Mindestsicherung: Das harte Ringen um die Sozialhilfe

Mindestsicherung
Warum das EuGH-Urteil die Debatte zwischen ÖVP und FPÖ nur bedingt beeinflusst.

Der wichtigste Satz zur neuen Mindestsicherung findet sich auf Seite 100 des Regierungsprogrammes. „Menschen, die arbeiten oder jahrelang einen Beitrag für Österreich geleistet haben, sollen finanziell besser gestellt sein als andere, die das nicht tun oder getan haben.“

So formulierten es im Dezember 2017 die Verhandler von ÖVP und FPÖ. Und genau daran, nämlich wie die öffentliche Hand zwischen einzelnen Mindestsicherungsbeziehern unterscheiden kann, verläuft nun die eigentliche Verhandlungs- und Konfliktlinie zwischen Volkspartei und Freiheitlichen.

Seit Mittwoch ist klar: So, wie es seit 2016 in Oberösterreich gemacht wurde, funktioniert es nicht – die Regelung wurde vom Europäischen Gerichtshof aufgehoben, es ist rechtlich unzulässig zu unterscheiden, ob jemand einen befristeten oder unbefristeten Asylstatus genießt.

Für den Bund ist das Urteil insofern nur mäßig relevant, als ÖVP und FPÖ diesen Teil des oö. Modells nicht übernehmen wollten.

Das politische Ansinnen bleibt freilich, nämlich: Die Mindestsicherung soll möglichst nicht als Zuwanderungsgrund gesehen werden. ÖVP und FPÖ sind sich zudem einig, dass die neue Mindestsicherung weiter auf Höhe der Mindestpension (derzeit 863 Euro) bleiben soll und dass Migranten einen Teil dieses Geldes (rund 300 Euro) nur bekommen, wenn sie ausreichende Deutschkenntnisse haben.

Mindestsicherung: Das harte Ringen um die Sozialhilfe

Problem Aufstocker

Der wesentliche Knackpunkt in der Koalition ist ein anderer, nämlich: Wie geht man mit Menschen um, die zwar arbeiten, dabei aber so wenig verdienen, dass sie ein Anrecht auf das Existenzminimum haben? Was ist mit diesen „Aufstockern“?

Während die Freiheitlichen fordern, diese Menschen insofern besser zu stellen, als der Staat nicht auf deren Vermögen zugreift, ergeben sich für die Volkspartei mehrere Schwierigkeiten.

Die eine ist die: Insbesondere in mächtigen Landesparteien wie Oberösterreich, Niederösterreich und der Steiermark ist man skeptisch, ob der Verzicht auf den Vermögenszugriff bei Aufstockern das richtige Signal ist.

Risiko fürs Budget

Ein einflussreicher ÖVP-Verhandler formuliert es im KURIER-Gespräch so: „Wenn die Bürger wissen, dass sie künftig auf die Mindestsicherung aufstocken können ohne dass sich das Land für ihre Eigentumswohnung, ein Auto oder 20.000 Euro auf dem Sparbuch interessiert, wird es dann eher mehr oder weniger Anträge geben? Der Hausverstand sagt: Es werden wohl mehr.“

In einem zweiten Schritt geht es um die pragmatische Frage, wer die mögliche Mehrbelastung trägt. Denn die Mindestsicherung fällt in die Zuständigkeit der Bundesländer, sprich: Steigt die Zahl der Bezieher, steigt die Belastung für die Budgets der Bundesländer – und genau das wollen die Landeshauptleute verhindern.

Wie geht es weiter?

In der Regierung ist die Frage der Mindestsicherung seit Wochen Chefsache, sprich: Kanzler und Vizekanzler sowie die Regierungskoordinatoren Gernot Blümel und Norbert Hofer verhandeln in Permanenz.

Sowohl in den Regierungsparteien wie auch gegenüber der Öffentlichkeit wird allerdings kommuniziert, dass man jedenfalls eine Reform der Mindestsicherung vorlegen will, die europa- und verfassungsrechtlich hält.

Ob am Ende bei den Aufstockern auf den Vermögenszugriff verzichtet wird, ist vorerst völlig offen. Die FPÖ scheint hoch zu pokern. Oder, wie ein ÖVP-Verhandler sagt: „Die Blauen machen das Thema wieder einmal zur Fahnenfrage.“

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