Mitterlehner maßregelt Kern: "Präpotenz zerstört Teamgeist"

Frostiges Klima nach hitzigem Eklat: Vizekanzler Mitterlehner, Kanzler Kern
Die Mindestsicherung sorgt für handfesten Krach in der Koalition. Die ÖVP ist über Kern und Stöger empört.

Egal, wie sie zu ihm als Person oder zur ÖVP stehen – eines wird Reinhold Mitterlehner von allen Seiten zugestanden: Er sei derjenige Spitzenpolitiker, der sich am meisten um den Fortbestand und das Funktionieren der Regierung bemühe. Manche Beobachter behaupten sogar, Mitterlehner sei inzwischen der Einzige, der sich noch für diese Koalition einen Hax’n ausreißt.

Und ausgerechnet diesem gutwilligen Mitterlehner platzte am Dienstag in der Regierungssitzung der Kragen.

Schon tags zuvor war Kanzler Christian Kern Mitterlehner in den Rücken gefallen, in der Regierungssitzung am Dienstag brachte Kern dann das Fass zum Überlaufen.

"Präpotentes Verhalten, das den Teamgeist zerstört", warf Mitterlehner dem Kanzler vor. Und über Sozialminister Alois Stöger sagte der Vizekanzler sinngemäß, dessen Unprofessionalität würde die Erfolge der Regierung zunichte machen.

Anlass für den Krach war die Mindestsicherung. Kern und Mitterlehner hatten am Wochenende telefoniert und vereinbart, noch einen ernsthaften Anlauf für eine Einigung zu nehmen. Mitterlehner telefonierte daraufhin mit Josef Pühringer und Erwin Pröll, um den Rahmen für eine Lösung abzustecken. Doch während sich Mitterlehner in Absprache und mit Wissen Kerns mit den Ländern um einen Kompromiss bemühte (was eigentlich Stögers Aufgabe wäre), stellte sich Kern am Montag in die SPÖ-Klubtagung und übergoss die ÖVP mit Häme. Zu diesem Zweck entfremdete der SPÖ-Chef die offizielle Tagesordnung, wonach sich der SPÖ-Klub eigentlich mit "Innovation und Digitalisierung" beschäftigen sollte, und zeichnete vom Koalitionspartner folgendes Bild: Die ÖVP sei das "Hemmnis für innovative Lösungen" in vielen Bereichen, von der Mindestsicherung bis zu Zuwanderung und Integration.

Tags darauf war, wie dienstags üblich, um 10 Uhr die Sitzung des Ministerrats im Kanzleramt angesetzt. Das ÖVP-Regierungsteam war vollzählig erschienen, auch die SPÖ-Minister Sonja Hammerschmid und Jörg Leichtfried waren zugegen. Es wurde fünf nach zehn, zehn nach zehn, viertel elf. Kein Kanzler, der eigentlich ja im Nebenraum sein Büro hat, kein Abgesandter des Kanzlers, keine Nachricht – nichts. Zwanzig nach zehn, fünfundzwanzig nach zehn. Die ÖVP-Minister begannen zu murren und wollten aus Protest die Regierungssitzung verlassen.

Halb elf. Eine SMS. Es dauere nicht mehr lange.

Um 10.45 Uhr erschien der Kanzler endlich, leger hinwerfend: Die Verspätung tue ihm leid, aber die SPÖ hätte intern über die Mindestsicherung reden müssen.

Daraufhin meldete sich Mitterlehner mit der oben zitierten Standpauke. Die Szene artete zum handfesten Krach aus. Die ÖVP beschwerte sich auch über das Verhalten von Sozialminister Stöger. Dieser würde den Medien ständig Kompromissvorschläge zuspielen, die er der ÖVP in Wahrheit gar nie unterbreite. Außerdem würde Stögers "unprofessionelles und unkreatives Verhalten" Kompromisse unmöglich machen. "Stöger macht jede Verhandlungsposition öffentlich, sodass niemand mehr ohne Gesichtsverlust einem Kompromiss zustimmen kann", lautet der Vorwurf.

Was Mitterlehner besonders wurmt: Die Regierung hat mit dem Budget, einem neuen Finanzausgleich, der Schulautonomie, dem Ausbau der Ganztagsbetreuung, der Entbürokratisierung bei Gewerbeordnung und Betriebsanlagen eine Liste von Leistungen und Fortschritten vorzuweisen. "All die Ergebnisse der Koalitionsarbeit geraten durch diese Unprofessionalität und den mangelnden Teamgeist ins Hintertreffen, auf diese Art und Weise ist ein zukunftsorientiertes Arbeiten in der Regierung nicht möglich", sagte Mitterlehner in der Regierungssitzung.

Das klingt ernst.

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