Das geplante Kopftuchverbot und die Null in Stockers Formel

Islamunterricht
Wie viele andere mit großem Getöse verkündeten Maßnahmen im Bereich Migration dürfte auch das Kopftuchverbot reine Symbolpolitik bleiben.
Josef Gebhard

Josef Gebhard

Wenn Worte nicht genug wirken, müssen Zahlen überzeugen. Um seine Pläne besser verkaufen zu können, hat Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) die „2-1-0“-Formel erfunden: die Inflation auf zwei Prozent senken, das Wirtschaftswachstum wenigstens auf ein Prozent bringen und null Toleranz gegen Intolerante.

Während sich die Dreierkoalition in ihrer Klausur zu Wochenbeginn den ersten beiden Punkten widmete, beschäftigt man sich hinter den Kulissen mit dem dritten: Aus dem Ressort von Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) sind neue Details zu dem von der Regierung geplanten Kopftuchverbot für muslimische Mädchen unter 14 Jahren durchgesickert. Demnach müssen Eltern, die das Verbot ignorieren, im Extremfall Strafen von mehr als 1.000 Euro begleichen. Es handelt sich um den zweiten Versuch eines Verbots, nachdem das erste 2020 vom Verfassungsgerichtshof gekippt worden war.

Es mag grundsätzlich gewichtige Argumente dafür geben, dass ein derartiges religiöses Symbol insbesondere in den heimischen Schulen nichts verloren hat. Für sie sollten gerade jene Verständnis haben, die lautstark gegen Kruzifixe in Klassenzimmern auftreten.

Die Sache hat nur einen Haken: Niemand, auch Plakolms Ministerium nicht, kann beziffern, wie viele Mädchen im Alltag tatsächlich Kopftuch tragen, wie relevant das Problem also ist. Gut möglich daher, dass sich das Kopftuchverbot in jene jüngsten Maßnahmen im Bereich Migration einreiht, die von der Regierung unter großem Getöse verkündet wurden, in der Praxis mangels Betroffener aber nur marginale Auswirkungen haben – und somit reine Symbolpolitik bleiben. Wie der zuletzt beschlossene Stopp der Familienzusammenführung oder die Abschiebung eines einzelnen Syrers in sein Heimatland.

Die wirklich großen Hausaufgaben im Bereich Migration und Integration bleiben unterdessen unerledigt. Wie gelingt es, dass Kinder in den heimischen Kindergärten und Schulen möglichst rasch Deutsch lernen und unsere westlich-liberalen Werte annehmen? Wie können die bereits im Land befindlichen Migranten möglichst rasch in den Arbeitsmarkt integriert werden? Wie schafft man bei den Sozialleistungen die Balance zwischen ausreichender Absicherung und Motivation, einer Arbeit nachzugehen?

An der Lösung dieser Fragen wird sich die Dreierkoalition – genauso wie an der Bewältigung von Wirtschaftsflaute und Inflation – messen lassen müssen. Die symbolischen Maßnahmen à la ÖVP reichen jedenfalls nicht, um den Höhenflug der FPÖ zu stoppen, wie die jüngsten Umfragen zeigen. Stocker und seine Mitstreiter werden sich mehr einfallen lassen müssen. Damit die Null in seiner Formel am Ende des Tages nicht für null Erfolg steht.

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