Michael Tojner: "Doskozil wird sich noch entschuldigen"
Beinahe, so erzählt er lachend, wäre er „ein Aprilscherz geworden“. Doch dann „habe er es sich offenbar anders überlegt“ und sei „zehn Minuten vor dem 1. April“ zur Welt gekommen. Vor knapp 53 Jahren.
Ein Omen für den Milliardär , der sich selbst so nicht bezeichnen würde? Denn zu lachen hat man mit dem Industriellen – glaubt man Michael Tojners Kontrahenten, derer es derzeit eine Menge gibt – im Geschäftsalltag wenig. Alles andere als schmeichelnd sind die Attribute, die man ihm, dem drahtig sportlichen Unternehmer, zuschreibt: „Zocker Tojner“, „Grenzgänger“, „Heuschrecke“ oder noch schlimmer: „Luzifer“. Sein Feind-Freund-Verhältnis beziffert Tojner selbst mit 9:1. Sprich: Auf einen Freund kommen neun Feinde. „Weil Erfolg in Europa nicht positiv gesehen wird“, analysiert er.
Anfänge als Eisverkäufer
Ins Rampenlicht drängte es Tojner eigentlich nie. Nur einem kleinen Kreis war der Oberösterreicher aus Haag bekannt, der als Eisverkäufer in Schönbrunn seine erste Million Schilling machte und quasi aus dem Nichts eine imposante Industrie- und Immobiliengruppe emporzog. Heute ist er Chef des Industriekonzerns Montana Tech mit mehr als 7000 Mitarbeitern, davon 2000 in Österreich, 282 Gesellschaften weltweit, Immobilien in Manhattan, Zinshäuser in Wien und dem Wiener Intercontinental.
Doch dann kam das umstrittene Heumarkt-Projekt inklusive dem „Spottpreis“, so seine Kritiker, von 4,2 Millionen Euro, den Tojner für das Areal 2008 zahlte. Der begeisterte Kitesurfer verspürte erstmals politischen Gegenwind. „Das nehme ich sportlich. Wir leben in einer Demokratie. Niemandem muss der Entwurf gefallen.“
Jedoch war das noch eine Brise im Gegensatz zu dem, was nun in Person von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil auf ihn zurollt. Wenn der Ex-Polizist wittert, dass der Steuerzahler möglicherweise um Millionen geprellt wurde, kennt er kein Pardon. So legte er sich als schon als Verteidigungsminister mit dem Airbus-Konzern wegen des Eurofighter-Deals an. Nun sind Tojner und seine Immobiliendeals bei den Sozialwohnungen im Visier von Doskozil. Er zeigte Tojner & Co. wegen Untreue und gewerbsmäßigen Betrugs an. Weitere Anzeigen sollen in wenigen Wochen folgen. Der Industrielle konterte mit einer Amtshaftungsklage gegen das Land Burgenland.
„Hätte Deal aufgeschnürt“
Einst einte die beiden ihre Leidenschaft für Rapid. „Wir waren einmal per Du. Jetzt nicht mehr. Doskozil hat die Anzeige an die Medien gespielt, bevor sie noch bei der Justiz war. Das ist eine Frechheit“, zürnt Tojner. Der Vorwurf: Burgenland soll ein Schaden von rund 40 Millionen Euro zugefügt worden sein. So sollen die gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften Gesfö und Riedenhof mit Absicht die Aberkennung der Gemeinnützigkeit verfolgt haben, um durch den späteren Abverkauf der Liegenschaften Gewinn zu machen.
Ein Beispiel wäre eine Liegenschaft in der Sieveringer Straße. Diese wurde Ende Oktober 2015 an eine dieser Firmen um zwei Millionen Euro verkauft – und nach Aberkennung der Gemeinnützigkeit über mehrere Umwege schließlich um elf Millionen Euro veräußert. Macht neun Millionen Gewinn.
Wie geht es nun Tojner mit dem Negativimage, dass er Gewinne mit Sozialwohnungen mache?
Seine Mutter hatte ihn einst nach dem Erzengel Michael benannt, einer der stärksten Schutzengel. Ein krasser Gegensatz zu dem, was Tojner jetzt vorgeworfen wird. „Ich fühle mich wie Muhammed Ali bei seinem dritten Weltmeisterboxkampf. In der achten Runde schaute er wie ein Loser aus. Nach der 12. Runde hatte er den Gegner k. o. geschlagen.“ Tojner, der selbst boxt, glaubt, er werde als Sieger gegen Doskozil aus dem Ring steigen.
Immer wieder Aufstehen, selbst bei Rückschlägen. Das ist Tojners Credo. Dieses Verhaltensmuster attestieren ihm auch seine Kontrahenten. „Am Ende wird sich Doskozil bei mir entschuldigen müssen oder zumindest bei meinen sechs Kindern. Wir haben hier zu 100 Prozent nichts falsch gemacht“. Um den Beweis anzutreten, fährt eine Armada an Anwälten auf. Doch der Selfmademillionär gibt zu, er hätte die Finger davon gelassen, hätte er „gewusst, was da auf ihn zurollt“.
Das Gesetz nur als Hürde, aber nicht als Stopp-Schild sehen. Außerdem jene, die sich ihm in den Weg stellen, in langwierigen juristischen Auseinandersetzungen ausbluten zu lassen. Das soll eine Erfolgsmethode des (in Mindestzeit) studierten Juristen sein. „Das ist falsch. Es ist eine Qualität einer Firma, wenn sie keine offenen Rechtsfälle hat. Das lähmt den Betrieb.“
Er, der aus „einfachen Verhältnissen stammt, habe es so gelernt, dass man nicht gleich hinschlägt, sondern über Probleme redet.“ Deswegen versteht Tojner Doskozils Vorgehen nicht. „Der Landeshauptmann hätte auf mich zukommen können, wenn er meint, dass die burgenländischen Beamten bei dem Deal überfordert waren und wir zu wenig gezahlt hätten. So macht man das unter ordentlichen Leuten“, definiert Tojner seinen Ehrenkodex.
Ex-Justizminister vermittelt
Sogar Ex-Justizminister und Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter, der seit vielen Jahren ein Freund Tojners ist, pilgerte zu Doskozil, um ihn im Sinne Tojners umzustimmen, „damit man diesen Wahnsinn anders lösen kann“. Denn der Milliardär wäre bereit gewesen, den Deal mit dem Land Burgenland aufzuschnüren und neu zu bewerten.
Schlagzeilen wie diese will Tojner gar nicht. Aber wer will das schon? Er würde viel lieber „Footprints“ – also „Fußabdrücke“ – hinterlassen. „Ich bin fern ab eines spekulativen Investors, sondern ein industrieller Entrepreneur.“ Weil er als Unternehmer stets hohes Risiko ging, legte er sein Vermögen „konservativ in Immobilien an“. So ein Footprint soll der Batteriehersteller Varta sein. „Ich möchte das Unternehmen wieder groß machen“. Zwei Jahre nach seinem Einstieg bei Varta, wurde er zur Bank Austria zitiert, weil die Kreditlinien ausgeschöpft und die Konten gesperrt werden sollten.
Doch dann konnte Varta mit Samsung, Google oder Amazon die Crème de la Crème unter den Tech-Konzernen als Kunden gewinnen. Es ging bergauf. 2017 war Varta die erfolgreichste Börsen-Emission. „Der Kurs hat sich seither verdoppelt“. Jetzt will Tojner auch in das Elektroantriebs-Batteriengeschäft einsteigen und bewirbt sich in Deutschland um ein millionenhohes Förderprojekt.
Ein weiterer Footprint hätte das Heumarkt-Projekt mit dem umstrittenen Turmbau mit 73 Metern, den Tojner „Türmchen“ nennt, werden sollen. Wien könnte dadurch die Auszeichnung Weltkulturerbe verlieren. „Drehen Sie sich einmal um“, sagt Tojner beim KURIER-Interview in seiner Unternehmenszentrale am Getreidemarkt mit imposantem Blick auf die Kuppel des Kunsthistorischen Museums. „Sehen Sie den Ringturm? Er ist auch 73 Meter hoch“. Und meint weiter: „Der Justiztower ist 90 Meter hoch, und keinen stört es.“ Doch im Unterschied zum Tojner-Turm zerstören diese Gebäude nicht den berühmten Canaletto-Blick (Perspektive vom Belvedere auf die Innenstadt, die auf Gemälde von Bernardo Bellotto zurückgeht).
„Weil eine Sichtachse auf die Innenstadt schlechter wird, glaube ich nicht, dass Wien das Prädikat Weltkulturerbe verlieren wird. Außerdem wird das ohnehin inflationär vergeben.“ Es tue ihm „weh, wenn man nur das Negative am Projekt sieht“, das er nie verkaufen will. Der Unternehmer, von dem erzählt wird, er rücke nie von seiner Überzeugung ab, hat schon auf drei Stockwerke verzichtet. Gebracht habe das Einlenken nichts. „Das bereue ich heute“. Trotz des Widerstandes glaubt er, dass er noch heuer den Baubescheid bekommt.
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