Migration: Macron als Merkels Retter in der Not
Angesagte Revolutionen finden in der EU nie statt. Selbst hochfliegende Pläne, wie sie vor einem Jahr Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verkündet hatte, verlieren meist schnell an Höhe. Für Angela Merkel aber, die Deutschland stets bedacht, aber ohne große Veränderungsambitionen geführt hat, geht es nicht um Visionen, sondern vorerst ums politische Überleben. Und keinen braucht sie dabei mehr als den jungen französischen Staatschef Macron.
Der Präsident reiste gestern in Begleitung seiner gesamten Regierung zu einem deutsch-französischen Ministerrat ins Schloss Meseberg nahe Berlin an. Schon seit Monaten vorbereitet, hätte sich das Treffen vor allem den angepeilten Reformen der Eurozone widmen sollen. Doch ein Thema überschattete alles andere: Das Ultimatum der bayerischen CSU an Kanzlerin Merkel. Liefert sie nicht bis 1. Juli eine „europäische Lösung“ in der Migrationsfrage, will Innenminister Horst Seehofer (CSU) ohne Zustimmung der Kanzlerin mit der einseitigen Abweisung von Asylsuchenden an deutschen Grenzen beginnen. Das würde unweigerlich im Rauswurf Seehofers münden, letztlich aber auch Merkels Regierung sprengen.
Bei Emmanuel Macron kann Merkel indessen auf Rückhalt zählen. Der französische Präsident und die deutsche Kanzlerin, beide beteuerten gestern erneut, dass nationale Lösungen nicht helfen. „Es braucht ein souveräneres Europa, aber auch mehr Einheit und Solidarität, sowohl in- als auch außerhalb der EU“, forderte Macron.
„Merkel braucht die deutsch-französische Verständigung, weil sie sonst schwer vermitteln kann, dass es eine Chance auf eine europäische Einigung gibt“, sagt Janis Emmanouilidis. Der Experte am Brüsseler Think-Tank EPC verortet Merkel und Macron in der Migrationsfrage „auf der gleichen Seite, im gleichen Lager“. Ein gemeinsames außenpolitisches Engagement, um die Fluchtursachen zu bekämpfen und Schlepperbanden auszuschalten, beschworen gestern beide. Den EU-Außengrenzschutz wollen sie stärken und dafür die EU-Grenzagentur Frontex ausbauen. „Betroffene Staaten sollen besondere Unterstützung bekommen“, sagte Merkel und erwähnte dabei insbesondere Italien.
Keine Lager geplant
Früher hatte Macron auch die Errichtung von Auffanglagern von Migranten in Nordafrika gefordert. Nach einem Besuch in der Region aber rückte er von dieser Idee wieder ab. Auf derartige Vorschläge, wie sie auch von anderen Regierungschefs zu hören sind, kontert die Kommission stets gleich: Derzeit sei nichts in dieser Richtung geplant. Alle afrikanische Regierungen haben derartige Pläne bisher stets abgelehnt.
Beim Puzzle ihrer Suche nach einer „europäischen Lösung“ liefert Macron also ein großes Teil. Nicht ohne Eigennutz. Denn nicht nur Merkel benötigt die Stütze des Franzosen – er braucht auch Merkel.
Eurozonen-Budget
Ohne die Schubkraft einer deutschen Regierung lassen sich Macrons Reformvorhaben für die EU nicht umsetzen – Pläne wie etwa für ein eigenes Budget für die Eurozone. Dabei gab die bisher widerstrebende deutsche Kanzlerin gestern erstmals überraschend grünes Licht. „Die Mittel sollen für Investitionen verwendet werden, um die wirtschaftliche Annäherung der Euro-Staaten zu fördern“, sagte Merkel. Eine Summe nannte sie allerdings nicht.
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