Mit jährlich 18,5 Milliarden Euro ist das Sozial-und Gesundheitsministerium (hinter dem Finanz- und dem Arbeitsministerium, Anm.) das drittmächtigste Ressort, was die Ausgaben angeht.
Und welche realpolitische Macht ein Gesundheitsminister mit schlichten Verordnungen ausüben kann, das haben die vergangenen 14 Monate eindrucksvoll gezeigt: Auf Geheiß des Ministeriums wurden ganze Wirtschaftszweige, ja gleichsam die Gesellschaft an sich stillgelegt.
Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man sagen – Quereinsteiger hin oder her –, Dr. Mückstein ist plötzlich einer der mächtigsten Männer im Land. Die Frage ist nur: Stimmt der Befund? Sind das Gesundheitsministerium und sein Boss ein realpolitisches Machtzentrum?
Die Frage nach der Macht durch Verordnungen, Weisungen und Gesetze lässt sich leicht beantworten: Ja, Covid-19 hat dazu geführt, dass das Ministerium als oberste Seuchenbehörde des Landes das öffentliche Leben in einer nie da gewesenen Art und Weise einschränken konnte.
Wahr ist auch: Sobald die Pandemie bekämpft ist, ändern sich auch die Zuständigkeiten in der Gesundheitspolitik wieder radikal. Denn im Normalbetrieb sind die unter anderem für die Spitalsversorgung zuständigen Länder und die Sozialversicherungen die mächtigen Player.
Sie zahlen die Gehälter, sie entscheiden über Standorte, Personal und Struktur. Der Minister hat allenfalls moderierende, aber kaum gestaltende Funktion.
Und das hat auch mit seinem Budget zu tun.
Denn die erwähnten 18,5 Milliarden Euro an Ausgaben stehen dem Minister de facto nur auf dem Papier zur Verfügung. Satte 12,5 Milliarden entfallen allein auf Pensionszahlungen, sprich: Dieses Geld steht den Versicherten gesetzlich zu, es ist weder für den Minister noch sonst jemanden politische Spielmasse. Ähnlich verhält es sich mit den 4 Milliarden Euro, die Mücksteins Haus für "Soziales und Konsumentenschutz" budgetiert. In Wahrheit handelt es sich hier fast ausschließlich um Pflegeleistungen wie das Pflegegeld oder Zuschüsse für die 24-Stunden-Betreuung.
Unterm Strich hat der Ressortchef ein paar hundert Millionen Euro – vornehmlich im Präventionsbereich (gesundes Essen, Impfungen, etc.) –, mit denen er politisch gestalten kann. "Generell geht es in diesem Ministerium um das Bohren unglaublich dicker Bretter. Ich meine das Zusammenführen des Föderalismus, die Selbstverwaltung der Sozialversicherung, der Umgang mit Ärzte- und Apothekerkammer, der Pharmabranche, und, und, und", sagt Andrea Kdolsky zum KURIER. 2007 war sie de facto in derselben Situation wie Mückstein, sie kam als Fachärztin (Anästhesie) und für die ÖVP an die Spitze des Gesundheitsministeriums.
Kdolsky wie auch andere ist überzeugt, dass Ärzte gute Politiker sein können. "Ich glaube, dass es günstig ist, dass Dr. Mückstein kein Facharzt ist, sondern Allgemeinmediziner. Er weiß um die Not und Sorgen der Menschen, und als Arzt versteht er es, in einer verständlichen Sprache komplexe Dinge zu erklären."
Das sieht auch Reinhart Waneck so. Der Arzt war zwar nicht Minister, aber Staatssekretär im Ressort (2003–2004). Und auch er findet es gut, "dass ein Allgemeinmediziner in der Zeit der Pandemie das Ministerium führt". Waneck kennt den angehenden Ressortchef zufällig aus seiner Zeit als ärztlicher Direktor bei den Barmherzigen Schwestern. "Er hat dort mit meiner Tochter den Turnus absolviert."
Der Freiheitliche äußert sich über den Grünen besonders positiv. "Ich halte Mückstein für besonders befähigt für das Amt und traue ihm einiges zu, denn er ist ein harter Knochen und wird das politische Handwerk erlernen." Gut möglich, dass es auch an der politischen "Spielwiese" liegt, die Waneck mit Mückstein verbindet: "Wir beide kennen die Ärztekammer. Und da fliegen auch die Bandagen."
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