Strafen bis 1.000 Euro: Kopftuchverbot geht in Begutachtung

Vor fünf Jahren hat es der Verfassungsgerichtshof (VfGH) aufgehoben, nun unternimmt Türkis-Rot-Pink den zweiten Anlauf: Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) hat am Mittwoch nach dem Ministerrat den Gesetzesentwurf für das Kopftuchverbot für unter 14-jährige Mädchen präsentiert.
Dieser wird nun auch in Begutachtung geschickt und soll bereits im zweiten Schulsemester in Kraft treten. Die 2019 für Volksschulen beschlossene Regelung hatte der VfGH unter anderem mit Verweis auf den Gleichheitsgrundsatz aufgehoben.
Das "Kinderkopftuch" schränke die Freiheit von Mädchen ein, "dabei bleibe ich", sagt Plakolm bei der gemeinsamen Präsentation mit den Klubobmännern Philip Kucher (SPÖ) und Yannick Shetty (Neos). "Ein achtjähriges Mädchen gehört ganz einfach nicht hinter einem Stück Stoff versteckt", sagt Plakolm. Mädchen sollten in Österreich "frei und sichtbar" aufwachsen können und "nicht sexualisiert werden".
Geldbußen als finale Maßnahme
Mit 14 Jahren beginne dann die Religionsmündigkeit, dann könnten Mädchen frei entscheiden ob sie ein Kopftuch tragen wollen, so Plakolm. Das Verbot gilt, wie bereits angekündigt, an öffentlichen und privaten Schulen. Was geschieht, wenn die Kinder dennoch ein Kopftuch tragen? In einem ersten Schritt soll die Schule Gespräche mit den Eltern führen, später die Bildungsdirektion.
Nützt all das nicht, sind Geldbußen von 150 bis 1.000 Euro oder Ersatzfreiheitsstrafen für die Eltern vorgesehen. "Das Kinderkopftuchverbot ist Symbolpolitik", sagt Plakolm - nämlich ein Symbol dafür, dass muslimische Mädchen in Österreich die gleichen Chancen haben sollten wie Buben.
Shetty: "Kopftuch wertet weibliches Geschlecht ab"
"Wir machen uns diese Debatte nicht leicht, es ist durchaus auch verfassungsrechtlich ein sensibles Thema", sagt Kucher. Aber es gebe auch Druck auf Mädchen und das dürfe nicht sein. Kucher kritisiert gleichzeitig andere religiöse Fundamentalisten, etwa "radikale Abtreibungsgegner". Gegen solche Kräfte habe die SPÖ immer gekämpft: "Wir sind nicht bereit, das neu zu diskutieren, mit niemandem und nie mehr."
Laut Shetty hätten Kopftücher im öffentlichen Raum quantitativ "stark zugenommen". Diese seien ein Symbol der Frühsexualisierung und der Abwertung des weiblichen Geschlechts. Der Schritt der Regierung sei "gut und ausgewogen". Das Verbot hebe sich auch von der 2019 von Türkis-Blau verabschiedeten Regelung ab, man habe die Bedenken des VfGH berücksichtigt.
Warum verstößt die neue Regelung nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz? Es gebe einen Unterschied, ob ein Kind eine Kette mit einem Kreuz trage oder ein Mädchen zum Tragen eines Kopftuchs gezwungen werde, argumentiert Shetty. Es handle sich „um eine andere Intensität des Eingriffes“. Ihm falle jedenfalls kein anderes Symbol ein, das Mädchen dermaßen frühsexualisiere und stigmatisiere.
Begleitmaßnahmen
Parallel zum Kopftuchverbot soll es im Gesetz diverse Begleitmaßnahmen geben. Dazu gehört etwa "Burschenarbeit", die "gezielt den Gruppendruck durch Gleichaltrige" adressieren und gleichberechtigtes Verhalten fördern soll. Auch Maßnahmen gegen sogenannte islamische "Sittenwächter", die Mädchen unter Druck setzten", sind geplant.
Verfassungsexperte skeptisch
Skeptisch zeigt sich Verfassungsexperte Heinz Mayer. Er hält eine verfassungskonforme Umsetzung des Kopftuchverbots für schwierig, wie er am Rande einer Pressekonferenz erklärte. "Der VfGH hat 2020 sehr enge Grenzen gesetzt. Es geht um die Unterdrückung von Mädchen, und da hat der VfGH völlig richtig gesagt, warum setzt man nicht bei den Unterdrückern an? Warum setzt man bei den Mädchen an?" Geldstrafen von 1.000 Euro hält er für keine gute Idee. Das Kopftuch sei ein Symbol, aber das Verbot bekämpfe ja nicht die Ursache.
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