Mölzer über Kickl-FPÖ: "VdB wird hektisch Zigaretten rauchen"
Die FPÖ ist dabei, nach Oberösterreich, Tirol und Niederösterreich auch in Salzburg zur zweitstärksten Kraft aufzusteigen. In bundesweiten Umfragen liegt sie derzeit mit deutlichem Abstand auf Platz 1. Die politische Sensation gelang ihr jedoch in Niederösterreich, weil sie im mächtigen ÖVP-Kernland von der ÖVP zum Partner erkoren wurde.
Im KURIER analysiert der langjährige FPÖ-Insider und -Ideologe Andreas Mölzer die Entwicklung der FPÖ vom "Strahlemann" Jörg Haider über den "guten Kameraden" Heinz Christian Strache zu "Kickl, dem Unerbittlichen".
KURIER: Herr Mölzer, so breit wie sich die FPÖ derzeit verankert - nämlich auch in den Bundesländern - war sie es unter den besten Zeiten Jörg Haiders nicht. Auch ist sie anders als unter Haider und Strache nicht auf eine Person, einen Stimmenmagneten, an der Spitze fixiert. Sie kennen die FPÖ seit den Anfängen Jörg Haiders. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Andreas Mölzer: Äußere Faktoren sind die vielen Krisen, die Russland-Sanktionen, die Teuerung und Corona-Nachwirkungen. Hinzu kommt ein dramatisch gesunkenes Vertrauen der Menschen in die Problemlösungskompetenz der Regierenden, der Etablierten. Das trifft die SPÖ mit ihrer Führungsmisere, und es trifft die ÖVP mit dem Korruptionsverdacht, der jetzt zwei Jahre im U-Ausschuss Thema war.
Was trägt die FPÖ selbst zu ihrem Höhenflug bei?
Mölzer: Der Faktor, den die FPÖ verantwortet, ist: Sie hat eine klare Haltung. Diese wird zwar vom politisch-medialen Establishment heftig kritisiert, ist aber für die Menschen klar erkennbar. Bei Corona ist die FPÖ der Anwalt jener, die ihre Bürgerrechte nicht beschneiden lassen wollen. Da geht es weiniger um die Impfung oder das Entwurmungsmittel, sondern um die Bürgerfreiheiten. Eine klare Haltung hat sie auch bei den Russland-Sanktionen: Sie ist die einzige Partei, die klar gegen die Sanktionen ist und sagt, diese seien der ursächliche Faktor für die Teuerung und die Energiekrise. Und damit hängt die Haltung der FPÖ in der Neutralitätsfrage zusammen. Zumindest ein Drittel der Leute sind klar für das, was die FPÖ hier vertritt. Das hängt mit der Person des Parteichefs nur indirekt zusammen.
Kickl ist als Person kein Stimmenbringer wie Haider oder Strache. Was trägt er eigentlich zum FPÖ-Erfolg bei?
Mölzer: Kickl ist eine andere Persönlichkeit als Haider. Haider war ein Strahlemann, Strache der Typ guter Kamerad. Kickl ist der Unerbittliche. Das ist sein Trumpf, weil ihm die Leute abnehmen, dass es ihm ernst ist mit dem, was er sagt. Dass das kein Scherz ist, dass er 100prozentig dahinter steht. Er hat für sein Potenzial, für das Kickl-Potenzial, ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit.
An Kickl gab es immer wieder Kritik, zum Beispiel, dass er anders als Manfred Haimbuchner nicht regierungsfähig, nicht paktfähig sei. Wie fest sitzt Kickl im Sattel?
Innerparteilich ist alles gegessen, was es an Kritik gab, weil ihm der Erfolg recht gibt. Meine burschenschaftlichen Freunde, die alle Akademiker sind, sind alle ganz auf Kickl-Linie. Es gibt keinen einzigen, der, nach außen schon gar nicht, aber auch nicht nach innen, Kritik übt. Die Partei ist in einem Maße geschlossen wie selten zuvor.
Wird die Geschlossenheit halten, wenn es um eine Regierungsbildung geht? Da gibt es ja in anderen Parteien die Hoffnung, dass die FPÖ Kickl durch jemanden anderen, Herzeigbaren, ersetzt.
Zuerst muss die FPÖ einmal die Wahl gewinnen. Die FPÖ hat ja schon von 2015 bis 2017 in den Umfragen geführt, ist dann aber doch Dritte geworden, weil Kurz damals die Themenführerschaft kaperte. Das wird Nehammer und Sobotka diesmal nicht so leicht gelingen, weil die Leute sehen, dass es das gleiche Spiel ist wie vor fünf Jahren. Die Chancen der FPÖ, diesmal bei der Wahl als stärkste durchs Ziel zu gehen, sind wesentlich größer als 2017.
Und was passiert dann? Wer wird dann Kickls Partner?
Jörg Haider hat Wolfgang Schüssel damals zum Kanzler gemacht. Was für Herrn Schüssel im Jahr 2000 recht war, könnte diesmal für den Herrn Doskozil billig sein. Möglich ist vieles. Aber die SPÖ ist wahrscheinlich zu geschwächt dafür, eine Koalition mit der FPÖ würde sie zerreißen. Dagegen spricht auch, dass sich Kickl in einer anderen Situation befindet als Haider damals. Wenn Kickl wirklich Erster ist, kann ich mir schwer vorstellen, dass er sagt: Machen wir jemanden anderen zum Kanzler. Das wird dann eine schwierige Situation. Der Bundespräsident wird dabei eine untergeordnete Rolle spielen. Wir erinnern uns alle an die saure Miene von Dr. Klestil. Das war alles, was Klestil damals gegen Schwarz-Blau machen konnte. Der Herr Van der Bellen wird halt hektisch ein paar Zigaretten rauchen, aber wenn es eine parlamentarische Mehrheit gibt, wird er unterschreiben müssen.
Ist die Koalition der ÖVP mit der FPÖ in Niederösterreich hilfreich für eine Neuauflage von ÖVP und FPÖ auf Bundesebene?
Ja, da bahnt sich einiges an. Keiner hat geglaubt, dass Frau Mikl-Leitner mit dem Landbauer kann. Und siehe da. Keiner hätte geglaubt, dass Kickl, der sich persönlich von der ÖVP beleidigt und ausgegrenzt fühlt, da mitmacht. Da ist jetzt wirklich vieles möglich. Sollte es wieder eine Mitte-Rechts-Regierung geben, wird die spannende Frage sein: Was wird sie dann anders machen bei der Teuerung, bei den Russland-Sanktionen, bei der Integration und der Massenmigration? Leicht wird das nicht, diese Probleme zu lösen. Es muss dann endlich einmal gelingen, die Mehrheit auch zu halten. Und es ist auch klar, dass im Falter und im Standard wieder eifrig an Konzepten gebastelt werden wird, wie man diese Regierung wieder stören oder kaputtmachen könnte.
Apropos. Es gibt ja die These, die Verschwörungstheorie, dass die Staatsanwaltschaften eine linke, politische Agenda hätten, und daran geknüpft die Ansicht, dass eine neue türkis-blaue Regierung in der Justiz Personen austauschen müsste. Sind Sie ein Verschwörungstheoretiker oder sagen Sie, man muss die Justiz jedenfalls arbeiten lassen?
Ich bin kein Verschwörungstheoretiker, ganz und gar nicht. Denn das ist keine These, sondern es ist ein Faktum, dass die WKStA agiert wie der Jakobinerclub in der Französischen Revolution. Motto: Wen schicken wir morgen aus Schafott? Aufs mediale, natürlich. Es war einer der schwersten Fehler der ÖVP-Innen- und Justizminister der letzten Jahrzehnte, dass man es zugelassen hat, dass die WKStA ein Staat im Staate geworden ist, der mit einer unglaublichen Härte agiert. Verfassungsrichter aus der Sitzung herauszuholen, oder Minister, das ist ja kaum glaublich eigentlich. Aber ja: Ich zweifle nicht daran, dass bis zur Wahl jede Woche ein FPÖ-Einzelfall auftauchen wird. Die Frage wird, ob die Menschen sich davon noch beeindrucken lassen.
Sehen Sie gar nichts zu kritisieren an der Kickl-FPÖ?
Ich sehe genug zu kritisieren. Aber es gibt genügend Leute, die das Haar in der Suppe suchen, mein Job ist das nicht. Die Frage wird vielmehr sein, ob sich die ÖVP von der Kritik an der FPÖ beeindrucken lassen wird, wenn ich mir anschaue, was Mikl-Leitner aushalten musste, weil sie diese Koalition in Niederösterreich eingegangen ist. Ich bin nicht ihr Verteidiger, aber sie hat mir schon fast leid getan. So wird es dann auch dem Nehammer, oder wer immer dann an der Spitze steht, ergehen.
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