Doskozil: "Mückstein ist leider kein Krisenmanager"
Im Vergleich zu allen anderen Landeshauptleuten ist Hans Peter Doskozil (SPÖ) zuletzt besonders kritisch mit dem Corona-Kurs der Bundesregierung umgegangen. Der Burgenländer fordert bei Maßnahmen endlich eine klare Linie. Und von Minister Wolfgang Mückstein (Grüne) mehr Gesprächsbereitschaft.
KURIER: Die Corona-Zahlen steigen und steigen. Wird noch ein Lockdown für alle, nicht nur für Ungeimpfte, kommen?
Doskozil: Ausschließen würde ich nichts. Ich habe auch nicht erwartet, dass jetzt schon die 2-G-Regel kommt. In Wirklichkeit ist ja das schon ein Lockdown für Nicht-Geimpfte. Ich hätte mir eher erwartet, dass sich die Bundesregierung intensiver gemeinsam mit den Ländern überlegt, wie man die Impfquote hebt.
Hat man das verschlafen?
Mir kommt das so vor: Da dümpelt das Problem dahin, ähnlich wie in der Asyl- und Migrationspolitik, und dann merkt man, der Topf kocht über. Dann muss man natürlich was machen und sucht Schuldige. Das ist ganz einfach zu wenig.
Wurde mit den Ländern zu wenig zusammengearbeitet?
Ich nehme nur einmal das Gesundheitsministerium als Beispiel her. Jetzt haben wir einen Arzt als Gesundheitsminister. Ich weiß nicht, wie sein Verhältnis zu anderen Bundesländern ist. Mein Verständnis in meiner Zeit als Bundesminister war jedenfalls ein anderes.
Ich bin zu den Ländern gefahren und habe mich bilateral zusammengesetzt, um über die Probleme und die Bedürfnisse zu reden. Damals war keine Krise. Jetzt haben wir eine Krisensituation. Und der Gesundheitsminister bunkert sich in seinem Ministerium ein. Es hat bis dato kein einziges bilaterales Gespräch mit mir gegeben. In so einer Krisensituation, wo wir etwa im Burgenland einen Sonderweg gegangen sind, hätte ich mir das schon erwartet. Sich einzubunkern mit Experten und wenn der Topf überkocht zu fragen, was machen wir jetzt, und dann bei den Ländern eine Befehlsausgabe zu machen, das ist sehr dürftig. Der Gesundheitsminister ist leider kein Krisenmanager, weil es gibt keine Kommunikation mit ihm, null. Ich habe in den vergangenen Tagen mehr aus den Medien erfahren als vom Ministerium.
Das Burgenland war das erste Bundesland, das mit einer Impflotterie die Quote gehoben hat. Tickt der Österreicher so einfach, dass das als Anreiz reicht?
Bei der Impflotterie geht es nicht darum, zu zeigen, wie der Österreicher oder der Burgenländer tickt. Die Lotterie hat mehrere Facetten gehabt. Das eine ist, wirklich einen Anreiz zu schaffen. Wir haben über 90.000 Anmeldungen dazu gehabt. Es ist aber auch ein atypischer Zugang zu einem Thema, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Es ist auch ein Instrumentarium, um das Thema Impfen in den Mittelpunkt zu stellen, damit ständig bei den Leuten zu sein. Und jetzt hat ja sogar ein anderes Bundesland unsere Impflotterie übernommen.
Geimpfte, Nicht-Geimpfte – man bemerkt schon eine Spaltung in der Gesellschaft. Ist das im Burgenland anders?
Es gibt auch bei uns ein gewisses Potenzial von Leuten, die sagen, ich lasse mich überhaupt nicht impfen. Ich merke das ja auch im persönlichen Umfeld, bei Freunden, die sagen, sie lassen sich nicht impfen. Es wird bei den Impfgegnern einen Teil geben, die wegen der 2-G-Regel jetzt noch vehementer den Standpunkt vertreten, sich nicht impfen zu lassen. Das sehe ich aber nicht so dramatisch, weil das hat man bei jedem politischen Thema. Die Frage ist, welchen Spielraum man belässt. Ich finde es schade, dass man jetzt repressiv reagieren muss und nicht schon viel früher aktiv auf das Thema Impfen gesetzt hat.
Wir haben ja ein Déjà-vu gehabt, weil . . .
Wir haben schon das vierte Déjà-vu, weil es ist schon die vierte Welle. Und es werden eine fünfte und eine sechste Welle kommen.
Aber auch das Déjà-vu, dass im Vorjahr die Wien-Wahl war und heuer die Landtagswahl in Oberösterreich. Und dass sich die Bundesregierung in so einer Situation nicht getraut, zu agieren.
Dann sind sie ganz einfach zu schwach, punkt. Wenn der Befund so ist, was tut ein Politiker dann in dieser Position.
Kommen wir zu einem anderen Thema abseits von Corona. Es wundern sich noch immer alle, dass gerade Sie sich gegen die Gespräche der SPÖ mit FPÖ-Chef Herbert Kickl ausgesprochen haben, wo ja gerade im Burgenland die SPÖ mit der FPÖ eine Koalition hatte.
Verwundert das wirklich? Man kann den politischen Diskurs, der jetzt passiert ist, nicht so einfach analysieren: Koalition mit den Blauen, ja oder nein. Wenn man sich das genau angeschaut hat, was da rund um den Rückzug von Sebastian Kurz passiert ist, hat man politisch gemerkt, dass die ÖVP so richtig am falschen Fuß erwischt wurde und in sich gespalten ist. In so einer Phase als SPÖ zu argumentieren, dass wir nicht neu wählen wollen, verstehe ich überhaupt nicht. In so einer Phase auch noch zu sagen, wir machen um der Stabilität willen eine Vierer-Koalition. Das weiß doch jedes Schulkind, dass so etwas nicht funktioniert. Eine Koalition mit der FPÖ auf der einen und den Grünen auf der anderen Seite und mitten drin irgendwo noch die Neos bei all den Themen wie etwa Corona-Politik oder Steuerreform, die auf dem Tisch liegen, zu bilden, wo alle Parteien thematisch so weit auseinander sind. Mit dem ersten Tag, an dem diese Vierer-Koalition tätig geworden wäre, hätte jeder schon an Neuwahlen gedacht. Wer glaubt, dass er mit so einer Variante Stabilität schaffen kann, der versteht nicht das politische Geschäft.
Aber noch einmal konkret zum möglichen Pakt mit der FPÖ.
Wenn ich den historischen Parteitagsbeschluss, der die FPÖ ausschließt, ändern will, dann brauche ich wieder einen Parteitagsbeschluss. Da bin ich Formalist. Es geht nicht, dass so etwas nur gruppendynamisch im Vorstand oder im Präsidium diskutiert wird. Das geht nicht. Man muss da ja auch die Funktionäre mitnehmen.
War Bundesparteichefin Rendi-Wagner da zu sehr nur auf eine mögliche Kanzlerschaft fixiert?
Das möchte ich von außen nicht beurteilen, das müsste man die handelnden Personen fragen.
Burgenlands SPÖ hat den Vorschlag gemacht, dass künftig der Vorsitz in der Bundespartei und eine Spitzenkandidatur oder mögliche Kanzlerschaft ähnlich wie in Deutschland getrennt sein sollten.
Man kann über alle Modelle diskutieren. Und es wird in der SPÖ schwierig werden, den richtigen Weg für die kommende Wahl zu finden. Wir reden leider immer nur über den Spitzenkandidaten. Diese Person allein macht noch keinen Wahlerfolg aus. Natürlich braucht man an der Spitze jemanden, der passt, keine Frage. Aber ich habe es im Burgenland gesehen und bin überzeugt, dass es auch grundsätzlich gilt: Du musst komplett neue Themen setzen. Wie wir den Mindestlohn auf den Tisch gebracht haben, war das parteiintern eine große Reibefläche, vor allem in Richtung Gewerkschaften. Mittlerweile sind diese zumindest hier im Burgenland die größten Befürworter dieses Mindestlohns. Oder das Thema pflegende Angehörige. Weiters muss man sich den sozialen Wohnbau genau anschauen und inhaltlich hinterfragen. Erst wenn du den Apparat von den Themen und dem Spitzenkandidaten überzeugst, wirst du als Gesamtpartei dieses Selbstbewusstsein und Siegerimage ausstrahlen, das du bei einer Wahl brauchst.
Der Gesamtapparat heißt, dass der Weg nicht nur in Wien entschieden werden kann.
Es muss jede Landesorganisation dahinter stehen. Es gewinnt Wien allein nicht eine Wahl, das Burgenland schon gar nicht. Eine bundesweite Wahl gewinnt man nur, wenn alle Landesorganisationen hinter dem Spitzenkandidaten und den Themen stehen.
Da wäre es gut, die Landesorganisationen öfters an einem Tisch haben.
Ja sicher. Aber ich bin ja nicht der, der einladen muss.
In Wien sagt man, die burgenländische SPÖ fordert Neuwahlen, weil Sie Spitzenkandidat sein wollen.
Es ist das Einfachste, nur über die Spitzenkandidatur zu diskutieren. Wenn man der Sozialdemokratie etwas Gutes will, sollte man zuerst über die Themen reden. Eine Personaldiskussion ist natürlich für die Medien interessant. Aber sie schadet uns im derzeitigen Zustand am meisten. Daher werde ich auch keine führen.
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