Weniger Kindergartenplätze, die mit Vollzeitjob vereinbar sind

Weniger Kindergartenplätze, die mit Vollzeitjob vereinbar sind
Laut Expertinnen wegen Personalmangel und coronabedingt geschlossener Privatkindergärten.

In der neuen 15a-Vereinbarung zur Elementarpädagogik haben Bund und Länder nicht nur vereinbart, ein flächendeckendes Angebot an Kindergartenplätzen zu schaffen. Ziel sind auch mehr Plätze, die gut mit einem Vollzeitjob von Eltern vereinbar sind. Zuletzt gab es hier allerdings sogar einen Rückgang beim Angebot, zeigen Daten der Statistik Austria. Expertinnen führen das im APA-Gespräch auf den Personalmangel und Auswirkungen der Corona-Pandemie zurück.

Bis 2026/27 wollen Regierung und Länder so genannten VIF-konforme Plätze, die auch mit Vollzeitjobs der Eltern vereinbar sind, um sechs Prozentpunkte ausbauen. Kriterien des Vereinbarkeitsindikators für Familie und Beruf (VIF) sind ein Angebot an 47 Wochen pro Jahr, von Montag bis Freitag, Öffnungszeiten von mindestens 45 Wochenstunden und an vier Tagen mindestens 9,5 Stunden.

Vollzeit wird schwieriger

Während die Betreuungsquoten insgesamt in den vergangenen Jahren gestiegen sind, ist der Anteil an Kindern in solchen VIF-konformen Einrichtungen zuletzt allerdings wieder leicht gesunken: Bei den Null- bis Zweijährigen gab es österreichweit einen Rückgang von 64,0 Prozent auf 59,8 - wobei 2021 nur 29,1 Prozent dieser Altersgruppe überhaupt eine Krippe bzw. Kleinkindgruppe besucht haben. Bei den Drei- bis Fünfjährigen (Betreuungsquote: 93,8) sank der Anteil von 51,8 auf 49,3 Prozent. Besonders groß war das Minus etwa in Niederösterreich mit einem Rückgang bei den Jüngsten von 51,1 auf 44,4 und bei den Älteren von 41,5 auf 31,4 Prozent.

Auf Halbtagesbetrieb umgestellt

Offensichtlich sei ein Teil der Kindergärten durch die Personalknappheit gezwungen, die Öffnungszeiten wieder zu reduzieren, schließt Katharina Mader von der Frauenabteilung der Arbeiterkammer (AK) Wien aus den Zahlen. Die Auswirkungen seien vielleicht nicht überall so extrem wie in der Steiermark, wo zuletzt Gruppen geschlossen bzw. von Ganztags- auf Halbtagsbetrieb umgestellt werden mussten. Aber ein Indiz dafür, dass auch andere Bundesländer sich wegen des Mangels an Pädagoginnen und Pädagogen plagen, bei gleichzeitigem Ausbau der Plätze auch großzügige Öffnungszeiten aufrechtzuerhalten, sind die Zahlen für Mader allemal.

Und sie decken sich mit ihren Rückmeldungen aus der Praxis. "Es gibt derzeit in ganz Österreich nicht einmal genügend Personal, um den Status Quo aufrechtzuerhalten - geschweige denn das Angebot auszubauen oder kleinere Gruppen einzuführen", so Mader im Gespräch mit der APA. In den Sommerferien habe sie von Trägern in allen Bundesländern gehört, dass sie nicht wissen, wie sie Standorte im Herbst eröffnen sollen. Die etwa in Niederösterreich geplante Ausweitung des Angebots auf Kinder ab zwei Jahren samt Verkleinerung der Gruppen und weniger Schließzeit im Sommer sei angesichts dessen derzeit ambitioniert.

Personal fehlt

"Wir müssen darauf achten, dass beim Ausbau die Qualität nicht vergessen wird", betont sie. Sonst laufe den Kindergärten noch mehr Personal davon und damit sei weder Kindern noch Eltern geholfen. Nur bei einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen werde man es schaffen, mehr Pädagoginnen in die Kindergärten zu bringen. Gleichzeitig sei eine Verbesserung der Bedingungen durch kleinere Gruppen und bessere Betreuungsschlüssel nur dann möglich, wenn es genug Personal gibt.

Auch Natascha Taslimi vom Netzwerk Elementare Bildung (NEBÖ) führt den Rückgang VIF-konformer Plätze auf die Personalengpässe zurück. Verstärkt werde der Effekt noch dadurch, dass so mancher Kindergarten die Einschränkungen im Betrieb zu Beginn der Coronapandemie mangels Förderungen nicht überlebt habe, sagt sie im Gespräch mit der APA. Um aus der aktuellen Situation wieder herauszukommen, brauche es jedenfalls mehr als kurzfristige politische Maßnahmen.

Aktuelle Ideen einzelner Länder oder Städte wie Prämienzahlungen oder höhere Gehälter alleine würden niemanden längerfristig dazu bringen, im Kindergarten zu arbeiten. Es brauche Rahmenbedingungen, unter denen die Pädagoginnen nicht nur die Grundbedürfnisse der Kinder erfüllen, sondern die Arbeit machen können, für die sie ausgebildet wurden. "Wenn das auf Dauer nicht so ist, dann gehen die Leute."

Arbeitsplätze attraktiveren

Für einen Ausbaustopp tritt Taslimi dennoch nicht ein. Jedes Kind habe ein Recht auf Bildung, betont sie. Stattdessen müsse die Politik endlich ernsthafte Maßnahmen ergreifen, um den Arbeitsplatz Kindergarten attraktiver zu machen, durch kleinere Gruppen und bessere Betreuungsverhältnisse. Die Regierung solle sich - etwa im Rahmen eine Imagekampagne - klar dazu bekennen, dass der Kindergarten die erste Bildungseinrichtung ist. Diese Wertschätzung wäre wichtig für das ausgebildete Personal. Im zweiten Schritt fordert Taslimi einen Stufenplan für eine Verbesserungen der Rahmenbedingungen. Mit diesem Ziel vor Augen könne man das Personal auch bei der Stange halten.

Und auch die Gewerkschaften nimmt NEBÖ in die Pflicht. Diese würden zwar in Presseaussendungen oder Interviews für bessere Rahmenbedingungen in den Kindergärten eintreten, so die Kritik in einem Brief an die Interessensvertretungen. Konkrete Maßnahmen zur Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen gehen den Elementarpädagoginnen allerdings ab. Nötig seien wirksame Maßnahmen samt einer österreichweiten Protestbewegung, um auf die prekäre Situation aufmerksam zu machen - und zwar unabhängig von Trägerschaft und Gewerkschaftszugehörigkeit.

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