger ebenfalls vor Attentaten fürchten? Was haben die Regierenden vor? Wollen sie – der vermeintlichen Sicherheit wegen – auch Bürgerrechte einschränken? Der KURIER gibt einen Überblick.

Wie reagiert Österreich auf die Anschläge in Paris?

Schon seit Jänner gebe es "eine erhöhte Gefährdungsstufe", sagt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. "Die bleibt aufrecht."

Wie groß ist die Gefahr, dass in Österreich ein derartiger Anschlag passiert?

Mikl-Leitner gesteht ein: "Hundertprozentige Garantie", dass das nicht geschehe, "gibt es nicht". In ihrem Ministerium heißt es: "Aktuell gibt es keine Hinweise auf konkrete Planungen" für Anschläge hierorts. Im Gegensatz zu Frankreich engagiert sich Österreich nicht militärisch im syrischen Bürgerkrieg – und ist daher nicht derart im Visier des IS.

Sind Attentäter von Paris durch Österreich gereist?

Es gebe bisher keine Anhaltspunkte dafür, sagt Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck.

Eine potenzielle Gefahr geht von Europäern aus, die mit dem IS sympathisieren, in Syrien waren – und in ihre Heimat zurückgekommen sind. Wie geht Österreich mit diesen Rückkehrern um?

250 Österreicher sind laut Innenministerium bisher in den Dschihad gezogen, 40 von ihnen starben, 70 sind nach Österreich zurückgekehrt. Die Rückkehrer werden strafrechtlich wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verfolgt und polizeilich überwacht – "je nach Risikoeinschätzung". Eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung aller Personen ist nicht möglich. Mikl-Leitner sagt, Staatsschutz, Bundeskriminalamt und Spezialeinheiten würden "personell gestärkt". Die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit sei beauftragt worden, "einen Plan vorzulegen".

Wird daran gedacht, in Österreich nun Gesetze zu verschärfen bzw. Bürgerrechte zu beschneiden?

Derzeit nicht. Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz befindet, es sei schärfer gegen islamistische Radikalisierer und Hassprediger vorzugehen – "polizeilich gegen alle innerhalb unseres Kontinents, die versuchen, junge Menschen zu verführen". Kurz warnt aber auch: "Wir dürfen Muslime in Österreich und Europa jetzt keinesfalls unter Generalverdacht stellen." Schon im Frühjahr legte Mikl-Leitner ein neues Staatsschutzgesetz vor; beschlossen ist es bis heute nicht, weil sich SPÖ und ÖVP nicht einigen konnten. Die Innenministerin will Beamten des Verfassungsschutzes bei den Ermittlungen mehr erlauben. So sollen künftig nicht nur Beamte verdeckt ermitteln dürfen, sondern auch Nicht-Polizisten, etwa in verdächtigen Gruppen. Ebenso sollen Ermittlungsdaten länger als neun Monate gespeichert werden, nämlich zwei Jahre.

Wird erwogen, Moscheen zu schließen, in denen Hass verbreitet wird?

"Das ist derzeit kein Thema", sagt Mikl-Leitner.

Einer der Attentäter von Paris ist im Oktober in Griechenland als Flüchtling registriert worden. Könnten unter den Flüchtlingen in Österreich auch potenzielle Terroristen sein?

"Selbstverständlich kann man das nie ausschließen", sagt Mikl-Leitner. "Wir verwahren uns aber gegen einen Generalverdacht", heißt es dazu im Innenressort. Es habe mehrfach Hinweise gegeben, die überprüft worden seien, es habe sich aber hierzulande "kein Verdacht" erhärten lassen.

Sollen nach den Anschlägen in Frankreich alle Flüchtlinge, die über Slowenien und Spielfeld nach Österreich kommen, registriert werden?

Das ist aus den vorhin genannten Gründen nach Angaben des Innenministeriums nicht der Fall. Die überwiegende Zahl der Flüchtlinge würde ja selbst vor den Kämpfern des "Islamischen Staats" aus Syrien fliehen, sagen Experten.

Die Regierung hat vergangene Woche verkündet, an der Grenze zu Slowenien einen vier Kilometer langen Zaun errichten zu lassen. Bei Bedarf solle dieser auf 25 Kilometer verlängert werden. Wird das jetzt schon geschehen?

Nein. Es bleibt vorerst bei der zwischen SPÖ und ÖVP vereinbarten Kurz-Variante. "Es gibt aber Vorbereitungen, dass der 25-Kilometer-Zaun aufgezogen werden kann, wenn die Kontrollen umgangen werden", sagt Ministerin Mikl-Leitner. An der "Grünen Grenze" würde die Polizei zusätzlich verstärkt patrouillieren. Das hatten die Koalitionäre freilich schon vor den Attentaten in Frankreich vorgesehen.

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